Header: Wohnungslosentreffen Freistatt 2018 - Dienstag, 24. Juli - Workshop Selbsthilfe - Hasso und David

Wohnungs­lo­sen­treffen Freistatt 2018
Dienstag, 24. Juli (der 3. Tag)

Wohnungslosentreffen Freistatt 2018 - Dienstag, 24. Juli, 16:52 Uhr - Plenum-Workshopthemen
Plenum-Work­shop­themen

Der dritte Tag des Wohnungs­lo­sen­tref­fens Freistatt 2018 begann nach dem Frühstück mit dem gemein­samen Plenum-Treffen im Sinnes­garten, bei dem Themen und Schwer­punkte für Arbeits­gruppen beschlossen wurden.

Zwei­ein­halb Stunden waren für den Kern­pro­zess reser­viert, der für Zeiten steht, zu denen beim Wohnungs­lo­sen­treffen alles was mit Selbst­or­ga­ni­sa­tion, Grup­pen­bil­dung Selbst­fin­dung und Selbst­ver­tre­tung zu tun hat – also mit der eigent­li­chen „Selbst­ver­tre­tung Vereinter Wohnungsloser“.

Danach ging es mit verschie­denen Workshops weiter:


Tiny Houses“? – Chancen und Risiken

Dieser Workshop (moderiert von Ilse Kramer, IBWA e. V., Köln) beschäf­tigte sich mit einer Alter­na­tive zum bürger­li­chen Wohnen: Was einst in den 30-er Jahren im US-ameri­ka­ni­schen  Detroit von Ausstei­gern gestartet wurde, hat mitt­ler­weile Ableger in aller Welt bekommen: „Tiny Houses“, Leben und Wohnen auf wenigen Quadrat­me­tern, hat sich zu einer Wohnal­ter­na­tive für Menschen entwi­ckelt, die sich für ein Leben mit mini­ma­lis­ti­schem Anspruch entschieden haben. Dieses Thema beleuch­tete Paul N. von der Bundes­ar­beits­ge­mein­schaft Wohnungs­lo­sen­hilfe e. V. (BAG W) von verschie­denen Seiten auf seine Praxistauglichkeit.

Bei den „Tiny Houses“-Wohnungen handelt es sich um modulare, contai­ner­ar­tige Gebäude mit maximal 50 qm bewohn­barer Fläche. Was einst als Welle für Indi­vi­dua­listen begonnen hatte, wurde in den USA bei schweren Krisen als Hilfs­mög­lich­keit ange­wendet, wie etwa bei den Folgen des Hurricans Katrina, aber auch für Menschen, die durch die Immo­bi­li­enk­riese in finan­zi­elle Schwie­rig­keiten geraten waren. Die wohl­ha­bende Stadt Seattle z. Bsp. setzt „Tiny Houses“ als billige Maßnahme zur Bekämp­fung der Stra­ßen­woh­nungs­lo­sig­keit ein, die dort in besonders hohen Maße besteht.

In einer anschlie­ßenden Diskus­sion ging es natürlich auch darum, ob das Modell von „Tiny Houses“ hier­zu­lande eine Alter­na­tive Methode für Wohnungs­lose sein kann. Letzt­end­lich war sich die Runde aber einig, dass diese Unter­kunfts­form lediglich im Einzel­fall als vorüber­ge­hende Maßnahme brauchbar ist.

Die Gründe dafür sind recht viel­fältig, wie sie Paul N. in seiner Einfüh­rung sehr detail­liert vorge­tragen hatte:

