Als konsequente Weiterentwicklung von Hartz IV "überlegt" die GroKo auf Initiative der SPD die Einführung eines sogenannten „solidarischen Grundeinkommens“ bzw. eines „sozialen Arbeitsmarktes“. Die SPD hat in den letzten Jahren mit den Begriffen „Solidarität“ und „Sozial“ schon öfter ihre Schwierigkeiten gehabt, diese Interpretation schlägt aber sogar die der AfD um mehrere Längen. Beide Begriffe und Pläne sind natürlich innerhalb der SPD umstritten, die ja schon länger ihre eigene Opposition zur Arbeit mitbringt. Man muss aber schon über die Ideen an sich erstaunt sein.
Nun ist es nicht verwerflich, ehrenamtliche Tätigkeiten, die inzwischen einen Großteil des staatlichen sozialen Engagements ersetzt haben, endlich zu bezahlen, zumal viele dieser Tätigkeiten in der Tat bereits von Arbeitslosen ausgeführt werden (natürlich unentgeltlich). Das ist aber offenbar nicht die Intention dieses nationalen Sozialplans. Stattdessen sollen Langzeitarbeitslose (angedachter Mindestbezug von ALG II: 8 Jahre) nicht näher definierte gemeinnützige Arbeiten zum Mindestlohn verrichten, die von den kommunalen Jobcentern, die sich ja bereits mit der Auswahl der Maßnahmen für ihre langfristigen Klienten hervorgetan haben, ausgewählt werden sollen. Die Finanzierung dieser Maßnahmen bleibt dann wohl den Kommunen überlassen, die ja, wie man im Bereich des sozialen Wohnungsbau sieht, ohnehin nicht wissen, wohin mit dem Geld.
Dieser Ansatz gefällt durchaus den ausführenden Institutionen (sofern sie den Arbeitgeberverbänden nahestehen): Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat Modellprojekte in Jobcentern in Nordrhein-Westfalen ausgewertet. In dem IAB-Bericht aus dem Jahr 2016 heißt es: „Für viele Geförderte ist die Aufnahme einer Beratung zugleich der Beginn einer Bearbeitung der persönlichen Probleme, die den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt beeinträchtigen.“ Zu den positiven Wirkungen bei vielen Teilnehmern zählten demnach „eine Erhöhung von Ausdauer, Kondition und Leistungsfähigkeit“.
Erstaunlicherweise (oder vielleicht auch nicht) deckt sich diese Prognose mit den Begründungen der Weimarer Republik für die Einführung des FAD (Freiwilliger Arbeitsdienst) der dann später in den Reichsarbeitsdienst der Nazis überführt wurde. Wikipedia schreibt:
"Die Wurzeln des FAD lagen in der ersten Nachkriegszeit [des 1. Weltkriegs], als die Forderung nach einem „Ersatz für die verloren gegangene Erziehungsschule des Heeres“ erhoben wurde. [1] Politischen Nachdruck erhielt dieser Gedanke jedoch erst durch die immense Zunahme der Arbeitslosigkeit nach 1929. Die Rechtsparteien, darunter die NSDAP, hatten seit Beginn der Weltwirtschaftskrise nachdrücklich eine Arbeitsdienstpflicht gefordert; der FAD war somit ein politisches Zugeständnis der Regierung des Reichskanzlers Heinrich Brüning an die Rechte. [2] […] Dies waren Maßnahmen, die der Bodenverbesserung, der Herrichtung von Siedlungs- und Kleingartenland, der örtlichen Verkehrsverbesserung und der Hebung der Volksgesundheit dienten. Träger der Maßnahmen konnten nur Körperschaften des öffentlichen Rechts und solche Vereinigungen oder Stiftungen sein, die gemeinnützige Ziele verfolgten. Dazu zählten Jugendbünde, Verbände, politische Parteien, konfessionelle Vereinigungen, Jugendgruppen, Bewegungen aller Art, Gewerkschaften, aber auch Militärfreunde und ‑gegner. [4]"
Und? Hört sich das angesichts der aktuellen Diskussion vertraut an?
