Am Samstag, den 7. Dezember diesen Jahres, machte ich mich gemeinsam mit einem Kollegen auf den Weg in die schleswig-holsteinische „HeavyMetal-Town“ Wacken um dort den Samstag und den Sonntag zu verbringen. Wacken ist eigentlich eine beschauliche Gemeinde im Kreis Steinburg in unmittelbarer Nähe des Nord-Ostsee-Kanals mit rund 2.000 Einwohnern. Bis auf ein Wochenende im Sommer. Denn dann wächst die Einwohnerzahl während des weltbekannten Wacken Open Air, kurz W‑O-A, kurzzeitig mit bis zu 85.000 Menschen auf das 42,5‑fache.
Der Grund unserer Reise war jedoch nicht das große Festival im Sommer, sondern The Worlds Big Sleep Out, einer Veranstaltung, bei der sich weltweit Menschen für Obdachlose einsetzen. Diese Veranstaltung fand an jenem Wochenende zur gleichen Zeit an insgesamt 52 Orten weltweit statt, so zum Beispiel am Londoner Trafalgar Square, auf dem New Yorker Times Square, am Matadero in Madrid, am Hong Kong Observation Wheel in Hongkong, im Quezon Memorial Circle in Quezon City oder am Monomotapa Crowne Plaza Hotel in Harare. In Wacken wurde der „Big Sleep Out“ vom Team des W‑O-A organisiert und fand in der legendären „Kuhle“, dem Standort des allerersten W‑O-A im Jahr 1989, statt.
Los ging es in der Wackener „Kuhle“ nach der Eröffnung der Veranstaltung durch Hoger Hübner vom W‑O-A und Lukas Lehmann vom Hempels Straßenmagazin mit einer Gesprächsrunde mit Hempels-Gründer Jo Tein, Dr. Johannes Lenhard vom Cambridge Centre for Ethics, Tina Tewes von den Barber Angels und Michael Weyh von Engel in den Straßen über den aktuellen Stand der Wohnungslosigkeit. Außerdem wurden internationale Vergleiche zu diesem Thema gezogen und die Arbeit der am „Big Sleep Out“ teilnehmenden Organissationen vorgestellt. Im Anschluss an diese Gesprächsrunde sorgte der Berliner Straßenmusiker Tex Brasket für Gänsehaut. Diese Gänsehaut entstand jedoch nicht durch das norddeutsche „Schietwetter“, sondern durch seine Songs, die von seinem eigenen Leben auf der Straße berichteten. Mit seinem Auftritt sorgte Tex Brasket für die perfekte Einleitung zur zweiten Gesprächsrunde, bei der sowohl ehemalige, als auch aktuell von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen zu Wort kamen.
Nach dem Auftritt von Tex Brasket und der zweiten Gesprächsrunde ging es in der „Kuhle“ mit der Radio BOB! Band musikalisch weiter bevor der US-amerikanische Schauspieler und Musiker Will Smith, bekannt aus Filmen wie „Independence Day“ und „Der Staatsfeind Nr. 1“ oder auch durch Songs wie „Wild Wild West“ und „Gettin' Jiggy Wit It“ sowie der britische Musiker Chris Martin, bekannt als Frontmann und Sänger der britischen Pop-Rock-Band Coldplay, sich per Videobotschaft bei den tapferen „Draußenschläfern“ für ihr Engagement bedankten. Außerdem gab es noch eine von der britischen Schauspielerin Dame Helen Mirren, bekannt aus Filmen wie „Die Queen“ und „Ein russischer Sommer“, ebenfalls per Videoübertragung vorgelesene kleine Weihnachtsgeschichte. Zum Abschluss des Programms gab es dann noch einen Auftritt des Singer/Songwriters Mutz. Um Mitternacht begaben sich die verbliebenen Besucher, etwa 40 von 140 Teilnehmern insgesamt, dann in ihre „Schlafgelegenheiten“ – ein Teil übernachtete draußen, der andere Teil zog einen mehr oder weniger komfortablen Platz im Auto vor. Gegen sechs Uhr am Sonntagmorgen wurden diese dann vorsichtig geweckt und gegen neun Uhr wurde das „Big Sleep Out“ dann aufgrund schlechten Wetterlage beendet.
Nachfolgend noch ein paar Worte zu den am „Big Sleep Out“ Wacken teilnehmenden Organisationen:
HEMPELS e. V. und HEMPELS Stiftung
Seit Februar 1996 erscheint das Straßenmagazin HEMPELS, das von mittlerweile 250 Verkaufenden, die so einen niedrigschwelligen Zugang zu einer Arbeit bekommen, in mehreren Städten Schleswig-Holsteins verkauft wird. Seit 1997 engagiert sich der gemeinnützige Verein HEMPELS e. V. mit Sitz in Kiel für sozial randständige Menschen. Die Herausgabe des Straßenmagazins ist hierbei der Schwerpunkt der Vereinsarbeit. Seit 1999 betreibt HEMPELS e. V. das Vereinscafé „Zum Sofa“ in Kiel. 2003 eröffnete der Verein in Zusammenarbeit mit der Stadt Kiel den deutschlandweit ersten Trinkraum als Schutzraum und Alternative zum Aufenthalt auf der Straße. Dieser Schutzraum dient als Vorbild für den Umgang mit Alkoholkonsumenten im öffentlichen Raum. Aktuell unterhält der Verein zwei Trinkräume sowie eine Suppenküche in Kiel und bietet außerdem neben einem Sozialdienst und einem Treuhandkonto weitere soziale Projekte an. 2014 wurde unter dem Dach der Diakonie-Stiftung Schleswig-Holstein die HEMPELS-Stiftung gegründet – und ein erster großer Erfolg ist auch schon zu verbuchen. Die Stiftung konnte für 370.000 Euro ein Mehrfamilienhaus in Kiel erwerben, indem auch zuvor wohnungslose Menschen im Rahmen des Projekts „HEMPELS hilft wohnen“ ein zuhause finden. Und auch in den kommenden Jahren möchte HEMPELS weitere Wohnungen in ganz Schleswig-Holstein erwerben und einrichten.
