Jedes Open Air ist anders. Das ist ja auch gut so, und das Neuenkirchener Open Air, oder kurz NOA, ist gemütlich anders. Wer sich an den sonstigen 364 Tagen im Jahr in dem Ort bei Bassum aufhält, dem fällt viel Natur, viel Landwirtschaft und vor allem ganz viel Ruhe auf. Aber die 1200-Seelen-Gemeinde kann auch anders. An einem Sommerabend im Juli, und das seit 1996 jährlich, laden die Veranstalter Klaus und Mathias Bochow zur großen Party mit Live-Musik auf den Sportplatz des hiesigen Fußballvereins, dem TV Neuenkirchen 1919. Das war am 13. Juli 2019 bereits zum 24-sten Mal so, und das Fest war ein bisschen mehr als nur ein kleines Warm-Up für das Silberne Jubiläum im kommenden Jahr.
Klaus und Mathias Bochow versteht nicht nur ein Open Air zu organisieren, er weiß vor allem, wie man eine Party programmatisch aufbaut. Damit das Publikum vor Ort auch richtig ankommen konnte, gab es vor Ort den passenden Einstieg. Von Grambusch galten einst bei Freunden der Punkszene als Geheimtipp, aber das Quartett hat sich mittlerweile der akustischen Version ihres Stils verschrieben. Sie versorgten das Publikum mit einem guten Mix aus Popmusik und rockigen Elementen, und das ganze, so die Band selbst, in der Sprache, die sie selber sprechen. Mit Texten, die zum Zuhören animieren, und in der sich viele wiederfinden. Die Bremer sorgten somit für einen Auftakt nach Maß, sie führten das Publikum zur ersten Betriebstemperatur.
Der zweite Act des Abends fand fast schon blind nach Neuenkirchen, obwohl die Künstler von Ulm aus eine schöne Strecke zu bewältigen haben. Damals allerdings hörte das Trio Go Go Gazelle noch auf den Namen Benzin, als sie 2009 und 2010 das Neuenkirchen Open Air Festival besuchten. Nach der Auflösung der Band entschloss man sich 2017 für einen Neuanfang, stilistisch und eben mit neuem Namen. Eins ist geblieben, die Liebe zur Rockmusik. Mit ihren deftigen Sound brachten das Trio die Tanzbeine des Neuenkirchener Publikums in Bewegung. Ein Publikum, dass sich auch nicht durch die etwas kühlen Temperaturen ablenken ließ.
So richtig in Tanzlaune ging es mit acompasso weiter. Trommelklänge und wilde Rhythmen lockten viele in Richtung Wurststand und Bierbude. Zwischen diesen beiden kulinarischen Verführungen gab es Samba made in Wildeshausen. acompasso, so nennt sich das etwa 20-köpfige Ensemble, dass mit einer abwechslungsreichen Einlage die Vielfalt lebhaft erweiterte. Für eine halbe Stunde fühlte man sich wie am Zuckerhut, obwohl die Musiker allesamt in niederländischem Orange unterhielten.
Mit Schwung in den Tanzgelenken, und dem ein oder anderen passenden Cocktail in der Hand, bewegten sich alle wieder zurück zur großen Hauptbühne, wo sich fünf Osnabrücker auf ihren großen Auftritt vorbereiteten. Hi! Spencer musizieren bereits seit sieben Jahren, aber zum ersten Mal wurde unsere Redaktion auf diese interessante Gruppe aufmerksam. Neugierig machte uns allein die Tatsache, wieso diese Band soviel Aufmerksamkeit online hat. Die Indie-Punk-Band ist in der Tat eine positive Überraschung hier in der Region, sowie eine sehr fleißige. Konzerte gibt es weitere ebenso wie demnächst ein Album und eine Single. Eine Formation, bei der man gerne zuhört, weil ihre Texte viel tröstendes im Inhalt haben.
Punkige Rockmusik, so lautet das Markenzeichen der Gruppe Engst. Vier gestandene Livemusiker, die aber nicht unbedingt in eine stilistische Schublade gepackt werden wollen, brachten aus der Bundeshauptstadt eine Mischung aus Punk, Rock und Pop mit eingängige Melodien zu ihrem Auftritt nach Neuenkirchen mit. Dieser unkonventionelle Mix war den Veranstaltern und Gastgebern des Open Airs ein kleines Feuerwerk wert, dass während dem Auftritt der Berliner den Nachthimmel erhellte. Eine Band mit klaren Aussagen, und auch mit einer deutlichen Haltung gegen rechte Politik und rechtem Gedankengut. Diesen Aussagen während ihres Auftritts schließen wir uns gerne an.
Auf dem Sportplatz war spätestens jetzt endgültig Partylaune ausgebrochen, da sorgten die Latinos von acompasso ein weiteres Mal für eine Stimmung, wie man sie mitunter vom Karneval am Rhein kennt. Passend dazu traten als finaler Höhepunkt waschechte Düsseldorfer das musikalische Podium. Frontfrau Amy stieg zu Beginn ganz hoch auf das Podest, genauso, wie es ihre vier männlichen Mitstreiter von Kopfecho in der Realität auch schon taten. Die fünf aus Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt zeigten mit guter Rockmusik, dass sie in Zukunft mehr erreichen können, als die Vorgruppe der Toten Hosen zu sein. An einem Abend wie diesen in Neuenkirchen bekamen alle einen Vorgeschmack vom Potential dieser Band.
Ein kleiner Ort mit soviel Party an einem Abend – und die ging viel zu schnell zu Ende. Es sollte ein Juliabend mit viel Sommergefühl werden. Bei allerdings eher herbstlichen Bedingungen sorgten Musiker und Publikum selbst dafür, dass einem richtig warm ums Herz wurde.
Im kommenden Jahr steigt dann schon das 25. Neuenkirchener Open Air!
Wir kommen gerne zum Mitfeiern wieder, jedoch mit einer großen Erwartungshaltung. Wir sind aber sicher, bei dem feinen Händchen, was die Auswahl der Künstler angeht, werden Klaus und Mathias Bochow und ihr Team die selbst hochgelegte Messlatte ganz sicher wieder meistern.