Das fünfzehnte Türchen

Das fünf­zehnte Türchen – Ein Advents-Gottesdienst

Das fünfzehnte Türchen
Das fünf­zehnte Türchen

Heute möchten wir euch vom Besuch Pastor Ulrich Pohls in Freistatt am letzten Sonntag berichten.

Seit mehreren Jahren schon kommt er (als Vorstands­vor­sit­zender der von Bodel­schwingh­schen Stif­tungen Bethel) immer zum 3. Advent in die Moor­kirche, um gemeinsam mit der Kirchen­ge­meinde einen Gottes­dienst zu feiern und anschlie­ßend bei einer Tasse Kaffee allen Inter­es­sierten aus Bethel zu berichten und sich mit allen Frei­stät­tern auszutauschen.

Gottes­dienst in der Moor­kirche am 3. Advent

Nach feier­li­cher Orgel­musik erinnerte Pastor Pohl zur Advents­zeit an das Lied „Macht hoch die Tüe, das Tor macht weit“ und erzählte von den mitt­ler­weile gut 1000 Flücht­lingen, die im Bereich von Bethel mitt­ler­weile betreut werden. Zum Anfang nächsten Jahres sind auch 3 Betheler Turn­hallen als provi­so­ri­sche Unter­künfte für Flücht­linge einge­plant. Uns müsse im Sinne dieser Advents-Botschaft klar werden, dass es sicher keine einfache Aufgabe der nächsten Jahre sein werde, diese Flücht­linge in unsere Gesell­schaft zu inte­grieren. Im Sinne christ­li­cher Nächs­ten­liebe müsse das aber zu schaffen sein.

Danach mahnte Pastor Michael Herzer, uns auf die Gemein­sam­keit nicht nur in der Advents­zeit zu besinnen und auch die Chancen für unsere Gemein­schaft durch diese Neubürger zu erkennen.
Nach der Lesung zum 3. Advent — Matthäus 11, 2 – 6 — folgten Gebet, Orgel­spiel und gemein­sames Singen.

Schreibender Paul, Valentin de Boulogne, 1620 (Wikimedia.org)
Schrei­bender Paul, Valentin de Boulogne, 1620 (Wikimedia.org)

Pastor Pohl zitierte dann den 1. Korin­ther­brief des Paulus, Kapitel 4, 1–5, in dem er sich als Diener Christi und Haus­halter der Geheim­nisse Gottes beschreibt und die Gemeinde ermahnt, nicht voreilig über andere zu richten. Der Brief entstand in der Zeit von Paulus Aufent­halten in Korinth, zuerst zur Gemein­de­grün­dung auf seiner 2. Missi­ons­reise, aus Athen kommend. Später in der lebhaften „Multikulti“-Hafenstadt, einer Handels­zen­trale mit reichen Kauf­leuten und Bürgern, bei der Ausein­an­der­set­zung mit dem beliebten Redner Apollos, um den sich eine zweite konkur­rie­rende christ­liche Gruppe scharte. der Korin­ther­brief könne als Recht­fer­ti­gung seiner Ansichten zur Gemein­de­füh­rung gesehen werden, der Paulus nur als „Teil­zeit­apostel“ neben seinem Zelt­ma­cher-Handwerk diente.

Paulus Reisen, Abraham Ortelius, 1598 (Wikimedia.org)
Paulus Reisen, Abraham Ortelius, 1598 (Wikimedia.org)

In der Betheler Zions­kirche gibt es eine Darstel­lung Paulus als Gestrau­chelter, gewis­ser­maßen als Patron der Epilep­tiker. Sein Maßstab damals war, treu gegenüber Christus zu sein und nicht als Enter­tainer aufzu­treten. Also nicht immer das zu sagen, was die Leute hören wollten.

Über­tragen auf unsere heutige Zeit berich­tete Pastor Pohl dann von einigen Zeitungsberichten:

Über einen totge­schüt­telten Säugling … was für schreck­liche Verhält­nisse! Genauer hinge­sehen war es aber ein Unglück beim verzwei­felten Versuch des Vaters, den Säugling von Erbro­chenem zu befreien.

Über den Fern­fahrer Klaus, der durch einen Unfall aus der Bahn geworfen wurde, dessen Ehe zerbrach und der zuletzt auf der Straße gelandet ist.

