Vom 22. bis zum 24. Februar 2024 veranstaltet die Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (die „Ohm“) eine wissenschaftliche Konferenz:
Prekäres Wohnen & Wohnungslosigkeit
in Zeiten multipler Krisen
Unsere Redaktion besuchte mit einer Abordnung der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. diese Konferenz, die etwa 50 Menschen mit Erfahrungen von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit (also Expert:innen in eigener Sache zur Problematik akuter Wohnungsnot) und etwa 110 in den Sozialwissenschaften tätige Menschen sowie Fachleute aus dem Bereich Sozialer Hilfen (wie z. Bsp. Wohnungslosenhilfe, Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, …) zum Erfahrungsaustausch zusammenbrachte.
Das Programm zur Konferenz
Im Konferenz-Programm der WoloKon 2024 heißt es dazu:
Als grundlegendes Verständnis werden Obdach- und Wohnungslosigkeit als soziale Phänomene aufgefasst, die durch gesellschaftliche Prozesse immer wieder neu hergestellt werden, aber auch durch diese veränderbar sind.
Das Anliegen der Konferenz ist es, Wohnungslosigkeit als soziales Phänomen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, den wissenschaftlichen Forschungsstand innerhalb der scientific community als auch mit Akteur*innen der Politik, Verwaltung, Sozialen Arbeit und Selbstvertretungen von wohnungslosen Menschen zu diskutieren sowie den allgemeinen Austausch zum Thema zu fördern.WoloKon 2024 Nürnberg (www.WoloKon.de)
Beteiligung von Expert:innen in eigener Sache
Einerseits war unsere Redaktion bei Aufbau und Betreuung eines Messestandes der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. beteiligt, der im Foyer des Uni-Gebäudes des Dekanats Sozialwissenschaft und Betriebswissenschaft die Tagung begleitete.
Daneben besuchten wir aber auch diverse Veranstaltungen der Tagung, die sehr interessante Einblicke in die Arbeit der Forschung zu Themen wie Wohnungslosenhilfe, Armut, Wohnungsnot und benachteiligte Gruppen unserer Gesellschaft boten.
Durch die Beteiligung zahlreicher Expert:innen „in eigener Sache“ zu obigen Themen wurde im Sinne eines Partizipativen Ansatzes der Tagung ein intensiver Austausch untereinander ermöglicht. Aber auch die Pflege von „Netzwerken“ war bei allen Veranstaltungen ein Thema.
Vor dem Hintergrund fehlender gesetzlicher Vorgaben für eine „Klienten-Vertretung“ in der bundesdeutschen Wohnungslosenhilfe gibt es beim Thema „Partizipation“ aus Sicht „betroffener“ oder „betreuter“ Menschen in der Wohnungslosenhilfe noch einiges zu tun.
Tagungsverlauf
Der Donnerstag
Dieser Tag begann mit der Begrüßung aller Teilnehmenden, einigen Grußworten und einer Einführung von Prof. Frank Sowa als Gastgeber der Tagung:
„Über prekäres Wohnen und Wohnungslosigkeit als soziale Probleme“
Nach dem Mittagessen ging es mit einer Lesung des Buches „DIE ANDEREN – die harte Realität der Obdachlosigkeit“, zu der die Autorin Janita-Marja Juvonen eingeladen war.
Danach wurden verschiedene Arbeitsgruppen angeboten, in denen zu verschiedene Arbeitsgruppen ihre Arbeiten zu folgenden Themen vorstellten und auch zur Diskussion stellten:
- Ordnungsrechtliche Unterbringung
- Wohnungs- und Obdachlosenhilfe
- Wohnungsmarkt
- Partizipation & Empowerment
- Buchvorstellung – Das Unbehagen am Rande des Bürgersteigs
- Posterpräsentation im Foyer:
Selbstdarstellung von Forschungsprojekten, Initiativen und
Projekten von „Expert:innen in eigener Sache“ - Open Space 1: Architektonische & sozialarbeiterische
Perspektiven auf Obdach- und Wohnungslosigkeit - Straßenkreuzer: Virtuelle Stadtführung – „Vom Leben auf der Straße“
Nach dem Abendessen gab es dann noch eine Filmvorführung mit Diskussion:
Ein Haus für Alle – was wir brauchen, was wir können
(von Shania Casado Cimring und dem Medienkollektiv Frankfurt, 2023)
Zum Abschluss des Tages folgte dann noch ein Konzert des Bandprojekts
„50 Years Later“ der Fakultät Sozialwissenschaften der Ohm Nürnberg
Der Freitag
Der zweite Konferenztag brachte zahlreiche Einblicke in weitere Themenbereiche, zu denen jeweils mehrere Arbeitsgruppen von ihrer Arbeit in den Projekten berichteten.
