Heute möchten wir euch vom Besuch Pastor Ulrich Pohls in Freistatt am letzten Sonntag berichten.
Seit mehreren Jahren schon kommt er (als Vorstandsvorsitzender der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel) immer zum 3. Advent in die Moorkirche, um gemeinsam mit der Kirchengemeinde einen Gottesdienst zu feiern und anschließend bei einer Tasse Kaffee allen Interessierten aus Bethel zu berichten und sich mit allen Freistättern auszutauschen.
Gottesdienst in der Moorkirche am 3. Advent
Nach feierlicher Orgelmusik erinnerte Pastor Pohl zur Adventszeit an das Lied „Macht hoch die Tüe, das Tor macht weit“ und erzählte von den mittlerweile gut 1000 Flüchtlingen, die im Bereich von Bethel mittlerweile betreut werden. Zum Anfang nächsten Jahres sind auch 3 Betheler Turnhallen als provisorische Unterkünfte für Flüchtlinge eingeplant. Uns müsse im Sinne dieser Advents-Botschaft klar werden, dass es sicher keine einfache Aufgabe der nächsten Jahre sein werde, diese Flüchtlinge in unsere Gesellschaft zu integrieren. Im Sinne christlicher Nächstenliebe müsse das aber zu schaffen sein.
Danach mahnte Pastor Michael Herzer, uns auf die Gemeinsamkeit nicht nur in der Adventszeit zu besinnen und auch die Chancen für unsere Gemeinschaft durch diese Neubürger zu erkennen.
Nach der Lesung zum 3. Advent — Matthäus 11, 2 – 6 — folgten Gebet, Orgelspiel und gemeinsames Singen.
Pastor Pohl zitierte dann den 1. Korintherbrief des Paulus, Kapitel 4, 1–5, in dem er sich als Diener Christi und Haushalter der Geheimnisse Gottes beschreibt und die Gemeinde ermahnt, nicht voreilig über andere zu richten. Der Brief entstand in der Zeit von Paulus Aufenthalten in Korinth, zuerst zur Gemeindegründung auf seiner 2. Missionsreise, aus Athen kommend. Später in der lebhaften „Multikulti“-Hafenstadt, einer Handelszentrale mit reichen Kaufleuten und Bürgern, bei der Auseinandersetzung mit dem beliebten Redner Apollos, um den sich eine zweite konkurrierende christliche Gruppe scharte. der Korintherbrief könne als Rechtfertigung seiner Ansichten zur Gemeindeführung gesehen werden, der Paulus nur als „Teilzeitapostel“ neben seinem Zeltmacher-Handwerk diente.
In der Betheler Zionskirche gibt es eine Darstellung Paulus als Gestrauchelter, gewissermaßen als Patron der Epileptiker. Sein Maßstab damals war, treu gegenüber Christus zu sein und nicht als Entertainer aufzutreten. Also nicht immer das zu sagen, was die Leute hören wollten.
Übertragen auf unsere heutige Zeit berichtete Pastor Pohl dann von einigen Zeitungsberichten:
Über einen totgeschüttelten Säugling … was für schreckliche Verhältnisse! Genauer hingesehen war es aber ein Unglück beim verzweifelten Versuch des Vaters, den Säugling von Erbrochenem zu befreien.
Über den Fernfahrer Klaus, der durch einen Unfall aus der Bahn geworfen wurde, dessen Ehe zerbrach und der zuletzt auf der Straße gelandet ist.
Ein Bericht über Hamid, ein 15-Jähriger Flüchtling aus Syrien, der das letzte Geld seiner Familie für seinen Schlepper ausgegeben hatte.
Sein wertvollster Besitz ist ein Smartphone als letzte Verbindung nach Hause. Er ist auf der Suche nach einer Schulausbildung, um später Geld zu verdienen und seine Familie zu unterstützen.
Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet! (Matthäus 7, 1)
Wir sollten uns bemühen, andere so zu behandeln, wie wir in ihrer Situation auch behandelt werden wollen.
Zuletzt erinnerte Pastor Pohl noch an Dietrich Bonhoeffer, der vor etwa 70 Jahren im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet wurde und an ein Gedicht aus seiner Haftzeit:
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…
Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
…
Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!
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Pastor Herzer beendete den Gottesdienst dann nach seinem Segen, Fürbitte und weiteren gemeinsam gesungenen Liedern mit dem Hinweis auf den nächsten Sonntags-Gottesdienst, der dann in Heimstatt stattfinden wird.
Anschließender Kirchenkaffee
Hier berichtete Pastor Pohl zunächst von der Situation bei der Unterstützung von Flüchtlingen in Bethel: Dort werden etwa 1000 Menschen von Bethel betreut, wo jetzt zum Jahresende auch 3 Turnhallen als vorläufige Unterkünfte vorgesehen sind.
Für den Altenhilfebereich Freistatts konnte Pastor Pohl die Nachzahlung des Weihnachtsgeldes für 2013 bekanntgeben, erwähnte aber auch, dass es sich grundsätzlich um eine freiwillige Zahlung handele, die vom Ertrag der Einrichtungen abhänge. Ein Altenhilfe-Mitarbeiter aus Heimstatt bedankte sich dafür und machte auch vor dem Hintergrund auf eine praktisch 100-prozentige Belegung auf die Bedeutung des Weihnachtsgeldes als Anerkennung für ihre Arbeit aufmerksam. Das gelte besonders für die geringer verdienenden Mitarbeiter/innen.