Ein Bericht über Hamid, ein 15-Jähriger Flücht­ling aus Syrien, der das letzte Geld seiner Familie für seinen Schlepper ausge­geben hatte.

Christliche Märtyrer, Dietrich Bonhoeffer und Esther John, Westminster Abbey (Wikimedia.org)
Christ­liche Märtyrer, Dietrich Bonhoeffer und Esther John, West­minster Abbey (Wikimedia.org)

Sein wert­vollster Besitz ist ein Smart­phone als letzte Verbin­dung nach Hause. Er ist auf der Suche nach einer Schul­aus­bil­dung, um später Geld zu verdienen und seine Familie zu unterstützen.

Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet! (Matthäus 7, 1)

Wir sollten uns bemühen, andere so zu behandeln, wie wir in ihrer Situation auch behandelt werden wollen.

Zuletzt erinnerte Pastor Pohl noch an Dietrich Bonhoeffer, der vor etwa 70 Jahren im Konzen­tra­ti­ons­lager Flos­sen­bürg ermordet wurde und an ein Gedicht aus seiner Haftzeit:

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Wer bin ich?

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?

Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.

Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

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Pastor Herzer beendete den Gottes­dienst dann nach seinem Segen, Fürbitte und weiteren gemeinsam gesun­genen Liedern mit dem Hinweis auf den nächsten Sonntags-Gottes­dienst, der dann in Heimstatt statt­finden wird.

Anschlie­ßender Kirchenkaffee

Hier berich­tete Pastor Pohl zunächst von der Situation bei der Unter­stüt­zung von Flücht­lingen in Bethel: Dort werden etwa 1000 Menschen von Bethel betreut, wo jetzt zum Jahres­ende auch 3 Turn­hallen als vorläu­fige Unter­künfte vorge­sehen sind.

Für den Alten­hil­fe­be­reich Freistatts konnte Pastor Pohl die Nach­zah­lung des Weih­nachts­geldes für 2013 bekannt­geben, erwähnte aber auch, dass es sich grund­sätz­lich um eine frei­wil­lige Zahlung handele, die vom Ertrag der Einrich­tungen abhänge. Ein Alten­hilfe-Mitar­beiter aus Heimstatt bedankte sich dafür und machte auch vor dem Hinter­grund auf eine praktisch 100-prozen­tige Belegung auf die Bedeutung des Weih­nachts­geldes als Aner­ken­nung für ihre Arbeit aufmerksam. Das gelte besonders für die geringer verdie­nenden Mitarbeiter/innen.

Außerdem gab Pastor Pohl bekannt, dass Pastorin Dr. Johanna Will-Armstrong aus dem Vorstand künftig auch für Bethel im Norden zuständig sein wird.

Dann berich­tete er über die Geschäfts­zahlen und Ausrich­tung der künftigen Arbeit der Bodel­schwingh­schen Stif­tungen. Bethel werde mit seinen etwa 18.000 Mitarbeiter/innen (in etwa 280 Einrich­tungen in 8 Bundes­län­dern) nach 2014 auch 2015 wieder mehr als 1 Milliarde Euro Gesamt­um­satz erzielen. Davon entfallen aber etwa 200 Millionen auf interne Zahlungen zwischen Bethel-Betrieben. Außerdem seien die Einnahmen aus Spenden und Erbschaften erfreu­li­cher­weise weiter auf etwa 44 Millionen gewachsen.

Für die Zukunft sei weiterhin kein Wachstum um jeden Preis geplant, auch wenn bundes­weit Anfragen zur Übernahme von Häusern bei Bethel einträfen, von denen derzeit etwa 90% abgelehnt werden müssten. Die Stif­tungen würden sich weiterhin auf ihre Kern­kom­pe­tenzen konzen­trieren, also die Versor­gung Behin­derter und Such­ter­krankter, der Alten­hilfe und dem Bereich Epilepsie bei Kran­ken­häu­sern. Dazu strebe man eine eher regional zu sehende Expansion an, neben der Verfol­gung des Diakonie-Gedankens, alle Möglich­keiten zu nutzen um besonders Bedürf­tigen das Leben zu erleichtern.

