Das „Theater mit Geflüchteten“ ist seit drei Jahren ein Projekt der Landesarmutskonferenz Niedersachsen (LAK). In ihrem Grußwort zur Première des Stückes „Suchen. Finden. Verlieren.“ sprach Niedersachsens Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Dr. Carola Reimann, von einem gelungenen Versuch. Gemeint ist eine immer noch ungewöhnliche Theateraufführung, das zweite Stück der freien Gruppe „Theater mit Geflüchteten“. Über das erste Stück, „Am Bahnhof“ berichteten wir im Rahmen unseres Weihnachtskalenders 2016.
Klaus-Dieter Gleitze, Geschäftsführer der LAK Niedersachsen, hatte in „die hinterbühne“, ein kleines, aber sehr engagiertes Theater in Hannover, eingeladen. Die Theatergruppe, der hauptsächlich Geflüchtete angehören, präsentierte mit Unterstützung des Regieteams von Sonja Thöneböhn, Mareike Schlote und Marc Beinsen ein selbstentwickeltes Stück.
Viele der Akteure standen an diesem Abend zum ersten Mal vor Publikum auf einer Bühne. Neben zwei deutschen Darstellern stammen die weiteren Schauspieler aus Afghanistan, Irak, der Türkei und Syrien.
Mehr als 100 Besucher fanden sich auf den Plätzen ein, um diese Première zu erleben. Ausverkauft bis auf den letzten Platz. Grundlage für das Stück „Suchen. Finden. Verlieren.“ war die persische „Rostam und Sohrab“, die hier aber – den aktuellen Gegebenheiten entsprechend – neu interpretiert wurde. Eingeleitet wurde der Abend durch Begrüßungsworte von Klaus-Dieter Gleitze und Dr. Carola Reimann. Fröhlich tanzende Schauspieler zu orientalischen Klängen brachten anschließend das Publikum komplett in die nötige Stimmung und leiteten mühelos zur ersten Szene des Stücks über.
Zur Handlung
In einem fiktiven Land namens Albilat verliebt sich Rostan in Sohrab. Doch Standesdenken, Familie und vor allem der Vater verbieten diese Liebe – er will ihn töten lassen. Auf Drängen der Geliebten flieht er alleine nach Deutschland. Ein Armband lässt er der Geliebten als Erinnerung zurück. Von seinem neun Monate später zur Welt kommenden Sohn erfährt er nichts.
Er hat es mit ganz anderen Schwierigkeiten zu tun. Aus einem fremden Land kommend, muss er sich mit mäßigen Sprachkenntnissen, mit der neuen Kultur und vor allem mit den Behörden auseinandersetzen. Irgendwie gelingt es, aber er fühlt sich weiterhin fremd. Er passt sich an aber ein Teil dieser, für ihn so kalten Gesellschaft ist er nicht.
20 Jahre später in Albilat: der inzwischen erwachsene Sohn erkundigt sich nach seinem Vater. Die Mutter erzählt ihm widerstrebend die Wahrheit, was dazu führt, dass der Sohn sich auf die Suche nach ihm begibt. Die Suche endet in einem Drama.
Fazit
In den einfachen, bewusst reduzierten Bildern, im klassischen „leeren Raum“ dessen Requisiten nur ein paar weiße Pappkartons waren, agieren die Schauspieler von natürlich bis überzogen, ganz wie es die Szenerie erforderte. Schön ist es, dass bei allem Ernst der Schicksale der Humor nicht zu kurz kommt. Dabei sind sie immer authentisch, immer ganz nah an der eigenen Geschichte.
Bahzad Dawoud, der vor knapp zwei Jahren aus dem Irak nach Deutschland gekommen ist, glänzt in der Rolle des geflüchteten Liebhabers. Rabia Gökce Aydal-Sebastian überzeugt in der Rolle der Geliebten und Mutter. Die Türkin unterstrich ihre Leistung mit einem heimischen Volkslied, das keinen im Publikum unberührt ließ.
In ihrer eigenen Interpretation erzählt die Gruppe eine Geschichte von all den kleinen und großen Dingen, die mit einer Flucht einhergehen. Die Gefahren der Flucht, die Schwierigkeiten mit den fremden Behörden, die andere Mentalität, das Zerreißen der Familien, der Identitätsverlust und der Konflikt zwischen Anpassung und Integration, dazu die banale aber wichtige Erkenntnis: Flüchtlinge sind vor allem erst mal wohnungslos.
Menschen hierzulande, die ihr Obdach verlieren, könnten sich in dieser Problematik ein wenig wieder finden. Der Verlust der Wohnung, den Heimatort sowie die Freunde verlassen zu müssen, Auseinandersetzungen mit den Behörden, Ausgrenzungen – die Schicksale ähneln sich. Der Unterschied liegt sicherlich darin, das ihre Wohnungslosigkeit sich nicht auf Krieg, Folter und Verfolgung gründet sondern auf soziale Ungerechtigkeit. Die ist übrigens, wenn es nach unseren Politikern geht, kein Fluchtgrund.
Ministerin Reimann betonte in ihrer Begrüßung, es gäbe in der Kultur – also in Theater, Musik oder bildender Kunst – keine Unterschiede zwischen Ländern, Kulturen und Religionen, die Gesellschaft mache aber wohl Unterschiede zwischen arm und reich. Stimmt, denn Armut und Elend sind grenzenlos. Begrenzt sind dagegen aber allzu oft die Möglichkeiten.
Auch das zweite Stück dieses in jeder Hinsicht beispielhaften Integrationsprojektes überzeugt durch Ehrlichkeit und Spielfreude. Wir danken erneut Klaus-Dieter Gleitze und dem Theater „die hinterbühne“ für die freundliche Einladung.