  • Quali­täts­un­ter­schiede der verschie­denen Modelle – muss so ein „Tiny House“ so billig wie irgend möglich sein?
  • Anfäl­lig­keit für Ungeziefer
  • Blitz­schutz und Brand­ge­fahr durch viele denkbare Ursachen (z. Bsp. Vandalismus)
  • Ghet­to­bil­dung, Furcht vor Bildung einer Drogen­szene der „normalen“ Nachbarschaft
  • Recht­liche Situation in Deutsch­land – es gibt relativ restrik­tive Vorschriften, die aber auch die Rechte von Mietern stärken. Wollen wir diese „Errun­gen­schaft“ aufgeben?
  • Prin­zi­pi­elles Aufstell­verbot außerhalb von Ortschaften
  • Frage nach „Einbet­tung“ in die Archi­tektur der Nach­bar­schaft? (die darauf bestehen kann!)
  • Wohnen auf Camping­plätzen / in Schre­ber­gärten: Ständiges Wohnen ist dort nicht vorge­sehen, und eigent­lich verboten – wird aber teilweise noch geduldet (Camping­plätze können als „Sonder­ge­biete“ bei Bedarf umge­widmet werden!)
  • Befürch­tung einer Wohn­con­tainer-Industrie, die massen­haft möglichst profi­tabel billigste Unter­künfte für Rand­gruppen bauen könnte (Arme, Alte, Studenten, …) – dadurch Absenkung bestehender Standards
  • Für Familien unge­eignet! – weil ein „soziales Leben“ zu Hause in „Tiny Houses“ schwer vorstellbar ist
  • Problem Wohnungsnot: Von Inves­toren eher erwünscht, um über Inves­ti­tion in steigende Mieten ihr Kapital noch effek­tiver zu vermehren
  • Trend zu „Kaninchen-Buchten“ im Stadt­ge­biet, weil „normale“ (ange­mes­sene!) Unter­künfte nur noch abseits in den Rand­be­zirken bezahlbar sind – mit allen Nach­teilen wie Zersie­de­lung, wach­sendem Pendel­ver­kehr, Traban­ten­städte mit sozialen Problemen, u.s.w.

Ein Grund dafür ist, dass die Wohnungs­lo­sig­keit selbst damit nicht effektiv bekämpft werden kann. Die Mini-Gebäude sind gegen Schäden kaum abge­si­chert, und sie sind anfällig für Natur­ka­ta­stro­phen. Auch eine Finan­zie­rung solcher Unter­künfte erscheint für Menschen in Armut proble­ma­tisch. Daher können „Tiny Houses“ nur im Einzel­fall als eine frei­wil­lige, temporäre Lösung für einige obdach- oder wohnungs­lose Menschen dienen, als Maßnahme zur Bekämp­fung der stei­genden Wohnungsnot in Deutsch­land sind sie aber sicher keine wirksame Lösung.


Hilfe zur Selbst­hilfe Wohnungsloser

In einer Grup­pen­ar­beit, moderiert von Hasso Diedrich vom Asphalt Magazin Hannover machten sich insgesamt 9 Teil­nehmer mit der Thematik vertraut, und erstellten am Ende ihrer Gedanken und Studien ein Fazit. Insgesamt kamen alle Teil­nehmer zu der Erkenntnis, das Selbst­hilfe gar der erste Schritt ist. Dazu gehört, sich eigene Ziele zu setzen.

Ein weiterer Weg wäre dann, die nötige Hilfe aufzu­su­chen. Bei behörd­li­cher Hilfe ist es hilfreich, wenn der zustän­dige Helfende dem Hilfe­su­chenden auf Augenhöhe begegnet. Dadurch erhöht sich die Chance, die indi­vi­du­elle Hilfe für die Ziele zu erreichen.

Das Ergebnis wurde zu einem Fazit zusam­men­ge­fasst, dass sowohl von Gaby Fischer aus Herzog­säg­mühle filmisch fest­ge­halten wurde, und am Mittwoch beim morgend­li­chen Plenum präsen­tiert werden soll.


Euro­päi­scher Gedankenaustausch

Der restliche Nach­mittag und Abend stand dann im Zeichen weiterer Diskus­sionen unter verschie­denen Gruppen der Teil­neh­menden, dem weiteren Kennen­lernen neu Hinzu­ge­kom­mener und der Begrüßung und Infor­ma­tion der letzten hinzu­ge­kom­menen Teil­nehmer der euro­pa­weiten „Homeless in Europe“ (HOPE)-Gemeinde (aus Portugal und Ungarn), die morgen ihre Gene­ral­ver­samm­lung vorbe­reiten wird – unser Bericht dazu wird folgen.