Mit Luise Turowski, Mitglied der Geschäfts­füh­rung von Bethel im Norden, war Pastor Pohl sich dann einig, dass generell bei allen Einrich­tungen steigende Ansprüche an ihre Ausstat­tung gestellt würden: So werde in allen Bereichen immer öfter gute Versor­gung, Barrie­re­frei­heit, WLAN und ein attrak­tives Umfeld erwartet.

Zum Thema Flücht­linge und deren Versor­gung konnte Rüdiger Scholz als Leiter der Kinder‑, Jugend- und Fami­li­en­hilfe Diepholz berichten, dass zur Zeit im Bereich Schulen und Jugend­hilfe in Rekord­zeit neue Plätze geschaffen würden. Dabei entstehe das wachsende Problem, passend quali­fi­ziertes Personal zu bekommen, gerade auch hier im länd­li­chen Bereich wie in Freistatt. Die Möglich­keiten, auch Flücht­linge und Migranten hierbei zu beschäf­tigen müssten seiner Meinung nach besser genutzt und ausgebaut werden.

Pastor Pohl war sich dann auch mit Frank Kruse, dem Leiter der Wohnungs­lo­sen­hilfe Frei­statts, einig, dass die Heraus­for­de­rungen und Probleme im Zusam­men­hang mit Flücht­lings­strömen auch hier in Freistatt ange­kommen seien – „als kleinstem Dorf Deutsch­lands“ (12 Flücht­linge wohnen momentan in Freistatt und der Zugang von 10 weiteren ist geplant im Bereich von Haus Wegwende).

Bei den Flücht­lingen handele es sich um sehr unter­schied­liche Menschen, auch je nach Herkunfts­land, von gut ausge­bil­deten Arbeits­kräften (natürlich meist mit Bedarf für Deutsch­kurse), poten­ti­ellen Firmengründer/innen bis hin zu Analpha­beten. Insgesamt aber sei es eine große Chance für unsere „älter werdende Gesell­schaft“, besser mit unseren abseh­baren Zukunfts­pro­blemen umzugehen.

Außerdem falle auf, dass besonders aus Syrien viele Hoff­nungs­lose kämen, die nur noch hier eine Chance zum Neuanfang sehen würden. Deren Haupt­in­ter­esse sei in kurzer Zeit Geld zu verdienen, um ihre Heimat­fa­mi­lien zu unter­stützen und später dann eventuell nachzuholen.

Eine zusätz­liche absehbare Heraus­for­de­rung entstünde im Bereich Psych­ia­trie, wo ein großer Bedarf für Flücht­linge mit Trau­ma­ti­sie­rungen und durch­ge­machten Kriegs­leiden zu erwarten sei. Sorgen macht sich Pastor Pohl dabei besonders um Kran­ken­häuser, die durch Regional-Zuwei­sungen schnell in finan­zi­elle Nöte geraten können, wenn weiterhin ab einer bestimmten Planzahl an Patienten nur noch eine Übernahme von 15% der Behand­lungs­kosten erfolgen sollte. Das sei mit stei­genden Flücht­lings­zahlen ein bedeu­tendes Problem.

Als nächsten Punkt aus seiner Arbeit musste er von der Fehl­pla­nung im Sozialen Wohnungsbau der vergan­genen Jahr­zehnte berichten, für „normale Arme“ werde es immer schwerer, geeignete Wohnungen zu finden.

Abschlie­ßend kam die Runde zum Ergebnis, dass sich Freistatt im Jahres­ver­lauf insgesamt positiv entwi­ckelt habe, wozu auch die Zusam­men­le­gung in Heimstatt beigetragen habe.

Pastor Herzer bedankte sich bei Pastor Pohl für sein Kommen und wünschte sich für die Folge­runde im nächsten Dezember eine größere Betei­li­gung aller Freistätter/innen aus allen Bereichen der Gemeinde.

Wir möchten Pastor Pohl auch noch einmal für seinen Besuch danken und Pastor Herzer wünschen wir eine noch größere Betei­li­gung im nächsten Jahr. Wir werden dann nächstes Jahr versuchen, mit einer recht­zei­tigen Vorankün­di­gung dazu beizutragen.

P.S.: Noch 10 Tage bis Weihnachten.


Weih­nachts­ka­lender 2015

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