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Früh­lings­haftes Fort­bil­dungs­se­minar im Februar

In den nächsten Tagen über­nehmen wieder die Narren und die Jecken die Regent­schaft. Eine ihrer ursprüng­li­chen Missionen ist dabei, den Winter auszu­treiben. Nicht so im Jahr 2019. Als sich  26 Studenten zum zwei­tä­gigen praxis­nahen Fort­bil­dungs­se­minar mit Wohnungs­losen in der Univer­sität Vechta einfanden, war der kalten Jahres­zeit bereits die Puste ausge­gangen, und bei 15 Grad im Schatten stellten sich bei einigen Teil­neh­menden Früh­lings­ge­fühle ein.

Für Frank Kruse als Bereichs­leiter der Wohnungs­lo­sen­hilfe Freistatt war dieses Fort­bil­dungs­se­minar nichts Neues. Seit zehn Jahren gibt er Seminare für junge Menschen, die sich für eine Ausbil­dung in sozialen  bzw. sozi­al­päd­ago­gi­schen Berufs­zweigen entschieden haben. Auch für sein Begleit­team, Janine Husmann von der Projekt­lei­tung der Wohnungs­lo­sen­hilfe, sowie zwei Bewohner der Diakonie, fand diese Veran­stal­tung bereits zum vierten Mal statt, sowie ein zweites Mal an zwei Tagen. Dennoch war am 26. und 27. Februar 2019 einiges neu.

Wie in den vorhe­rigen Seminaren wurden die 26 Teil­nehmer in Grup­pen­ar­beiten dazu bewogen, das Bild, dass sie von wohnungs­losen Menschen haben, zu offen­baren. Die enga­gierten Berufs­an­fänger brachten ebenso vertraute wie neue Gedanken auf. Erstmalig fand sich die Antwort "Menschen wie du und ich" unter den Sicht­weisen. Auf die ersten Arbeiten folgte ein theo­re­ti­scher Teil der gesetz­li­chen Grund­lagen innerhalb der sozi­al­päd­ago­gi­schen Arbeit. Frank Kruse erzählte anschlie­ßend die Geschichte der Wohnungs­lo­sig­keit, die durch ein Quiz ergänzt wurde.

Im zweiten Tages­ab­schnitt bekamen die Studenten die Aufgabe, einen Prototyp mit Hilfe­an­ge­boten zu entwi­ckeln. Als Grundlage diente hierfür ein Interview mit zwei Wohnungs­losen. Schon hier zeichnete sich ab, dass sich das Bild, das viele der Teil­nehmer am Vormittag noch von der Wohnungs­lo­sig­keit hatten, sich mehr und mehr verän­derte. In einigen wuchs die Erkenntnis, wie wenig es im Leben braucht, um in eine solche Situation zu geraten.

Neu war die Abwick­lung des zweiten Tages des Fort­bild­dungs­se­mi­nares. Statt, wie bisher üblich, in der Univer­sität Vechta, trafen sich alle Betei­ligten in Freistatt. Das Leitungs­team reagierte damit auf die Anre­gungen vorhe­riger Semi­nar­teil­nehmer, die eine praxis­nahe Arbeit für sinnvoll halten. Im Haus Wegwende stellte Frank Kruse zunächst die Einrich­tung vor. Er berich­tete über die Arbeit der Sozi­al­ar­beiter, sowie über das Leben der Bewohner. Schnell stellten alle Anwe­senden fest, wie viel indi­vi­du­elle Arbeit nötig ist, um dem Einzelnen gerecht zu werden, und entspre­chend Hilfe­be­darf zu unter­breiten. Sozi­al­ar­bei­terin Christa Nagel erklärte dann auch das nötige Finger­spit­zen­ge­fühl, das nötig ist, damit eine Aufnahme sowie eine Kosten­über­nahme gelingt.

Am früh­lings­haften Nach­mittag wurde es dann so richtig praktisch. Der Verdau­ungs­spa­zier­gang nach dem Mittag­essen im Spei­se­saal führte die Gäste in die Aufnahme in Haus Linde. Dort doku­men­tierte dann Sozi­al­ar­bei­terin Angela Sieber die Aufnah­me­re­gu­la­rien. Während die Semi­nar­teil­nehmer in Gruppen ein Aufnah­me­zimmer gezeigt bekamen, übernahm Frank Kruse den theo­re­ti­schen Teil. Anschlie­ßend begaben sich die Teil­nehmer zur Bewoh­ner­ver­tre­tung. Die ehren­amt­li­chen Bewoh­ner­ver­treter Matthias und Hannes erklärten neben den eigenen Schick­salen auch die sinnvolle Arbeit, mit der sie selbst anderen Bewohnern eine Anlauf­sta­tion bei Problemen bieten.

Der Rundgang durch Freistatt führte nun in die Redaktion der Frei­stätter Online Zeitung. Wieder bekamen die Studenten einen Eindruck davon, was möglich ist, wenn selbst Betrof­fene sich in Eigen­in­itia­tive in die Arbeits­welt einbringen. Redakteur Christof konnte stolz behaupten, das aus den einstigen ersten Gehver­su­chen ein mitt­ler­weile über die Regionen aner­kanntes Magazin geworden ist. Immer mehr Insti­tu­tionen wollen in unseren Artikeln über ihre Ansichten und Arbeiten erwähnt werden.

Beim Abschlie­ßenden Kaffee und Kuchen, zurück im Haus Wegwende, gab es durchweg positives Feedback von den Teil­neh­mern.. Für die, die das Seminar geleitet hat es sich ebenso gelohnt, wieder 25 junge Menschen für das Thema Wohnungs­lo­sig­keit zu sensi­bi­li­sieren. Nicht jeder geht mit dem Berufs­wunsch, Arbeiten in der Wohnungs­lo­sen­hilfe, in sein Berufs­leben. Aber jeder geht mit einer ganz anderen Sicht­weise aus diesem Seminar. Das hilft in Zukunft nicht nur den Betrof­fenen, davon hat die Gesell­schaft insgesamt etwas.