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Frei­stätter Weih­nachts­ka­lender 2019
Wacken–Festival für eine gute Sache

Am Samstag, den 7. Dezember diesen Jahres, machte ich mich gemeinsam mit einem Kollegen auf den Weg in die schleswig-holstei­ni­sche „Heavy­Metal-Town“ Wacken um dort den Samstag und den Sonntag zu verbringen. Wacken ist eigent­lich eine beschau­liche Gemeinde im Kreis Steinburg in unmit­tel­barer Nähe des Nord-Ostsee-Kanals mit rund 2.000 Einwoh­nern. Bis auf ein Wochen­ende im Sommer. Denn dann wächst die Einwoh­ner­zahl während des welt­be­kannten Wacken Open Air, kurz W‑O-A, kurz­zeitig mit bis zu 85.000 Menschen auf das 42,5‑fache.

Der Grund unserer Reise war jedoch nicht das große Festival im Sommer, sondern The Worlds Big Sleep Out, einer Veran­stal­tung, bei der sich weltweit Menschen für Obdach­lose einsetzen. Diese Veran­stal­tung fand an jenem Wochen­ende zur gleichen Zeit an insgesamt 52 Orten weltweit statt, so zum Beispiel am Londoner Trafalgar Square, auf dem New Yorker Times Square, am Matadero in Madrid, am Hong Kong Obser­va­tion Wheel in Hongkong, im Quezon Memorial Circle in Quezon City oder am Mono­mo­tapa Crowne Plaza Hotel in Harare. In Wacken wurde der „Big Sleep Out“ vom Team des W‑O-A orga­ni­siert und fand in der legen­dären „Kuhle“, dem Standort des aller­ersten W‑O-A im Jahr 1989, statt.

Los ging es in der Wackener „Kuhle“ nach der Eröffnung der Veran­stal­tung durch Hoger Hübner vom W‑O-A und Lukas Lehmann vom Hempels Stra­ßen­ma­gazin mit einer Gesprächs­runde mit Hempels-Gründer Jo Tein, Dr. Johannes Lenhard vom Cambridge Centre for Ethics, Tina Tewes von den Barber Angels und Michael Weyh von Engel in den Straßen über den aktuellen Stand der Wohnungs­lo­sig­keit. Außerdem wurden inter­na­tio­nale Vergleiche zu diesem Thema gezogen und die Arbeit der am „Big Sleep Out“ teil­neh­menden Orga­nis­sa­tionen vorge­stellt. Im Anschluss an diese Gesprächs­runde sorgte der Berliner Stra­ßen­mu­siker Tex Brasket für Gänsehaut. Diese Gänsehaut entstand jedoch nicht durch das nord­deut­sche „Schiet­wetter“, sondern durch seine Songs, die von seinem eigenen Leben auf der Straße berich­teten. Mit seinem Auftritt sorgte Tex Brasket für die perfekte Einlei­tung zur zweiten Gesprächs­runde, bei der sowohl ehemalige, als auch aktuell von Wohnungs­lo­sig­keit betrof­fene Menschen zu Wort kamen.

Nach dem Auftritt von Tex Brasket und der zweiten Gesprächs­runde ging es in der „Kuhle“ mit der Radio BOB! Band musi­ka­lisch weiter bevor der US-ameri­ka­ni­sche Schau­spieler und Musiker Will Smith, bekannt aus Filmen wie „Inde­pen­dence Day“ und „Der Staats­feind Nr. 1“ oder auch durch Songs wie „Wild Wild West“ und „Gettin' Jiggy Wit It“ sowie der britische Musiker Chris Martin, bekannt als Frontmann und Sänger der briti­schen Pop-Rock-Band Coldplay, sich per Video­bot­schaft bei den tapferen „Drau­ßen­schlä­fern“ für ihr Enga­ge­ment bedankten. Außerdem gab es noch eine von der briti­schen Schau­spie­lerin Dame Helen Mirren, bekannt aus Filmen wie „Die Queen“ und „Ein russi­scher Sommer“, ebenfalls per Video­über­tra­gung vorge­le­sene kleine Weih­nachts­ge­schichte. Zum Abschluss des Programms gab es dann noch einen Auftritt des Singer/Songwriters Mutz. Um Mitter­nacht begaben sich die verblie­benen Besucher, etwa 40 von 140 Teil­neh­mern insgesamt, dann in ihre „Schlaf­ge­le­gen­heiten“ – ein Teil über­nach­tete draußen, der andere Teil zog einen mehr oder weniger komfor­ta­blen Platz im Auto vor. Gegen sechs Uhr am Sonn­tag­morgen wurden diese dann vorsichtig geweckt und gegen neun Uhr wurde das „Big Sleep Out“ dann aufgrund schlechten Wetter­lage beendet.

