Eine Bewohnerin des beschaulichen Örtchens Neustadt-Glewe sagte: „Hier bei uns ist es das ganze Jahr über so ruhig, das eine Mal im Jahr nehmen wir das in Kauf.“ Gemeint sind die Bässe vom Festival Airbeat One, die vom Flugplatz der Kleinstadt bis in die Wohngegend wahrnehmbar rein wummern, und das drei Nächte in Folge.
Das Airbeat One-Festival, das größte Spektakel elektronischer Musik in Norddeutschland, lockte bei seiner Ausgabe 2017 etwa 45.000 Besucher aus allen Regionen Deutschlands zum Durchfeiern in die mecklenburgische Gemeinde. Vom 12. bis zum 15. Juli wurde bei Beats, Bässen und vibrierenden Böden gedanct, was die Moves hergaben.
Und das Kommen hat sich für das zumeist junge Publikum gelohnt, denn zum Auflegen erschienen etliche internationale DJs zum Auflegen. 163 unterschiedliche Künstler auf sechs verschiedenen Bühnen – dazu ein kleiner Jahrmarkt auf dem Festivalgelände – für Abwechslung war in jeder Hinsicht gesorgt. Optisch waren alle Bühnen an das offiziellen Motto „Airbeat One 2017 – Eine Reise in die USA“ perfekt angepasst mit beeindruckenden nordamerikanischen Motiven.
Doch der Reihe nach: Wer zum VIP gehörte, durfte sich bereits am 12. Juli beim inoffiziellen Start in der VIP-Waterworld eingrooven auf das, was in den Tagen danach noch folgen sollte. In entspannter Atmosphäre, bei dem ein oder anderen „feinen Tröpfchen“, zeigten talentierte Musiker ihr Können. Für alle anderen Besucher war dieser Tag der offizielle Tag zum Anreisen und Einchecken. Anschließend konnte man es sich im Wohnwagen oder im Zelt schon mal gemütlich machen.
Und dann kam der 13. Juli, nun war das Festival offiziell und für alle eröffnet. Und die ersten internationalen Größen waren vor Ort im Einsatz, um die Partykorken so richtig zum Knallen zu bringen. Auf der Mainstage ging es los mit dem italienischen Brüderpaar Vinai, gefolgt von dem erfolgsverwöhnten Produzenten-Duo Ostblockschlampen. Die DJanes verwöhnten die Tanzwütigen Fans nicht nur mit ihrem bekannten EDM-Style. Spätestens bei der in typisch amerikanisch gehaltenen Konfettiparade war jedem Partygast klar – Airbeat One 2017 läuft. Da durfte auch der aktuelle Hit „The Dab Is Dead“ nicht fehlen.
Auf der Bühne „Terminal-Stage“ brachten während dessen die Chartstürmer Alle Farben und Gestört aber GeiL die Massen zum Kochen, zur fast gleichen Zeit machte auf der Q‑Stage ein Dauerbrenner sich an die Turntables. Kein geringerer als The Prophet gab sich die Ehre. Der niederländische DJ, der schon seit über drei Jahrzehnten auflegt, bewies auch in Neustadt-Glewe, das es für Hardcore-Techno kein Alterslimit nach oben gibt. Bei den unzähligen Hits, die er seither herausgebracht hatte, waren seine 60 Minuten absoluter Kurzweil.
Auf der Mainstage wartete nach bekannten Größen wie Oliver Heldens und Axwell Ingrosso der nächste internationale Kracher auf die Gäste. Armin van Buuren gehört seit mindestens zwei Generationen zu den DJs, der auch Fans abseits der üblichen Szenerie begeistert. Genau 20 Jahre nach seinem erstmaligen Chart-Einstieg feierte der Niederländer mit perfekter Bühnenshow und Feuerwerken seine vielen Hits mit dem Publikum.
Etwa zehn Jahre später begann die Erfolgsstory der Noisecontrollers. Seit knapp vier Jahren besteht das ursprüngliche Duett nur noch aus dem Gründungsmitglied Bas Oskam, den Erfolg von Noisecontrollers mindert das kein bisschen, wie die Massen vor der Bühne bewiesen.
Die erste Nacht war zum Tage gemacht, aber es galt nicht schlapp machen bei den Feiernden, denn auch der zweite Tag hatte es in sich. Vor allem die Mainstage lockte wieder mit der Crème de la Crème der internationalen Partyszene. Bereits zu früher Abendstunde startete Paul Kalkbrenner mit seinem Programm. Nicht nur der einstige Charterfolg „Sky And Sand“, mit der die Karriere des Leipzigers begann – auch etliche Veröffentlichungen aus dem Nummer 1 Album „7“ zeigten die Vielfalt des mitunter exzentrischen Künstlers.
Für die Massen, die sich schon während der Kalkbrenner-Show zur Bühne bewegten, wartete direkt im Anschluss das nächste Sahnehäubchen – Tiësto. Spätestens jetzt war Stillstehen verboten, seit der Jahrtausendwende retten seine rhythmischen Beats jede Party. Konzentriert, aber bestens gelaunt, sorgte der Grammy-Gewinner dafür, das die 90 Minuten wie im Fluge vergingen.
