Ein Gastbeitrag von Sebastian M. Nidwalden.
Vor einigen Jahren übernahm ich den Titel „We are Family“ der Musikgruppe „Sister Sledge“ für ein Foto, das in einer Ausgabe des Magazins der Straße, dem Strassenfeger erschien.Es zeigte meinen Lebensgefährten und mich Arm in Arm in einem Gastraum des „Fischladen“ in der Rigaer Straße vor dem Durchgang zum Billiardzimmer. Ein kleiner Junge lugte hinter einer Seitenmauer mit hervor.
Heute stellt die Berliner „Siegessäule“ ein nicht-heterosexuelles Magazin in Ihrer Juliausgabe auf der Titelseite die Frage „Are we Family? Mit dem weiteren Hinweis „was die Community zusammenhält“. Der Deutsche Bundestag beschließt die rechtliche Gleichstellung hetero- und homosexueller Beziehungen. Ich tanzte halbnackt bei Gewitter und strömenden Regen beim Christopher-Street-Day-Straßenumzug.
Jetzt sitze ich im niedersächsischen Freistatt, beim Wohnungslosentreffen 2017, in meinem Übernachtungszelt. Seit Stunden trommeln Wassertropfen auf die Planen.
Am Montag besuchte ich eine Vortrags– und Diskussionsveranstaltung. Dr Stefan Schneider präsentierte seine 2016 in Bochum erschienene Arbeit über die Wohnungslosentreffen 1929, 1981, 1991, und 2016 in Deutschland! „Are we History“? Sie lieferte die Diskussionsgrundlage. Im Vordergrund standen sehr ehrgeizige Vorbereitungsstrukturen, die vielfältige Umsetzungsmöglichkeiten der Ergebnisse eröffneten.
Die Frage nach empathischen Orten, Freiräumen zur Veranstaltung solcher Betroffenenzusammenkünfte wurde thematisiert.
Auch damals tauchte schon die Fragestellung auf: „Echte Berber“ – wer sind sie?
Auf die Abgrenzung von Obdachlosigkeit zur Wohnungslosigkeit bei solchen Veranstaltungen kam der Referent deutlich zu sprechen.
Schicksal, Solidarität, Abwehr und Veränderung waren Stichworte, die anregten, die Gedanken weiter kreisen zu lassen.
Die Zukunft könnte weitere Entwicklung solidarischer Strukturen, auch in einem globalen Rahmen, mit sich bringen.
Vorhandene Treffen sollten verstärkt dauerhaft etabliert werden, nachfolgende Generationen bereits einen Werkzeugkasten zur freien Auswahl überreicht bekommen. Die Unterstützung umfasst natürlich auch die Nutzbarmachung nichtmaterieller Ressourcen, insbesondere entstandener Kommunikationsnetzwerke, nicht zuletzt auch um durch gegenseitige Assistenz eine größere Breitenwirkung mit erhöhter Durchschlagskraft zu erzielen.