Nach­fol­gend noch ein paar Worte zu den am „Big Sleep Out“ Wacken teil­neh­menden Organisationen:

HEMPELS e. V. und HEMPELS Stiftung

Seit Februar 1996 erscheint das Stra­ßen­ma­gazin HEMPELS, das von mitt­ler­weile 250 Verkau­fenden, die so einen nied­rig­schwel­ligen Zugang zu einer Arbeit bekommen, in mehreren Städten Schleswig-Holsteins verkauft wird. Seit 1997 engagiert sich der gemein­nüt­zige Verein HEMPELS e. V. mit Sitz in Kiel für sozial rand­stän­dige Menschen. Die Heraus­gabe des Stra­ßen­ma­ga­zins ist hierbei der Schwer­punkt der Vereins­ar­beit. Seit 1999 betreibt HEMPELS e. V. das Vereins­café „Zum Sofa“ in Kiel. 2003 eröffnete der Verein in Zusam­men­ar­beit mit der Stadt Kiel den deutsch­land­weit ersten Trinkraum als Schutz­raum und Alter­na­tive zum Aufent­halt auf der Straße. Dieser Schutz­raum dient als Vorbild für den Umgang mit Alko­hol­kon­su­menten im öffent­li­chen Raum. Aktuell unterhält der Verein zwei Trink­räume sowie eine Suppen­küche in Kiel und bietet außerdem neben einem Sozi­al­dienst und einem Treu­hand­konto weitere soziale Projekte an. 2014 wurde unter dem Dach der Diakonie-Stiftung Schleswig-Holstein die HEMPELS-Stiftung gegründet – und ein erster großer Erfolg ist auch schon zu verbuchen. Die Stiftung konnte für 370.000 Euro ein Mehr­fa­mi­li­en­haus in Kiel erwerben, indem auch zuvor wohnungs­lose Menschen  im Rahmen des Projekts „HEMPELS hilft wohnen“ ein zuhause finden. Und auch in den kommenden Jahren möchte HEMPELS weitere Wohnungen in ganz Schleswig-Holstein erwerben und einrichten.

Engel in den Straßen – Obdach­lo­sen­hilfe Hamburg

Seit 2013 unter­stützt die Orga­ni­sa­tion Engel in den Straßen obdach­lose und wohnungs­lose Menschen in Hamburg – und das ehren­amt­lich. Mit dem Ziel die Not der betrof­fenen Männer und Frauen zu lindern und diese bedarfs­ge­recht und unkom­pli­ziert zu versorgen verteilt Engel in den Straßen ganz­jährig in einem drei­wö­chigen Rhythmus Beklei­dung, Schlaf­säcke, Isomatten, Zelte, Gaskocher sowie Hygie­ne­ar­tikel von der Zahn­bürste bis hin zu Kondomen. Bei der Verkös­ti­gung der Menschen mit warmen Mahl­zeiten und Snacks gelingt der Obdach­lo­sen­hilfe die Versor­gung von 70 bis 100 Personen. Und auch die Vier­beiner dieser Menschen kommen bei diesen Ausgaben nicht zu kurz. Für sie gibt es Trocken- und Nass­futter, Decken, Hals­bänder, Leinen und allerlei Lecke­reien. Und neben diesen Dingen, die zum nackten Überleben notwendig sind, versucht Engel in den Straßen auch die psychi­sche und seelische Not der Obdach­losen zu lindern. So wird großen Wert darauf gelegt, den Männern und Frauen auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen in freund­li­chen Gesprä­chen Respekt entgegen zu bringen.

Für Obdach­lose on Tour!