Engel in den Straßen – Obdachlosenhilfe Hamburg
Seit 2013 unterstützt die Organisation Engel in den Straßen obdachlose und wohnungslose Menschen in Hamburg – und das ehrenamtlich. Mit dem Ziel die Not der betroffenen Männer und Frauen zu lindern und diese bedarfsgerecht und unkompliziert zu versorgen verteilt Engel in den Straßen ganzjährig in einem dreiwöchigen Rhythmus Bekleidung, Schlafsäcke, Isomatten, Zelte, Gaskocher sowie Hygieneartikel von der Zahnbürste bis hin zu Kondomen. Bei der Verköstigung der Menschen mit warmen Mahlzeiten und Snacks gelingt der Obdachlosenhilfe die Versorgung von 70 bis 100 Personen. Und auch die Vierbeiner dieser Menschen kommen bei diesen Ausgaben nicht zu kurz. Für sie gibt es Trocken- und Nassfutter, Decken, Halsbänder, Leinen und allerlei Leckereien. Und neben diesen Dingen, die zum nackten Überleben notwendig sind, versucht Engel in den Straßen auch die psychische und seelische Not der Obdachlosen zu lindern. So wird großen Wert darauf gelegt, den Männern und Frauen auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen in freundlichen Gesprächen Respekt entgegen zu bringen.
Für Obdachlose on Tour!
Das Ziel von Für Obdachlose on Tour! ist es, obdachlosen Menschen in Bremen das Leben auf der Straße ein klein wenig erträglicher zu machen. Mit ihrem ausgemusterten RTW (Rettungswagen) steht das Team von Für Obdachlose on Tour! jeden Mittwoch auf der Bremer Bürgerweide und verteilt Spenden, die während der ganzen Woche gesammelt wurden. So gibt es eine heiße Mahlzeit, Kaffee und frisch gebackenen Kuchen. Selbstverständlich verteilt Für Obdachlose on Tour! auch der Jahreszeit angepasste Kleidung. Aber genau so wichtig wie Nahrung und Kleidung sind Gespräche über alltägliche Sorgen – einmal das Herz ausschütten, sich Rat einholen, den Tränen freien Lauf lassen oder einfach mal in den Arm genommen werden. Jeder wird beim Für Obdachlose on Tour!-Team, das nur aus Privatpersonen besteht, mit Achtung und Respekt behandelt. Denn auch solch banale Dinge können wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Barber Angels Brotherhood e. V.
Die Barber Angels Brotherhood, der „Club der Friseure“, waschen und schneiden in regelmäßigen Abständen in ganz Deutschland Obdachlosen und anderen bedürftigen Menschen kostenlos Haare und Bärte. Gegründet wurden die Barber Angels Brotherhood vor drei Jahren vom Biberacher Friseurmeister Claus Niedermaier. 2017 erhielt der Klub dann die Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit Sitz in Biberach an der Riß. Die inzwischen deutschlandweit mehr als 50 Vereinsmitglieder sind einmal im Monat auf eigene Kosten in ihrer Freizeit unterwegs, um Gutes zu tun. Das einheitliche Erscheinungsbild der Barber Angels, eine rockerähnliche Aufmachung in schwarzen Lederwesten mit aufgenähten Vereinsemblemen, soll den Einstieg ins Gespräch erleichtern und den Wiedererkennungswert steigern. Ihre Einsatztermine werden an den "Schwarzen Brettern" gemeinnütziger Organisationen wie Caritas und Diakonie oder in Bahnhofsmissionen und Kirchengemeinden bekannt gegeben. Und die Resonanz auf ihr Angebot ist groß. So konnten die Barber Angels auch schon erleben, dass Menschen sich nach der kostenlosen Behandlung wieder an ihr altes Selbstbewusstsein erinnern und den Mut fassen, zu Bewerbungsgesprächen zu gehen um wieder einen neuen Job zu finden. Chapter der Barber Angels Brotherhood gibt es ebenfalls in Österreich, Spanien, den Niederlanden und der Schweiz.
Weltweit nahmen über 60.000 Menschen am "Big Sleep Out" teil, durch die eine Summe von zehn Millionen Dollar an Spendengeldern gesammelt wurde. Die während des „Big Sleep Out“ gesammelten Spenden gehen zu 50 Prozent an weltweite Projekte gegen Obdachlosigkeit, die von „The World's Big Sleep Out“ unterstützt werden. Die verbleibenden 50 Prozent gehen an eine lokale Einrichtung, im Fall von Wacken an die Wohnungsbau-Projekte der HEMPELS Stiftung. Es war eine sehr interessante Veranstaltung zu einem Thema, das bereits rund 650.000 Menschen deutschlandweit betrifft und das jeden von uns treffen kann – die Wohnungslosigkeit. Und wer für diesen Zweck spenden möchte, der findet die dazu nötigen Informationen unter anderem auf den Webseiten der in diesem Bericht genannten Organisationen. Außerdem gibt es bis Ende Dezember noch die Möglichkeit über die Facebook-Seite des W‑O-A zu spenden. Abschließend bedanken wir uns bei der ICS Marketing GmbH dafür, dass wir vom „Big Sleep Out“ berichten durften. Außerdem geht unser Dank an alle Organisationen, die die Not von Menschen, die auf der Straße leben, ein wenig lindern.