Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des Lebendigen Wassers umsonst
(Offenbarung 21, 6)
Auch dieses Jahr war Pastorin Johanna Will-Armstrong vom Vorstand der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel nun schon zum dritten mal beim Wohnungslosentreffen zu Gast, um in ihrem Workshop Bibelarbeit zur Jahreslosung 2018 anzubieten.
Zusammen mit 12 Teilnehmenden brachte Pastorin Will-Armstrong nach einer kurzen Kennenlernrunde Gedanken zur Losung vor, für die sie dieses Jahr eher Zustimmung empfände (im Gegensatz zu anderen Losungen, die manchmal auf den ersten Blick widersprüchlicher erschienen waren). Das Thema beziehe sich offenbar auf Wasser für Durstige, für uns Menschen. Die Bedeutung von Durstigkeit habe sie besonders auf Reisen in einige Gebiete Südafrikas erlebt, in Townships mit Zapfstellen, an denen sich Landlose Flüchtlinge Wasser holen konnten.Im Gegensatz zur recht leichten Verfügbarkeit von Wasser hierzulande gebe es in vielen Ländern Kampf und Streit um Wasser. Oft sei ein Durst nach Leben und Gerechtigkeit spürbar bei gleichzeitig spürbar wachsenden Spannungen in der jeweiligen Gesellschaft.
Aber auch hierzulande sei eine zunehmende Veränderung von bisher als "feste Weltbilder" angesehenen Verhältnisssen spürbar – eine Welt im Umbruch, die aus den Fugen geraten sei. Als Beispiel führte sie die anfängliche Willkommenskultur der Flüchtlinge aus Syrien an, die heute eher zu einer Angst vor Flüchtlingen geworden sei, einer Fremdenangst? Auch um ca. 100 nach Christi habe es eine Umbruchszeit gegeben, einen ausgeprägten Herrscherkult, unter dem das Leben für Christen eine Gratwanderung zwischen Anpassung und Gemeindeleben war.
Etwa alle 20 Sekunden sterbe heute ein Kind auf unserer einen Welt aus Wassermangel.
Damit kam sie zu Brunnengeschichten aus der Bibel.
- Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
— Psalm 23 der Lutherbibel - Menschen sehnen sich nach Wasser, nach dem Stillen von Durst
- Gott spült alles Leid weg
- Alles erarbeiten oder bezahlen müssen in der Konsumgesellschaft
- Nichts ist umsonst zu haben!
- Gratis – aus Gnade
- Umsonst: Nicht zu verdienen, sondern umsonst von Gott geschenkt bekommen
Danach folgte dann noch eine Diskussionsrunde, in der die Teilnehmenden weitere Gedanken zur Jahreslosung vorbrachten:
- Was gibt es umsonst?
Luft, Sonne, Wasser? … schon nicht mehr! - Grundbedürfnisse aller Menschen, wie Wasser, Essen
- Die Kraft des Wassers
- Lokale Unterschiede Weltweit:
– In Deutschland eher im Überfluss bis auf kürzere Trockenzeiten im Jahr
– In trockenen Gebieten sieht das schon ganz anders aus: Mit kilometerweiten Wegen zur Wasserquelle, Begrenzung der Menge des Wassers für arme Menschen … - Ambivalenz des Wassers: Reinwaschen und Verschlingen in den Fluten
- Umsonst: Die wichtigen Dinge im Leben:
– Ein Partner, der einen liebt
– Freundschaft
– Gesundheit? … die oft nicht wirklich zu beeinflussen ist - Streit um Wasser
– In Deutschland, Europa eher nur ein abstraktes Thema in den Medien
– Oder beim Wasser abstellen bei verarmten Menschen
– Probleme sind aber auch bei verbrecherischen Vermietern möglich - Wasserversorgung von Menschen, die in Deutschland unterwegs sind?
– Kann ein Problem sein, wenn öffentliche sanitäre Anlagen fehlen
– Nur in vereinzelten Orten oder Städten gibt es frei zugängliche Trinkwasserspender - Freier Zugang zu Wasser?
– Sollte ein Grundrecht sein!
– Quelle: Es sollte mehr als ein Glas voll sein - Grenzen der weltweiten Ressourcen allgemein: Wasser, Öl, Kohle und Erze
… unser Umgang und Ausbeutung damit, sorgloser Verbrauch, oft verbunden mit Umweltverschmutzung - Lebendiges Wasser als religiöses Thema – Hoffnung für die Welt
- Frage nach einer Botschaft für das Wohnungslosentreffen?