Das Ziel von Für Obdach­lose on Tour! ist es, obdach­losen Menschen in Bremen das Leben auf der Straße ein klein wenig erträg­li­cher zu machen. Mit ihrem ausge­mus­terten RTW (Rettungs­wagen) steht das Team von Für Obdach­lose on Tour! jeden Mittwoch auf der Bremer Bürger­weide und verteilt Spenden, die während der ganzen Woche gesammelt wurden. So gibt es eine heiße Mahlzeit, Kaffee und frisch geba­ckenen Kuchen. Selbst­ver­ständ­lich verteilt Für Obdach­lose on Tour! auch der Jahres­zeit ange­passte Kleidung. Aber genau so wichtig wie Nahrung und Kleidung sind Gespräche über alltäg­liche Sorgen – einmal das Herz ausschütten, sich Rat einholen, den Tränen freien Lauf lassen oder einfach mal in den Arm genommen werden. Jeder wird beim Für Obdach­lose on Tour!-Team, das nur aus Privat­per­sonen besteht, mit Achtung und Respekt behandelt. Denn auch solch banale Dinge können wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Barber Angels Brot­her­hood e. V.

Die Barber Angels Brot­her­hood, der „Club der Friseure“, waschen und schneiden in regel­mä­ßigen Abständen in ganz Deutsch­land Obdach­losen und anderen bedürf­tigen Menschen kostenlos Haare und Bärte. Gegründet wurden die Barber Angels Brot­her­hood vor drei Jahren vom Biber­acher Friseur­meister Claus Nieder­maier. 2017 erhielt der Klub dann die Rechts­form eines einge­tra­genen Vereins mit Sitz in Biberach an der Riß. Die inzwi­schen deutsch­land­weit mehr als 50 Vereins­mit­glieder sind einmal im Monat auf eigene Kosten in ihrer Freizeit unterwegs, um Gutes zu tun. Das einheit­liche Erschei­nungs­bild der Barber Angels, eine rocker­ähn­liche Aufma­chung in schwarzen Leder­westen mit aufge­nähten Vereins­em­blemen, soll den Einstieg ins Gespräch erleich­tern und den Wieder­erken­nungs­wert steigern. Ihre Einsatz­ter­mine werden an den "Schwarzen Brettern" gemein­nüt­ziger Orga­ni­sa­tionen wie Caritas und Diakonie oder in Bahn­hofs­mis­sionen und Kirchen­ge­meinden bekannt gegeben. Und die Resonanz auf ihr Angebot ist groß. So konnten die Barber Angels auch schon erleben, dass Menschen sich nach der kosten­losen Behand­lung wieder an ihr altes Selbst­be­wusst­sein erinnern und den Mut fassen, zu Bewer­bungs­ge­sprä­chen zu gehen um wieder einen neuen Job zu finden. Chapter der Barber Angels Brot­her­hood gibt es ebenfalls in Öster­reich, Spanien, den Nieder­landen und der Schweiz.

Weltweit nahmen über 60.000 Menschen am "Big Sleep Out" teil, durch die eine Summe von zehn Millionen Dollar an Spen­den­gel­dern gesammelt wurde. Die während des „Big Sleep Out“ gesam­melten Spenden gehen zu 50 Prozent an weltweite Projekte gegen Obdach­lo­sig­keit, die von „The World's Big Sleep Out“ unter­stützt werden. Die verblei­benden 50 Prozent gehen an eine lokale Einrich­tung, im Fall von Wacken an die Wohnungsbau-Projekte der HEMPELS Stiftung. Es war eine sehr inter­es­sante Veran­stal­tung zu einem Thema, das bereits rund 650.000 Menschen deutsch­land­weit betrifft und das jeden von uns treffen kann – die Wohnungs­lo­sig­keit. Und wer für diesen Zweck spenden möchte, der findet die dazu nötigen Infor­ma­tionen unter anderem auf den Webseiten der in diesem Bericht genannten Orga­ni­sa­tionen. Außerdem gibt es bis Ende Dezember noch die Möglich­keit über die Facebook-Seite des W‑O-A zu spenden. Abschlie­ßend bedanken wir uns bei der ICS Marketing GmbH dafür, dass wir vom „Big Sleep Out“ berichten durften. Außerdem geht unser Dank an alle Orga­ni­sa­tionen, die die Not von Menschen, die auf der Straße leben, ein wenig lindern.


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