Über Dr. Irving Wolther haben wir ja schon des öfteren berichtet. Vor allem, über seine nie endenden Ideen. Wenn der Mann, der vor allem in Fankreisen als Doktor Eurovision seine Kreativität freien Lauf lässt, haben seine Einfälle nicht immer unbedingt etwas mit der weltweit größten Musikshow zu tun. All jenen, denen der Eurovision Song Contest besonders am Herzen liegt, und die sich derzeit in den herbstlichen Tagen nach wie vor in der PED-Phase (Post Eurovision Depression) befinden, ehe die nationalen Vorentscheidungen für Malmö 2024 endlich wieder ESC-Fieber aufkommen lassen, für alle diese Menschen, aber auch die musikbegeisterten Menschen ausserhalb des Festivals, hat Dr. Wolther mal wieder die Wartezeit verkürzt.
Wie schon bei den Veranstaltungen ESC And Eat oder "Ich höre was, das du nicht siehst" war auch am vergangenen Sonnabend Vormittag das Phonos-Büro in Hannover der Ort des Geschehens. Die Vorhänge mussten dabei trotz kühlen, aber zwischenzeitlich sonnigen Wetters nicht zugezogen werden – wobei das Thema im ersten Verdacht Gründe dafür lieferte. "Gänsehaut-Momente". Ein Zustand, den jeder Mensch je nach Emotion her kennt; allerdings – so war die Absicht Dr. Wolthers, bezog sich die Gänsehaut auf den Moment künstlerisch-dargebotener Momente. Sprich, die anwesenden Gäste sollten über ihre Erfahrungen sprechen, wenn ihnen beim Hören von kompletten, aber auch aus Teilen von Musikstücken die Haare sprichwörtlich zu Berge stehen. Erlaubt waren aber auch Eindrücke, die jemand bekommt, beim Lesen oder Vorlesen von literarischen Werken oder auch beim Zusehen von schauspielerischen Leistungen auf der Bühne oder auf der Leinwand.
Gänsehaut ist für jeden von uns nichts neues; neu war aber für alle Gäste, dass es hierfür zu Forschungszwecken einen Professor gibt, der sich beruflich tiefergehend mit diesem Phänomen befasst. Prof. Dr. med. Eckart Altenmüller, geboren 1955 im schwäbischen Rottweil, untersuchte intensiv, was in Menschen vorgeht, wenn sich bei kulturellen Genüssen körperlich-positive Veränderungen einstellen. Professor Altenmüller gehörte zu den Gästen, um über seine Analysen zu sprechen.
Unterhalten wurde sich auch darüber, dass Gänsehaut nicht nur entsteht, wenn emotional positive Erlebnisse zu verzeichnen sind. Kälte, eine Fahrt mit der Geisterbahn, aber auch unangenehme zirpende Geräusche erzeugen ebenso eine Reaktion im vegetativen Nervensystem, dem Bereich, von dem das Entstehen der Gänsehaut ausgeht. Die dort verborgenen Haarmuskeln, die sich an diesem Nervensystem befinden, zirkulieren entsprechend so, dass sich die Härchen aufrichten, und auch Teile der Haut nach außen ziehen, so dass das Erscheinungsbild eines Körpers einem gleicht, der mit vielen kleinen Pickelchen übersät ist.
Der Gesprächsstoff war bei allen Anwesenden so umfangreich, dass nicht alle Gäste ihre persönlichen Gämnsehautmomente aus zeitliche Gründen teilen konnten. Die, die es konnten und ihre Beispiele präsentierten, erzwugten zwar bei allen anderen nicht die gleiche Reaktion, jedoch ein sehr hohes Maß an Verständnis, dass diverse Momente sehr berührend sein können. Der Herr Professor selbst beteiligte sich an Beispielen, bei denen er trotz eigenen Wissens Emotionen nicht mehr zurückhalten kann. So gab es ein entscheidendes Segment aus Richard Wagners Parsifal, dass er dem Publikum in Hannover präsentierte.
Der Gastgeber beteiligte sich ebenfalls daran; als Kleinkind entdeckte er auf einem Album das Lied "Jerusalem" von der unvergessenen Edith Piaf. Hier waren es aber eher die stets wechselnden Klangarten des Songs als die in diesem Lied verarbeitete biblische Geschichte, die Dr. Wolther einst beunruhigt haben: bei jedem erneuten Hören des Lieds ist vor allem die Erinnerung von einst geblieben. in weiteren Beispielen blieb es klassisch. Auszüge aus das "Phantom der Oper" sowie aus Puccinis Oper "Tosca" führen bei weiteren Hörern zu Gänsehaut-Emotionen.
Es ist davon auszugehen, dass sich die Runde noch ein weiteres Mal trifft, schließlich gibt es ja soviele Momente, in denen bei dem ein oder anderen die Haar zu Berge stehen.
Fotos & Text.: Hari Januschke