Natürlich ist die Teilnahme und die Besetzung der angedachten neuen und der Gemeinschaft dienenden 150.000 Arbeitsplätze freiwillig. Und was freiwillig in Zeiten von ALG II heisst, das wissen wir ja alle.
Ja, von der SPD lernen heißt offensichtlich aus der Geschichte lernen. Fürs Erste können die „neuen Freiwilligen“ ja schon mal helfen Herrn Seehofers Abschiebelager zu bauen. Das wäre zumindest historisch konsequent. Schließlich war das erste Projekt des von den Nazis eingeführten Reichsarbeitsdienstes die Errichtung des Konzentrationslagers Dachau.
Für die Lösung des Wohnungslosenproblems werden wahrscheinlich bereits größere umzäunte Gebiete mit Gruppenunterkünften geplant, die von sozialpädagogisch geschultem Sicherheitspersonal unterstützt werden und deren Bewohner dann ohne großen logistischen Aufwand dem sozialen Arbeitsmarkt, gerne auch in Gruppen, zugeführt werden können. Leicht erkennbare und praktische Arbeitskleidung kann gestellt werden. Über Methoden der Motivationssteigerung wird noch nachgedacht. Die bevorzugte Werbeagentur der Agentur für Arbeit beschäftigt sich bereits konzentriert mit dem zu vermeidenden Begriff „Arbeitslager“.
Wir sehen vor unserem geistigen Auge schon frohgemute Arbeitskolonnen mit einem energischen „Heil Hubertus“ zu ihren Tätigkeiten im Rahmen des „sozialen Arbeitsmarktes“ antreten. Schließlich bedürfen die maroden deutschen Autobahnen auch aus sozialen Gründen dringend der Renovierung. Eine endgültige Lösung des Problems ist das zwar nicht. Aber immerhin ein Anfang.
Natürlich sind die überspitzteren Prognosen im vorangegangenen Text dem heutigen Tag geschuldet. Was sich allerdings als reiner Aprilscherz herausstellen wird, das wird erst die Zukunft erweisen.
Wir sind wie immer der Meinung: Wehret den Anfängen! Natürlich unterstützen wir jede Initiative, die die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer, wo auch immer in diesem Land unterstützt. Wenn sich tatsächlich Arbeitslose eine ehrenamtliche Tätigkeit in ihrer Gemeinde suchen könnten und dabei finanziell gefördert würden, wäre das durchaus ein Fortschritt.
Weil der Staat damit anerkennt, dass die ehrenamtlichen Helfer in diesem Land ohnehin die Arbeit machen, die in den letzten 20 Jahren von unseren Regierungen vernachlässigt wurden. Sei es in der Altenpflege, in den vielen Flüchtlingsinitiativen, in Breitensportvereinen, in den Jugendverbänden, im Katastrophenschutz und was derlei Tätigkeiten mehr sind.
Geschätzte 23 Millionen freiwillige und ehrenamtliche Helfer weist Deutschland pro Jahr auf, die sich unentgeltlich dafür aufreiben, die Arbeiten zu machen, zu der die öffentliche Hand offensichtlich nicht mehr in der Lage ist. Der sogenannte soziale Arbeitsmarkt ist längst vorhanden, Herr Heil. Wir brauchen keinen Neuen.
Was die angedachte Abschaffung von Hartz IV angeht – wäre es vielleicht nützlich, nach Lösungen nicht im AfD-Programm zu suchen, sondern mit den Betroffenen zu reden und zusammenzuarbeiten? Und vielleicht davon abzukommen, das die Arbeit für den Lebensunterhalt eine moralische Verpflichtung ist? Bis jetzt ist sie das nämlich immer nur für arme Menschen gewesen. Das hat etwas mit sozialer Ungleichheit und eventuell mit Kapitalismus zu tun. Mit Moral sicherlich nicht.
Die Redaktion der Freistätter Online Zeitung wünscht einen schönen ersten April und frohe Ostern.