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Stiftung Betheler Fach­aus­schuss zu Besuch in Freistatt

Unserer Redaktion war am vergan­genen Donnerstag, den 17.11.2022 zum Fach­aus­schuss Arbeit und beruf­liche Reha­bi­li­ta­tion der von Bodel­schwingh­schen Stif­tungen (vBS) einge­laden, um unsere Projekte Frei­stätter Online Zeitung und die Medi­en­werk­statt Freistatt mit dem dazu­ge­hö­rigen Bürger­radio Freistatt (radio.Freistatt.TV) vorzu­stellen. Die Besu­cher­runde in Haus Wegwende bestand aus Vertre­tenden vieler Unter­neh­mens­zweige der (vBS).

Beim Treffen vertreten waren die Hoff­nungs­taler Stiftung Lobetal bei Berlin, das ev. Kran­ken­haus Mara in Bielefeld, der Bereich Betriebe des Stif­tungs­be­reichs proWerk (für Arbeit und beruf­liche Reha­bi­li­ta­tion in Bielefeld), die Wohnungs­lo­sen­hilfe Freistatt von Bethel im Norden, der Bereich Control­ling und Finanzen der vBS, der Stif­tungs­be­reich Bethel.regional (Behin­derten- und Wohnungs­lo­sen­hilfe in den Regionen Ruhr­ge­biet und Bielefeld), die Stabs­stelle Unter­neh­mens­ent­wick­lung der vBS und die Stiftung Eben-Ezer aus der Region Lemgo.

Diese Treffen des Fach­aus­schusses der vBS finden bis zu drei mal jährlich an den verschie­denen Stand­orten der Unter­neh­mens­zweige von Bethel statt und dienen der gemein­samen Abstim­mung, dem Austausch über bestehende Akti­vi­täten und der Vorstel­lung neuer Projekte.

Claus Freye, einer der Geschäfts­füh­renden von Bethel im Norden und Frank Kruse (Bereichs­leiter WLH Freistatt) begrüßten zusammen mit Dr. Rainer Norden, dem stell­ver­tre­tenden Vorstands­vor­sit­zenden der von Bodel­schwingh­schen Stif­tungen, die Runde zunächst zu einer Vorstel­lung der Angebote von Bethel im Norden im Bereich Arbeit, Ausbil­dung und Beschäftigung.

Nach diesem Überblick wurden einzelne Projekte detail­lierter vorge­stellt, zunächst mit einem Vortrag von Rona Schla­gel­am­bers, der leitenden Sozi­al­ar­bei­terin des Modell­pro­jekts Freistatt.

Das Modell­pro­jekt Freistatt

Rona Schla­gel­am­bers hat zusammen mit Oliver Raddatz (Tisch­ler­meister und Fachkraft für Arbeits- und Berufs­för­de­rung) dieses Pilot-Projekt mitent­wi­ckelt, das in enger Absprache mit dem Jobcenter Sulingen und auf Initia­tive der Wohnungs­lo­sen­hilfe (WLH) Freistatt ermög­licht wurde.

Der offi­zi­elle Arbeits­titel des Projekts – Nieder­schwel­liges Angebot zu Beschäf­ti­gung und Tages­struktur – beschreibt die Ziel­rich­tung dieses bisher fehlenden Angebots recht gut, das speziell für Menschen, die aus unter­schied­li­chen Gründen längere Zeit keine geregelte Erwerbs­tä­tig­keit hatten, unter­stützen soll. In Freistatt betrifft das meist Menschen, die mindes­tens eine Lebens­phase mit Obdach- oder Wohnungs­lo­sig­keit erlebt haben, oft noch verbunden mit Suchtproblemen.

Das Modell­pro­jekt Freistatt unter­stützt seine Teil­neh­menden nach einem Phasenmodell:

Orien­tie­rungs­phase

Erstes Ziel ist ein gewisser Bezie­hungs­aufbau mit den Projekt­mit­ar­bei­tenden, also ein Vertrau­ens­aufbau um persön­liche Ressourcen wieder „zu entdecken“ aber auch um eine Moti­va­tion für eine weitere Teilnahme zu schaffen.

Stabi­li­sie­rungs­phase

Hier sollen soziale Kompe­tenzen weiter­ent­wi­ckelt werden, verbunden mit der Einübung und Festigung von Basisqualifikationen.

Perspek­tiv­phase

Eigene Ressourcen werden gemeinsam mit dem Teil­neh­menden reflek­tiert und mögliche Ziele der Teilnahme im Rahmen des Projekts werden abgeklärt.

Es wird aber auch die Möglich­keit externer Tätig­keiten geboten, z. Bsp. in Form von Praktika.

Ziel der Perspek­tiv­phase ist die Klärung, ob eine weitere Beschäf­ti­gung im Projekt oder ein Übergang in den Arbeits­markt für den Teil­neh­menden reali­sierbar sein kann.

Über­gangs­phase

Nach der Abklärung der Entwick­lungs­mög­lich­keiten des Teil­neh­menden werden die weiteren Umset­zungs­schritte definiert und idea­ler­weise umgesetzt. Dazu kommen Maßnahmen des SGB II in Frage oder aber auch Formen der Beschäf­ti­gung zur Teilhabe.

Rückblick: Drei Jahre Modellprojekt

Das Modell­pro­jekt ermög­licht nied­rig­schwel­lige Arbeits­mög­lich­keiten – und zwar in höherem Maße als bisherige „nieder­schwel­lige“ Angebote des Jobcen­ters – die jederzeit an die aktuelle Lebens­si­tua­tion der Teil­neh­menden angepasst werden können.

