Collage Sozialer Arbeitsmarkt (Wikipedia / F.O.Z. - Hubertus Heil und Franz Seldte - Version Zwo - 2018 / 1933)

Heils Gesetze – SPD will Arbeits­dienst wieder einführen

Als konse­quente Weiter­ent­wick­lung von Hartz IV "überlegt" die GroKo auf Initia­tive der SPD die Einfüh­rung eines soge­nannten „soli­da­ri­schen Grund­ein­kom­mens“ bzw. eines „sozialen Arbeits­marktes“. Die SPD hat in den letzten Jahren mit den Begriffen „Soli­da­rität“ und „Sozial“ schon öfter ihre Schwie­rig­keiten gehabt, diese Inter­pre­ta­tion schlägt aber sogar die der AfD um mehrere Längen. Beide Begriffe und Pläne sind natürlich innerhalb der SPD umstritten, die ja schon länger ihre eigene Oppo­si­tion zur Arbeit mitbringt. Man muss aber schon über die Ideen an sich erstaunt sein.

Nun ist es nicht verwerf­lich, ehren­amt­liche Tätig­keiten, die inzwi­schen einen Großteil des staat­li­chen sozialen Enga­ge­ments ersetzt haben, endlich zu bezahlen, zumal viele dieser Tätig­keiten in der Tat bereits von Arbeits­losen ausge­führt werden (natürlich unent­gelt­lich). Das ist aber offenbar nicht die Intention dieses natio­nalen Sozi­al­plans. Statt­dessen sollen Lang­zeit­ar­beits­lose (ange­dachter Mindest­bezug von ALG II: 8 Jahre) nicht näher defi­nierte gemein­nüt­zige Arbeiten zum Mindest­lohn verrichten, die von den kommu­nalen Jobcen­tern, die sich ja bereits mit der Auswahl der Maßnahmen für ihre lang­fris­tigen Klienten hervor­getan haben, ausge­wählt werden sollen. Die Finan­zie­rung dieser Maßnahmen bleibt dann wohl den Kommunen über­lassen, die ja, wie man im Bereich des sozialen Wohnungsbau sieht, ohnehin nicht wissen, wohin mit dem Geld.

Dieser Ansatz gefällt durchaus den ausfüh­renden Insti­tu­tionen (sofern sie den Arbeit­ge­ber­ver­bänden nahe­stehen): Das Institut für Arbeits­markt- und Berufs­for­schung (IAB) hat Modell­pro­jekte in Jobcen­tern in Nordrhein-Westfalen ausge­wertet. In dem IAB-Bericht aus dem Jahr 2016 heißt es: „Für viele Geför­derte ist die Aufnahme einer Beratung zugleich der Beginn einer Bear­bei­tung der persön­li­chen Probleme, die den Zugang zum allge­meinen Arbeits­markt beein­träch­tigen.“ Zu den positiven Wirkungen bei vielen Teil­neh­mern zählten demnach „eine Erhöhung von Ausdauer, Kondition und Leistungsfähigkeit“.

Reichsbanner siedelt! Freiwlliger Arbeitsdienst des Reichsbanners an der Talsperre Lehnmühle im Erzgebirge. Alle Arbeitsfreiwilligen sind Handwerker und erhalten ausser freier Beköstigung und Unterkunft 50 Pf. täglich. Reichsbannerleute des Freiwilligen Arbeitsdienstes bei Erdarbeiten - Von Bundesarchiv, Bild 102-12723 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5480668
„Reichs­banner siedelt!“ Frei­wil­liger Arbeits­dienst des Reichs­ban­ners an der Talsperre Lehnmühle im Erzge­birge. Alle Arbeits­frei­wil­ligen sind Hand­werker und erhalten außer freier Bekös­ti­gung und Unter­kunft 50 Pf. täglich.
Quelle: Reichs­ban­ner­leute des Frei­wil­ligen Arbeits­dienstes bei Erdar­beiten – Bundes­ar­chiv, Bild 102–12723 / CC-BY-SA 3.0 (https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5480668)

Erstaun­li­cher­weise (oder viel­leicht auch nicht) deckt sich diese Prognose mit den Begrün­dungen der Weimarer Republik für die Einfüh­rung des FAD (Frei­wil­liger Arbeits­dienst) der dann später in den Reichs­ar­beits­dienst der Nazis überführt wurde. Wikipedia schreibt:

"Die Wurzeln des FAD lagen in der ersten Nach­kriegs­zeit [des 1. Welt­kriegs], als die Forderung nach einem „Ersatz für die verloren gegangene Erzie­hungs­schule des Heeres“ erhoben wurde. [1] Poli­ti­schen Nachdruck erhielt dieser Gedanke jedoch erst durch die immense Zunahme der Arbeits­lo­sig­keit nach 1929. Die Rechts­par­teien, darunter die NSDAP, hatten seit Beginn der Welt­wirt­schafts­krise nach­drück­lich eine Arbeits­dienst­pflicht gefordert; der FAD war somit ein poli­ti­sches Zuge­ständnis der Regierung des Reichs­kanz­lers Heinrich Brüning an die Rechte. [2] […] Dies waren Maßnahmen, die der Boden­ver­bes­se­rung, der Herrich­tung von Siedlungs- und Klein­gar­ten­land, der örtlichen Verkehrs­ver­bes­se­rung und der Hebung der Volks­ge­sund­heit dienten. Träger der Maßnahmen konnten nur Körper­schaften des öffent­li­chen Rechts und solche Verei­ni­gungen oder Stif­tungen sein, die gemein­nüt­zige Ziele verfolgten. Dazu zählten Jugend­bünde, Verbände, poli­ti­sche Parteien, konfes­sio­nelle Verei­ni­gungen, Jugend­gruppen, Bewe­gungen aller Art, Gewerk­schaften, aber auch Mili­tär­freunde und ‑gegner. [4]"

Und? Hört sich das ange­sichts der aktuellen Diskus­sion vertraut an?

