Première von „Am Bahnhof“ im Kulturzentrum Faust in Hannover
"Theater mit Flüchtlingen" ist ein Projekt der Landesarmutskonferenz Niedersachsen, von der wir am Samstag, den 10. Dezember zur Première des Erstlings "Am Bahnhof" eingeladen wurden. Zur Freude der Verantwortlichen und Beteiligten war die Première mehr als ausverkauft, für die mehr als 150 Gäste mussten noch zusätzliche Stühle aufgestellt werden. Grußworte sprachen Klaus-Dieter Gleitze von der Landesarmutskonferenz Niedersachsen und Thomas Schremmer von der Landtagsfraktion Bündnis90 / Die Grünen. Zusätzlich unterstützt wurde das Projekt vom Landesministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen.
Im Begleittext zum Stück heißt es: "Jeder Mensch hat seine Geschichte. Jeder Mensch hat Träume und Alpträume, eigene Erlebnisse und Erfahrungen. Darunter der Kriegsreporter aus dem Irak, ein geflohener Musiker aus dem Iran, eine junge Studentin aus Syrien und ein Familienvater aus Afghanistan. Davon erzählt das Theaterstück "Am Bahnhof, das collagenartig einzelne Facetten des Erlebten, aber auch Wünsche und Hoffnungen zu einem verdichteten Bild zusammenfügt."
Unter der Regie von Shuan Karim präsentiert die Gruppe, die sich aus Profis und Amateuren zusammensetzt, und mehrsprachig agiert, eine Performance, die jederzeit mit großen Theaterproduktionen mithalten kann. Das Thema Flucht und der Umgang damit, sowohl von uns als auch von den Flüchtlingen selbst, wird hier nie plakativ, sondern immer persönlich und mit mehr leisen als lauten Tönen eindringlich umgesetzt.
Wenn die Studentin von ihren Jugendträumen erzählt, wie sie lieber Model geworden wäre, als Medizin zu studieren, und damit endet, dass nach dem Verlust ihrer Familie und ihrer Freunde, durch Krieg und erzwungene Emigration, am Ende nur noch Einsamkeit und kein Traum mehr bleibt, dann rührt das tief.
Im Stück wechseln sich Textpassagen, die, trotzdem sie stellenweise in der Originalsprache vorgetragen werden, nie zu Unverständnis führen, mit Tanz- und Musikeinlagen ab, die zwischendurch an Pina Bausch erinnern. Das Bühnenbild, ein einfacher Bahnhof, wie es ihn überall in Deutschland geben kann, wird durch eine Videoperformance ergänzt, die erfreulich unaufdringlich die Atmosphäre unterstützt.
Beeindruckend ist, das alle Darsteller gleichwertig agieren. Für den Zuschauer ist nicht erkennbar, wer hier ausgebildeter Schauspieler, wer Laie ist. Für jeden, der Theatererfahrung besitzt, ist klar, das allein das eine große Leistung der Spielführung ist.
Am Ende steht der deutsche Bahnhofsvorsteher vor dem Bild eines toten Flüchtlingskindes und muss zugeben, das seine privaten Probleme dagegen klein und unwichtig sind. Auch das ohne klischeehaft zu sein – man merkt die Anstrengung über den eigenen Schatten zu springen. Gerade bei Theaterprojekten gelingt dies nicht immer, hier ist es in beeindruckender Konsequenz gelungen.
Das Publikum dankte der Schauspielgruppe mit langanhaltendem Applaus.
Weitere Aufführungstermine im Kulturzentrum Faust sind am 20. und am 27. Januar 2017 um 19:00 Uhr und am 4. Februar um 19:30 Uhr im Thater „die hinterbühne“ in Hannover. Wir können den Besuch nur wärmstens empfehlen und hoffen, das es noch deutlich mehr Aufführungen dieses wirklich sehenswerten Stückes geben wird.