- Frage nach dem Besitzrecht an Quellen, oft in privaten Besitz
- Weltweite Wasserprobleme
– Verteilung, Verschmutzung, Aufbereitung, Ausverkauf, … - Gemeinsame Ressourcen: Ein sorgfältiger Umgang damit wäre nötig!
„Ohne Obdach – Leben auf der Straße“
Zum Auftakt des 4. Tages, direkt nach dem traditionellen Plenum, fanden sich Interessierte zu einer Lesung von Matthias Albrecht aus Brandenburg ein. Der evangelische Theologe und Seelsorger des Hauses Lazarus in Berlin sorgte 2016 als Buchautor für Aufmerksamkeit. In dem Buch „Ohne Obdach – Leben auf der Straße“ beschreibt seine Erkenntnisse und Erfahrungen, die er freiwillig als Wohnungsloser gemacht hatte.
Vor Beginn der Lesung erklärte der Pastor, dass er sich für diesen Schritt für seine zukünftige Tätigkeit in der Fürsorge entschieden hatte, und dieses Selbstexperiment als Praktikum nutzte. Des weiteren erwähnte Albrecht, dass es zwar um seine Erfahrungen ginge, aber nicht um ihn selbst. Aus diesem Grund wählte der Autor auch den Namen Matthias Unterwegs als Pseudonym. Seinen Versuch testete er zunächst 4 Wochen in Frankreich, danach 4 weitere Wochen in Deutschland.
Danach lass er aus einigen Kapiteln seines Buches, und einige Zuhörer fanden sich schnell in die Geschichte ein, weil sie viele der Geschichten am eigenen Leib zu spüren bekamen, und teilweise noch zu spüren bekommen. Sei es von den Schwierigkeiten, sich bei Kälte einen warmen Platz zu suchen, oder das Erlernen des Bettelns, um sich von diesem Geld ein Busticket leisten zu können, um damit in einen Ort zu gelangen, um an eine ausreichend warme Schlafstelle zu gelangen. Albrecht berichtet auch über die Kränkung darüber, über das Musizieren mit der Mundharmonika etwas Geld zu erhalten, dass Menschen einfach an ihm vorbeilaufen ohne ihn zu beachten. Er führt weiter aus, das die Passanten mitunter kein Geld spendeten, sei weniger erniedrigend als die Gleichgültigkeit einiger.
Diese Erfahrungen aus Alby, einer kleinen Stadt in der Nähe von Toulouse, erweiterte er dann mit Erkenntnissen hierzulande u. a. in Bayreuth. Albrecht war erschrocken darüber, wie die Wagner-Stadt ihr Image rettet, und dafür sorgt, das Menschen am Rande der Gesellschaft auch genau dort bleiben, um sie nicht am Stadtleben teilnehmen zu lassen. So gleicht die Einrichtung, die sich ebenfalls weit entfernt vom Stadtkern b
efindet, einem Gefängnis, da man, selbst wenn man es möchte, den Schlafplatz erst am nächsten Tag wieder verlassen kann, da diese über Nacht verschlossen bleibt. Die Touristen und Musikfreunde der schönen Künste bekommen so auf diese Weise nicht mit, das es auch in Bayreuth Einwohner geht, denen es nicht ganz so gut geht.
Im Anschluss an die Lesung ging es mit einem Gespräch zwischen dem Autor und den Zuhörern weiter. Dabei erzählten die Anwesenden, inwieweit sie die Erfahrungen selbst schon mitgemacht haben. Unter dem Strich bliebe die Frage, ob nicht mehr "normale Bürger" den Versuch eines Selbsttests wagen sollten. Nicht weil wir es ihnen gönnen, sondern, weil es das Verständnis für die Probleme, die die Armut mit sich bringt, erhöht. Dadurch werden sicherlich einige Klischees neu überdacht, und es erhöht die Chance, das die Schere zwischen Arm und Reich kleiner wird. Zumindest die moralische.
