Jahresrückblick 2017 Vierter Teil
Nachdem wir nun beim Türchen öffnen die Zielgerade auch so langsam erreichen, fragen sich sicherlich viele, was denn hier möglicherweise noch fehlt. Na klar – der letzte Teil unseres Jahresrückblicks. In drei bisherigen Türchen haben wir ja bislang die Monate Januar bis September Revue passieren lassen. Heute erinnern wir an das jetzt bald endende Quartal und schauen, was sich in Freistatt und Umgebung in den letzten drei Monaten ereignet hat.
Oktober bis Dezember 2017
Bei strahlend schönem Wetter feiert Heimstatt das Erntedankfest. Die Erträge werden in kleinen Orten sehr gerne mit einem Gottesdienst gefeiert. Das besondere an dieser Veranstaltung – die Messe wird in einem Schafstall zelebriert. Anschließend können die Besucher sich über die Errungenschaften und die Erzeugnisse im Ort informieren. Es hilft, nicht zu vergessen, dass das tägliche Brot nicht wie selbstverständlich auf dem Tisch steht. Dafür lohnt sich die Veranstaltung
Die Frage, ob die Nationale Armutskonferenz (NAK) genauso lohnenswert ist, müssen die Verantwortlichen und Beteiligten bei der Veranstaltung in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche für sich beantworten. Zwei Tage lang können angereiste Wohnungslose und von Armut betroffene Menschen mit Mitarbeitern von Einrichtungen und Politikern diskutieren und Ergebnisse erarbeiten. Zum elften Mal erfährt auch die Öffentlichkeit von der Veranstaltung. Und danach? Es scheint, dass die Aufmerksamkeit samt der Hoffnung, etwas bewegt zu haben, wie vom Winde verweht ist. Genauso wie die pünktliche Abreise der Gäste – Sturm Xavier legt den öffentlichen Verkehr lahm, und die Abreise verzögert sich bei Vielen erheblich.
Immerhin – in Freistatt wird etwas erarbeitet. Ein Fazit für das Wohnungslosentreffen Freistatt 2017 wird gezogen, aber auch an die Zukunft wird gedacht. 22 Teilnehmer machen sich Gedanken, wie es mit der Zukunft des Projekts Wohnungslosentreffen aussieht. Zielsetzungen und Meilensteine werden gesetzt – und eine Selbstvertretung gebildet. die zukünftige „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen“ will beweisen, das sie selbst etwas bewegen und auf die Beine stellen kann.
Nur drei Wochen nach der Bundestagswahl, aber drei Monate vor dem ursprünglichen Landtagswahltermin, dürfen die Niedersachsen erneut zur Urne. Bei der vorgezogenen Wahl triumphiert im Kreis Diepholz Schwarz-Gelb. Marcel Scharrelmann erhält das Direktmandat, und – im Unterschied zum Bund – hat unser Bundesland schnell seine Koalition abgeschlossen.
Es ist Weltarmutstag, und die Landesarmutskonferenz Niedersachsen (LAK) lädt ein zur jährlichen Fachtagung. In Hannover wird angemahnt, das selbst die EU mit dem Finger auf die Bundesregierung zeigt, deren Politik die Armut fördere. Eine politische Diskussion ist aber zur Problemlösung zwingend notwendig. Immerhin wird erwähnt, das die Entwicklung der Armutsgefährdungsquote auch eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland darstellt. Die Podiumsdiskussion wurde von Experten geführt, ohne Betroffene. Wissen Experten wirklich, was jenen, denen alles fehlt, wirklich fehlt?
Im Haus Fernblick findet eine fast einmalige Feier statt. Den Reformationstag gibt es zwar jedes Jahr, aber anlässlich des 500. Jahrestages der lutherschen Thesen ist er 2017 ausnahmsweise ein bundesweiter Feiertag. Eine Woche zuvor wird in Originalkostümen gefeiert und lecker geschmaust. Am 31. Oktober 2018 übrigens, ist wieder alles beim alten – und wahrscheinlich wird dann wieder mehr Halloween auffallen. Ist das wirklich der kirchliche Wille?
Bereichsleiter Frank Kruse und Mitarbeiter der Freistätter Online Zeitung sind zu Gast in Heiligenloh bei einer besonderen Veranstaltung. Der Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ ist entschieden, und die Gewinner werden im Rahmen einer Feier ausgezeichnet. Elf Dörfer werden geehrt, doch nur eines erhält zwei Sonderpreise – Freistatt. Zum einen der Ort selbst, zum zweiten unsere Redaktion. Wohnungslose bekommen für ihre Leistung einen Preis – Eigeninitiative lohnt sich doch. Das macht ein wenig stolz, und gibt uns Mut, weiter zu machen. Und vielleicht Zeichen für andere Betroffene zu setzen.
Wenn einer eine Reise tut, dann hat er sich das verdient und gebucht – oder er ist wohnungslos, und gezwungenermaßen ständig auf Tour. Auf der Bremer Messe „ReiseLust 2017“ bietet es sich daher an; und es wird in die Tat umgesetzt: Die Diakonie Freistatt stellt sich aus. Vorgestellt wird die Freistätter Feldbahn, aber auch das Projekt Wohnungslosentreffen wird den Besuchern vorgestellt. Die Reiselustigen zeigten sich interessiert – und es zeigte sich, Wohnungslose sind hier mitten drin statt nur am Rand.