Natürlich ist die Teilnahme und die Besetzung der ange­dachten neuen und der Gemein­schaft dienenden 150.000 Arbeits­plätze frei­willig. Und was frei­willig in Zeiten von ALG II heisst, das wissen wir ja alle.

Ja, von der SPD lernen heißt offen­sicht­lich aus der Geschichte lernen. Fürs Erste können die „neuen Frei­wil­ligen“ ja schon mal helfen Herrn Seehofers Abschie­be­lager zu bauen. Das wäre zumindest histo­risch konse­quent. Schließ­lich war das erste Projekt des von den Nazis einge­führten Reichs­ar­beits­dienstes die Errich­tung des Konzen­tra­ti­ons­la­gers Dachau.

Für die Lösung des Wohnungs­lo­sen­pro­blems werden wahr­schein­lich bereits größere umzäunte Gebiete mit Grup­pen­un­ter­künften geplant, die von sozi­al­päd­ago­gisch geschultem Sicher­heits­per­sonal unter­stützt werden und deren Bewohner dann ohne großen logis­ti­schen Aufwand dem sozialen Arbeits­markt, gerne auch in Gruppen, zugeführt werden können. Leicht erkenn­bare und prak­ti­sche Arbeits­klei­dung kann gestellt werden. Über Methoden der Moti­va­ti­ons­stei­ge­rung wird noch nach­ge­dacht. Die bevor­zugte Werbe­agentur der Agentur für Arbeit beschäf­tigt sich bereits konzen­triert mit dem zu vermei­denden Begriff „Arbeits­lager“.

Wir sehen vor unserem geistigen Auge schon froh­ge­mute Arbeits­ko­lonnen mit einem ener­gi­schen „Heil Hubertus“ zu ihren Tätig­keiten im Rahmen des „sozialen Arbeits­marktes“ antreten. Schließ­lich bedürfen die maroden deutschen Auto­bahnen auch aus sozialen Gründen dringend der Reno­vie­rung. Eine endgül­tige Lösung des Problems ist das zwar nicht. Aber immerhin ein Anfang.

Collage Sozialer Arbeitsmarkt (Wikipedia / F.O.Z. - Hubertus Heil und Franz Seldte - 2018 / 1933)

Natürlich sind die über­spitz­teren Prognosen im voran­ge­gan­genen Text dem heutigen Tag geschuldet. Was sich aller­dings als reiner April­scherz heraus­stellen wird, das wird erst die Zukunft erweisen.

Wir sind wie immer der Meinung: Wehret den Anfängen! Natürlich unter­stützen wir jede Initia­tive, die die Arbeit der ehren­amt­li­chen Helfer, wo auch immer in diesem Land unter­stützt. Wenn sich tatsäch­lich Arbeits­lose eine ehren­amt­liche Tätigkeit in ihrer Gemeinde suchen könnten und dabei finan­ziell gefördert würden, wäre das durchaus ein Fortschritt.

Weil der Staat damit anerkennt, dass die ehren­amt­li­chen Helfer in diesem Land ohnehin die Arbeit machen, die in den letzten 20 Jahren von unseren Regie­rungen vernach­läs­sigt wurden. Sei es in der Alten­pflege, in den vielen Flücht­lings­in­itia­tiven, in Brei­ten­sport­ver­einen, in den Jugend­ver­bänden, im Kata­stro­phen­schutz und was derlei Tätig­keiten mehr sind.

Geschätzte 23 Millionen frei­wil­lige und ehren­amt­liche Helfer weist Deutsch­land pro Jahr auf, die sich unent­gelt­lich dafür aufreiben, die Arbeiten zu machen, zu der die öffent­liche Hand offen­sicht­lich nicht mehr in der Lage ist. Der soge­nannte soziale Arbeits­markt ist längst vorhanden, Herr Heil. Wir brauchen keinen Neuen.

Was die ange­dachte Abschaf­fung von Hartz IV angeht – wäre es viel­leicht nützlich, nach Lösungen nicht im AfD-Programm zu suchen, sondern mit den Betrof­fenen zu reden und zusam­men­zu­ar­beiten? Und viel­leicht davon abzu­kommen, das die Arbeit für den Lebens­un­ter­halt eine mora­li­sche Verpflich­tung ist? Bis jetzt ist sie das nämlich immer nur für arme Menschen gewesen. Das hat etwas mit sozialer Ungleich­heit und eventuell mit Kapi­ta­lismus zu tun. Mit Moral sicher­lich nicht.

Die Redaktion der Frei­stätter Online Zeitung wünscht einen schönen ersten April und frohe Ostern.