Das Tageslicht ging, Nacht zwei noch lange nicht. Progressive House heißt der offizielle Stil von Robbert van de Corput alias Hardwell. Seine Musik ist sehr experimentell, aber genau hierfür wird er nicht nur von seinen Fans geschätzt, wie seine zahlreichen Auszeichnungen, u. a. die MTV European Music Awards beweisen. Auf dem Flugplatzgelände gab es verständlicherweise nur Beifall, die ehrlichste Währung für jeden Musiker.
Dimitri Vegas, Yellow Claw und Will Sparks waren weitere Garantien dafür, das es auf der Mainstage nicht müde wurde. Das Publikum im Terminal unterhielt sich währenddessen beim Nachwuchs. Allerdings ist seit „Faded“ aus dem Jahr 2015 der Name Alan Walker kein No Name mehr. Das der weltweite Nummer-1-Hit keine Eintagsfliege ist, beweisen seine Nachfolgehits „Sing Me To Sleep“, „Alone“ und „Tired“. Von dem Briten, der in wenigen Wochen 20 Jahre jung wird, dürfen die Fans zurecht noch einiges erwarten.
Als am 16. Juli der Tag anbrach, verdrängten viele im Unterbewusstsein, das bereits der letzte Tag vom Airbeat One 2017 anbrach. Die Freude auf den Festival-Abend wuchs um so mehr. Zu recht, denn weitere Highlights standen dazu an.
Jubel brandete nicht nur auf, „Jubel“ hieß vor vier Jahren auch der internationale Durchbruch der französischen Projektmusiker Klingande. DJ Sound mit einer einzigartigen melodischen Feinheit, damit machten sich Cedric und Edgar unsterblich. In ihrem aktuellen Tourneeplan war auch noch Platz für einen Auftritt beim Airbeat One.
Nach dem Terminal-Auftritt von Klingande betrat der nächste britische Hoffnungsschimmer die Bühne, seit „Fast Car“ im vergangenen Jahr kann sich Jonas Blue vor Preisen nicht mehr retten.
Auf der Mainstage sorgte Nicky Romero für Stimmung. Seine Sammlung von veröffentlichten Singles seit fast zehn Jahren ließ die Massen nicht still stehen. Charterfolge wie „Wild One Two“ oder „I Could Be The One“ durften da natürlich nicht fehlen.
Punkt Mitternacht, passend zu den Live-Rhythmen von Schweden-Export Galantis, wurde die Party durch ein Feuerwerk abgerundet. „Runaway“, einer der großen Erfolge der Skandinavier, machte vor Staunen natürlich keiner zu diesem Zeitpunkt.
Man gewann den Eindruck, die Raketen passten sich der Musik taktgenau an. Spätestens jetzt hat auch jeder Nicht-Insider Songs wie „No Money“ oder „Hunter“ im Ohr.
Das Feuerwerk ging vorbei, die Show noch lange nicht. Denn im Terminal stand nun einer der derzeit erfolgreichsten deutschen Musiker überhaupt auf der Bühne. Felix Jaehn, der neben eigenen Hits auch einigen anderen Kollegen schon sehr erfolgreich zur Seite stand, zeigte, was seine Klasse ausmacht. Kompliment, denn selten genug werden Künstler aus der elektronischen Szene mit dem Bambi ausgezeichnet, so wie Jaehn im vergangenen Jahr.
Aber auch Tag Drei war leider viel zu schnell zu Ende, bei Tagesanbruch hieß es Zelte abbauen, sein eigenes Lager aufräumen, und Abschied nehmen von neu gewonnenen Freunden. Als die ersten Besucher alles verstaut hatten, hatte Petrus mit den stark beanspruchten Wiesen ein Einsehen, und ein wenig Regen setzte ein. An den Tagen zuvor war er den Gästen gnädig und sorgte während der Veranstaltung dafür, dass bei Temperaturen über 20 Grad und Sonnenschein aus dem Fest keine Schlammparty wurde.
Und was bleibt als Fazit? Egal, ob man sich für die Elektro-Musik begeistern oder nur bedingt begeistern kann – es ist faszinierend, wie viele junge Menschen in der Musik aufgehen, und gemeinsam sich, sowie das Hier und Jetzt einfach nur genießen. Und das zusammen, egal ob arm oder reich, egal, welche Hautfarbe oder Herkunft. Jeder ist, wie er ist, und so kann er sich auf solch einer Veranstaltung auch zeigen. Von ganz minimalen Zwischenfällen abgesehen zeigte der überwiegende Großteil der Anwesenden, wie ein Miteinander funktioniert.
Wer sich davon auch mal überzeugen will, kann es in der Zeit vom 11. – 15. Juli 2018 in Neustadt-Glewe hautnah erleben – dann heißt es Airbeat One 2018.