- Session 4: Wohnverhältnisse
- Open Space 2:
Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit im ländlichen Raum - Open Space 3:
Dreaming Change - Session 5: Jugendliche
- Session 6: Prekarität
- Session 7: Alltag und Beziehungen
- Ad-Hoc-Gruppe 2:
Home-unmaking - Session 8: (Un-)Sichtbarkeit
- Session 9: Gesundheit
- Ad-Hoc-Gruppe 3:
Professionsdiskurse Sozialer Arbeit - Open Space 4:
- Herausforderungen und Zukunftsthemen
für die interdisziplinäre Forschung - Open Space 5:
Selbstvertretung trifft Forschung - Open Space 6:
- Kollektive Selbstwirksamkeit wohnungsloser Menschen
- Open Space 7:
Treffen für Promovierende & Promotionsinteressierte - Open Space 8:
Netzwerktreffen Wohnungslosigkeitsforschung
Nach dem gemeinsamen (wieder sehr leckerem Abendessen) folgten noch eine weitere Lesung:
„Der Sandler“ – ein Buch von Markus Ostermair.
Zum Abschluss des Tages gab es dann noch einen Poetry Slam mit musikalischer Begleitung der Gruppe „Zweifel und Caecilia“, den Akim Gubara moderierte (einer der zahlreichen helfenden Studierenden des Organisationsteams der Tagung),
Der Sonnabend
Der Vormittag war noch einmal gut gefüllt mit weiteren großen Themen rund um prekäres Wohnen und Wohnungsnot:
- Session 10: Gestaltung & Nutzung von Wohnraum
- Session 11: Profession und Fachperspektiven
- Session 12: Räume
- Ad-Hoc-Gruppe 4:
„Problematizing the ‘problem’ of homelessness“ - Ad-Hoc-Gruppe 5:
Peer-to-Peer, Need-to-Need,
Buttom up or Top down? - Open Space 9:
Kostenloser Nahverkehr für wohnungslose Menschen - Open Space 10:
Securing Housing – „Wohnungslosigkeit bis 2030 beenden?“ - Open Space 11:
Schlafquartier - Buchvorstellung 2: Intersektionalität und Gewalt
- Buchvorstellung 3: Förderung der seelischen Gesundheit
(Ein allerletztes optionales Angebot war dann noch eine weitere Stadtführung mit dem Straßenkreuzer (dem Straßenmagazin für Nürnberg), das noch nach der Abschlussveranstaltung angeboten wurde.)
Nach einem erneut sehr leckerem Mittagessen folgte dann (als Open Space 12) die …
Gemeinsame Abschlussveranstaltung:
„WoloKon weitergedacht“
… was kommt nach der WoloKon24?
Allen Teilnehmenden sollte spätestens bei dieser Zusammenkunft bewusst geworden sein, dass das Ziel „Wohnungslosigkeit bis 2030 beenden?“ von EU und auch unserer Bundesregierung (die dabei schon lieber von „überwinden“ redet) für Deutschland und auch viele andere EU-Staaten schwer zu erreichen sein wird.
Das wird ein langer und schwieriger Weg sein, auf dem diese Konferenz zumindest eine aktuelle Bestandsaufnahme und verschiedene Möglichkeiten zur Linderung – bestenfalls zum Abbau? – der aktuell existierenden Wohnungsnot geboten hat.
Prekäres Wohnen & Wohnungslosigkeit
in Zeiten multipler Krisen
… ist dabei besonders aus Sicht der von Wohnungsnot oder gar von Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen schon ein sehr passender Konferenztitel gewesen.
Positiv gesehen können wir sagen: „Wir haben uns auf den Weg gemacht.“ – die Problematik um dieses „prekäre Wohnen“ muss aber offenbar vielen Politikern und Entscheidungsträger:innen noch viel deutlicher gemacht werden. Wir als Redaktion und Mitglieder der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. werden das weiter kritisch verfolgen und hinterfragen.
Wir kommen gerne wieder nach Nürnberg in die „Ohm“, um dann auch von der nächsten WoloKon202x zu berichten – oder um gar die Beendigung der Wohnungslosigkeit in Europa 2030 zu feiern?
Fazit
Unsere Redaktion und auch alle Teilnehmenden als Mitglieder der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V. waren mit unserem Konferenzbesuch sehr zufrieden. Es war eine gute Gelegenheit, die Bekanntheit der Selbstvertretung als Selbsthilfe-Gruppe für Menschen mit Erfahrungen von Obdach- oder Wohnungslosigkeit auszubauen.
Wir alle sehen die Arbeit der Selbstvertretung als wichtigen Baustein an, benachteiligte Menschen mit Erfahrungen von Obdach- oder Wohnungslosigkeit, Wohnungsnot, Armut und oft auch Ausgrenzung eine Möglichkeit zu bieten, um über ihre Erfahrungen, ihr Leben und ihre Wünsche zu berichten.
Unserer Erfahrung nach gibt es eben immer noch eine viel zu große Soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft, die einzelne Menschen oder aber auch ganze Gruppen von Menschen oft an den Rand der Gesellschaft drängt.
Es besteht offenbar immer noch ein erheblicher Aufklärungsbedarf dafür, dass in einer friedlich und demokratisch zusammenlebenden Nation eine Grundausstattung mit ausreichenden Ressourcen nötig ist, um eine angemessene gesellschaftliche Teilhabe für alle zu ermöglichen.
Dazu gehören neben einer bezahlbaren Wohnung, ausreichender Gesundheitsvorsorge und Krankenversorgung sicher auch eine angemessene finanzielle Versorgung, die sich ein Staat – auch im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft – leisten (können) sollte!