Die meisten Bewohner, die mit Sozialarbeiter Wolfgang Bluhm Ausflüge mitmachen, werden urplötzlich sportlich aktiv. Altersgerecht versteht sich. Diepholz gegen Freistatt heißt beim Boßeln das Duell am Rande von Diepholz, die Gastgeber waren Mitarbeiter sowie Besucher des Tagestreffs „Arche“. Absolut lohnenswert, alle haben Spaß, die Gastgeber beim Gewinnen besonders – nur ist die Kugel irgendwann verschwunden. Kurios – als wir im November exklusiv genau darüber berichteten, wurde diese Kugel gefunden und ehrlich zurückgebracht.
Es ist kühl, und es bleibt kühl. Gemeint ist das Wetter in Bremen, und das Spiel der Frauen-Bundesliga Werder Bremen gegen SGS Essen wärmt nur bedingt die Gemüter. Dem Publikum, darunter die unterlegenen Boßler aus Freistatt samt Sozialarbeiter Wolfgang Bluhm erleben beim Ausflug in die Hansestadt eine Handvoll Chancen, aber wenig Spektakuläres. Im 21. Jahrhundert wissen aber alle, Frauen am runden Leder können das eigentlich auch.
„… und ohne Wohnung ist alles nichts“ – unter diesem Motto lädt die BAG Wohnungslosenhilfe e. V. zur jährlichen Bundestagung 2017 in Berlin ein. Auch die Podiumsdiskussion am ersten Tag mit Bürgermeistern, Staatssekretären, Geschäftsführern und Journalisten beinhaltet diese Thema. Danach bilden sich Arbeitsgruppen, die vielfältig über Aspekte der Wohnungslosenhilfe diskutieren, oder ihre Projekte beim „Markt der Möglichkeiten“ vorstellen. Frank Kruse, Bereichsleiter der Wohnungslosenhilfe Freistatt, nutzt die Gelegenheit, sein Konzept der Arbeitsförderung vorzustellen. Das selbst Wohnungslose etwas bewegen können, davon kann sich jeder Anwesende direkt am Eingangsbereich überzeugen – dort befindet sich ein Stand vom Projekt Wohnungslosentreffen, der „Selbstvertretung Vereinter Wohnungsloser“.
Fröhliche Stimmung gegen triste Novemberlaune – in Sulingen klappt das zum 20-sten Mal in Folge. In der Alten Bürgermeisterei findet wieder das Blau-Wahl Benefizkonzert statt, bei dem traditionell für das Weihnachtsessen des TAFF eifrig gesammelt und gespendet wird. Musikalisch gibt es dafür eine große Vielfalt von Jungen und Junggebliebenen, die das Publikum mit einer tollen Stimmung begeistern.
Bleiben wir doch in Sulingen – denn auch im JoZZ werden die Herbstdepressionen einfach weggefeiert. Genauso vielfältig, versteht sich. Im Oktober gibt es zum Warm werden für kältere Tage Metal vom Feinsten auf die Ohren. Zwei Wochen später bekommen die Lachmuskeln ordentlich was zu tun, als beim Duett Reis Against The Spülmachine ihre „Vitamine zum bösen Spiel“ servieren. Weitere zwei Wochen später stimmen Wolves At The Door, Arktis und Of Colours auf ihre spezielle Art auf den Advent ein. Sulingen, eine Stadt in der sich ein Herbstbesuch wirklich lohnt.
Und auch der angeblich so ruhige Bremer versteht was von unterhaltsamen Lärm. Im Meisenfrei Blues Club feiern Metalmusiker ihr Festival. Die Empfehlung für die Veranstaltung kam aus direkter Hand. Die Band Honeytruck aus Wildeshausen, die bereits in Balge beim ROCK das DING Festival positiv aufgefallen ist, lockte, und das Kommen soll sich auszahlen. Vier weitere erstklassige Bands, dazu eine Tombola gesponsert von der Wacken Foundation, vom RELOAD- und vom ROCK das DING Festival – den Hauptpreis zog der Veranstalter, und das heißt Danke schön.
Bewohner der Wohnungslosenhilfe Freistatt sowie Sozialarbeiter Wolfgang Bluhm halten sich seit geraumer Zeit des öfteren in Minden auf, genauer in der KAMPA-Halle. Es heißt mitfiebern mit den Handballern der GWD, mithalten kann die GWD jedoch nur bedingt. Gegen Gummersbach wird noch klar gesiegt, aber die Spitzenteams aus Berlin und Flensburg sind zu stark für die Grün-Weißen. Im Duell mit Hannover-Burgdorf wird der Sieg um Haaresbreite verfehlt.
Im Haus Wegwende wird zweieinhalb Wochen vor dem Jahresende schon mal 2018 vorbereitet. 23 Teilnehmer bereiten zumindest inhaltlich und gemeinschaftlich das kommende Wohnungslosentreffen Ende Juli vor. Wie sieht das Programm aus, wie wird es finanziert, und wie wird die Kommunikation in der internen und externen Öffentlichkeitsarbeit aussehen? Die Arbeit der noch jungen Selbstvertretung Vereinter Wohnungslose wird definitiv fortgesetzt, und sie zeigt zarte Fortschritte. Immerhin.
Tja – und das war es fast mit 2017. Wieder ein Jahr mit allen „Aufs“ und „Abs“, das ist nun mal das Leben. Und hat sich die Situation der Wohnungslosen verbessert? Nicht wirklich, aber es tut sich etwas. Es drängt sich daher die Frage auf, ob man das Motto des Projekts Wohnungslosentreffen „Alles verändert sich, wenn wir es verändern“ auch als Vorsatz für das Neue Jahr verwenden darf? Warum nicht, noch bevor das Neue Jahr beginnt, darf man darauf wenigstens hoffen. Er reicht nämlich nicht aus, wenn sich nur die Jahreszahl ändert.