Arbeitstreffen des Armutsnetzwerkes
Das Armutsnetzwerk e. V. stellte am Mittwoch Nachmittag seine bisherigen Leistungen vor. Michael Stiefel begann die Präsentation mit der Frage "Welche Vernetzungsorganisationen gibt es, und welche Möglichkeiten ergaben und ergeben sich damit für Wohnungslose. Das Armutsnetzwerk selbst wurde 2012 gegründet. Norbert Brandt, der ebenso wie Michael Stiefel zum Vertretungsberechtigten Vorstand des Vereins gehört, präsentierte zu Beginn einen Kurzfilm. Der Film zeigte einen von 2 Info-Bussen, die im Frühjahr u. a. sich in der Innenstadt von Erfurt positionierten. Dort hatten Passanten die Möglichkeit, sich von Betroffenen über die Armutssituation in Deutschland sowie innerhalb der EU zu informieren.
Im Anschluss an diesen Film erklärte Stiefel, dass es mit diesem Info-Bus und einem Standort nicht gewesen ist. Insgesamt bereisten diese Info-Busse sämtliche 28 EU-Staaten, in Deutschland hielt der Bus außer Erfurt noch in Dortmund. Stefan Schneider vom Organisationsteam des Wohnungslosentreffen zeigte sich begeistert über die Art der Präsentation, und hakte nach, ob es in Zukunft nicht möglich sei, dass sich etliche Organisationen noch mehr vernetzen und vereinigen können. Von Armut betroffene Menschen hätten dadurch erhöhte Möglichkeiten zum Austausch, zusätzlich besteht eine bessere Chance, die Interessen der Wohnungslosen an die Öffentlichkeit zu bringen.
Das Netzwerk zeigte dann einige Beispiele, wo es bereits praktiziert werde. Zunächst wurde die Nationale Armutskonferenz vorgestellt. Die 1991 gegründete Organisation ist selbst in 4 große Wohlfahrtsverbände gegliedert, und ist die deutsche Sektion des European Anti Poverty Networks (EAPN). Hier versucht man sich unter anderem mit Organisationen wie HOPE zu verbünden und zu vernetzen.
Zum Abschluss wurden einzelne kleine, aber erfolgreiche des Armutsnetzwerks präsentiert. So erzählte Hilde Rektorschek von den Erfolgen der 2017 gegründeten Frauengruppe, ebenso berichtete Norbert Brandt vom Rucksackprojekt. Letztendlich wurden die Termine für künftige Veranstaltungen bekanntgegeben.
Grillabend statt Abendbrot
Sommerzeit bedeutet Grillzeit, doch an diesem Tag gehört der Firma Kollhorst, die statt eines gewöhnlichen Abendbrotes Gegrilltes servierte, ein besonderer Respekt. Denn Freistatt war an diesem Mittwoch Tag bei knapp 35 Grad im Schatten zum Backofen geworden. Menschen, die sich dann als Service nochmal an ein wärmendes Feuer stellen, gilt ein besonderer Dank. Aber, es gab für alle Servierenden und Hungrigen ein Lichtblick; denn genau während des gemeinsamen Genießens weht ein frischer Wind durch den Sinnesgarten. Welch eine Wohltat nach dem Tag.
Die betrogenen Brüder
Zu einer besonderen Lesung wurde am immer noch sehr schwül-warmen Mittwochabend in der Guten Stube eingeladen. Sascha Dzialdowski stellte vor einer gemütlichen Runde von Krimifreunden seine Kriminalgeschichte "Die betrogenen Brüder" vor. Der Sozialarbeiter vom Herbergsverein aus Winsen an der Luhe las drei Kapitel aus seinem Werk.
An der Ostsee wird ein herangekommener Obdachloser erschlagen aufgefunden. Die Spur führt die Ermittler zu einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in Hamburg. Jemand scheint den Toten zu erkennen, die Familie vermisst seit langen zwei verschollene Brüder.
In einer anschließenden Fragerunde erklärte Dzialdowski, er habe bei der Figur des Obdachlosen an eine spezielle Person durch seine Arbeit als Sozialarbeiter gedacht. Er verändere dabei lediglich den Namen und die äußere Erscheinung. Dem Autor sei es wichtig, bei den Personen aber auch bei den Geschichten an sein eigenes Umfeld zu denken, das erhöhe die Authentizität des Inhalts.
Insgesamt ein cleverer Schachzug des Autors. In der Geschichte treten wohlhabende und arme Menschen auf. In einem Band. Die Wege zwischen beiden Gruppierungen könnten sich in der Realität ruhig häufiger kreuzen.