Außerdem gab Pastor Pohl bekannt, dass Pastorin Dr. Johanna Will-Armstrong aus dem Vorstand künftig auch für Bethel im Norden zuständig sein wird.
Dann berichtete er über die Geschäftszahlen und Ausrichtung der künftigen Arbeit der Bodelschwinghschen Stiftungen. Bethel werde mit seinen etwa 18.000 Mitarbeiter/innen (in etwa 280 Einrichtungen in 8 Bundesländern) nach 2014 auch 2015 wieder mehr als 1 Milliarde Euro Gesamtumsatz erzielen. Davon entfallen aber etwa 200 Millionen auf interne Zahlungen zwischen Bethel-Betrieben. Außerdem seien die Einnahmen aus Spenden und Erbschaften erfreulicherweise weiter auf etwa 44 Millionen gewachsen.
Für die Zukunft sei weiterhin kein Wachstum um jeden Preis geplant, auch wenn bundesweit Anfragen zur Übernahme von Häusern bei Bethel einträfen, von denen derzeit etwa 90% abgelehnt werden müssten. Die Stiftungen würden sich weiterhin auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, also die Versorgung Behinderter und Suchterkrankter, der Altenhilfe und dem Bereich Epilepsie bei Krankenhäusern. Dazu strebe man eine eher regional zu sehende Expansion an, neben der Verfolgung des Diakonie-Gedankens, alle Möglichkeiten zu nutzen um besonders Bedürftigen das Leben zu erleichtern.
Mit Luise Turowski, Mitglied der Geschäftsführung von Bethel im Norden, war Pastor Pohl sich dann einig, dass generell bei allen Einrichtungen steigende Ansprüche an ihre Ausstattung gestellt würden: So werde in allen Bereichen immer öfter gute Versorgung, Barrierefreiheit, WLAN und ein attraktives Umfeld erwartet.
Zum Thema Flüchtlinge und deren Versorgung konnte Rüdiger Scholz als Leiter der Kinder‑, Jugend- und Familienhilfe Diepholz berichten, dass zur Zeit im Bereich Schulen und Jugendhilfe in Rekordzeit neue Plätze geschaffen würden. Dabei entstehe das wachsende Problem, passend qualifiziertes Personal zu bekommen, gerade auch hier im ländlichen Bereich wie in Freistatt. Die Möglichkeiten, auch Flüchtlinge und Migranten hierbei zu beschäftigen müssten seiner Meinung nach besser genutzt und ausgebaut werden.
Pastor Pohl war sich dann auch mit Frank Kruse, dem Leiter der Wohnungslosenhilfe Freistatts, einig, dass die Herausforderungen und Probleme im Zusammenhang mit Flüchtlingsströmen auch hier in Freistatt angekommen seien – „als kleinstem Dorf Deutschlands“ (12 Flüchtlinge wohnen momentan in Freistatt und der Zugang von 10 weiteren ist geplant im Bereich von Haus Wegwende).
Bei den Flüchtlingen handele es sich um sehr unterschiedliche Menschen, auch je nach Herkunftsland, von gut ausgebildeten Arbeitskräften (natürlich meist mit Bedarf für Deutschkurse), potentiellen Firmengründer/innen bis hin zu Analphabeten. Insgesamt aber sei es eine große Chance für unsere „älter werdende Gesellschaft“, besser mit unseren absehbaren Zukunftsproblemen umzugehen.
Außerdem falle auf, dass besonders aus Syrien viele Hoffnungslose kämen, die nur noch hier eine Chance zum Neuanfang sehen würden. Deren Hauptinteresse sei in kurzer Zeit Geld zu verdienen, um ihre Heimatfamilien zu unterstützen und später dann eventuell nachzuholen.
Eine zusätzliche absehbare Herausforderung entstünde im Bereich Psychiatrie, wo ein großer Bedarf für Flüchtlinge mit Traumatisierungen und durchgemachten Kriegsleiden zu erwarten sei. Sorgen macht sich Pastor Pohl dabei besonders um Krankenhäuser, die durch Regional-Zuweisungen schnell in finanzielle Nöte geraten können, wenn weiterhin ab einer bestimmten Planzahl an Patienten nur noch eine Übernahme von 15% der Behandlungskosten erfolgen sollte. Das sei mit steigenden Flüchtlingszahlen ein bedeutendes Problem.
Als nächsten Punkt aus seiner Arbeit musste er von der Fehlplanung im Sozialen Wohnungsbau der vergangenen Jahrzehnte berichten, für „normale Arme“ werde es immer schwerer, geeignete Wohnungen zu finden.
Abschließend kam die Runde zum Ergebnis, dass sich Freistatt im Jahresverlauf insgesamt positiv entwickelt habe, wozu auch die Zusammenlegung in Heimstatt beigetragen habe.
Pastor Herzer bedankte sich bei Pastor Pohl für sein Kommen und wünschte sich für die Folgerunde im nächsten Dezember eine größere Beteiligung aller Freistätter/innen aus allen Bereichen der Gemeinde.
Wir möchten Pastor Pohl auch noch einmal für seinen Besuch danken und Pastor Herzer wünschen wir eine noch größere Beteiligung im nächsten Jahr. Wir werden dann nächstes Jahr versuchen, mit einer rechtzeitigen Vorankündigung dazu beizutragen.
P.S.: Noch 10 Tage bis Weihnachten.