Dabei spielt das Thema „Moti­va­tion“ eine sehr wichtige Rolle:

Das sank­ti­ons­freie Angebot zur Mitarbeit bietet eine stun­den­weise „Moti­va­ti­ons­prämie“ – 2022 sind das in Freistatt 1,20 Euro in Anlehnung an die Mehr­auf­wands­ent­schä­di­gung in Arbeits­an­ge­le­gen­heiten des Jobcen­ters – im Rahmen von 10 bis 30 Wochen­ar­beits­stunden bei eigener Eintei­lung der Teilnehmenden.

Eine indi­vi­du­elle Förder­pla­nung wird erstellt und die Möglich­keit zur Umsetzung eigener Projekt­ideen kann angeboten werden. Auch eine Vermitt­lung und Beglei­tung in Praktika wird den Teil­neh­menden ermög­licht und eine Unter­stüt­zung bei der Kontakt­auf­nahme zu Ämtern wird angeboten.

Seit Juli 2019 bis November 2022 wurde bisher mit 58 Teil­neh­menden (TN) ein Teil­neh­mer­ver­trag abge­schlossen, darunter waren 7 Frauen und 58 Männer (das ist ein etwas größerer Anteil Frauen als beim Geschlechter-Verhältnis der WLH-Klienten in Freistatt). Der Alters­be­reich liegt zwischen 24 und 62 Jahren, es waren 43 statio­näre TN, 4 TN aus dem dezen­tralen statio­nären Wohnen und 10 TN der nach­ge­henden Hilfe (also in einer Wohnung mit eigenem Mietvertrag).

Die Verbleib­dauer im Modell­pro­jekt lag zwischen 16 Tagen und 25 Monaten, wobei es auch wieder­keh­rende Teil­neh­mende im Projekt gibt.

Gesund­heit­liche Beeinträchtigungen

Das Pilot-Projekt Modell­pro­jekt Freistatt wurde vom Land Nieder­sachsen bisher an vier Orten realisiert:

Werkheim e. V. in Hannover, WLH (Bethel im Norden) in Freistatt, REHOLAND in der Region Lingen und Osnabrück.

Bei der Betrach­tung der gesund­heit­li­chen Situation der Teil­neh­menden (TN) aller Projekte fällt eine hohe Rate Betrof­fener in den drei Bereichen psychi­sche Beein­träch­ti­gungen, körper­liche B. und Sucht­pro­blemen. So waren in Freistatt nur bei 9 von 58 TN keine gesund­heit­li­chen Beein­träch­ti­gungen zu beobachten.

Austritts­gründe aus dem Modellprojekt

Bedeutung des Modell­pro­jekts Freistatt

Eine Vermitt­lung in eine anschlie­ßende Arbeit oder eine Vermitt­lung nach SGB II war in Freistatt für etwas weniger als 10% der Teil­neh­menden möglich. Aus den Rück­mel­dungen von TN konnte Rona Schla­gel­am­bers aber die Bedeutung des Projekts als Maßnahme zur Bildung einer Tages­struktur hervor­heben, sicher auch ein Stück weit im Sinne von „dem Leben wieder einen Sinn geben“.

Das Modell­pro­jekt Freistatt muss also für Bewoh­nende der WLH Freistatt als eine wichtige Ergänzung der Angebote des Bereichs Arbeits­ver­mitt­lung und Quali­fi­zie­rung angesehen werden.

Hier wird Menschen, die durch längere Zeiten von Obdach- oder Wohnungs­lo­sig­keit – oft verbunden mit mehr oder weniger langem Leben „Leben auf der Straße“ – nach­haltig beein­träch­tigt sind, viel­fäl­tige Möglich­keiten zur Teilhabe an Arbeits­maß­nahmen geboten, die ihnen beim Aufbau einer regel­mä­ßigen Tages­struktur eine gewisse Lebens­qua­lität sichern können.

Nach fast 3‑jähriger Laufzeit konnte Rona Schla­gel­am­bers so eine durchweg positive Bilanz ziehen.

Das Bürger­radio Freistatt
und andere Projekte

Vor dem Mittag­essen konnte unsere Redaktion dann noch eine Kurz­füh­rung durch das Tonstudio Freistatt anbieten, auch um das neue Projekt Bürger­radio Freistatt vorzu­stellen. Neben dem Stra­ßen­radio von Marcus Rudolph wird seit April 2022 alle 14 Tage eine Sendung des Bürger­ra­dios aus dem Tonstudio  Freistatt gesendet. Das dazu nötige tech­ni­sche Know-How ist unserer Erfahrung nach mit ein wenig tech­ni­schem Geschick hand­habbar, die Orga­ni­sa­tion der Sendungen erfordert aller­dings in der Regel einige Vorarbeit, die der fertigen Sendung in der Regel nicht wirklich anzusehen ist (… das erinnert auch an unsere tägliche Redak­ti­ons­ar­beit mit unseren Artikeln, deren Entstehen sich auch meist als recht arbeits­auf­wendig erweist).

Inter­es­sant waren Bemer­kungen aus der Besu­cher­runde zu anderen Radio­pro­jekten von Bethel aber auch zu externen Radio­ma­chenden, die immer wieder einmal zu „Bethel-Themen“ berichten würden. Mögliche Zusam­men­ar­beit und gegen­sei­tige Vorstel­lung werden für unser Projekt Bürger­radio Freistatt auch ein Schwer­punkt für den weiteren Projekt­ver­lauf im nächsten Jahr sein.

Auch Dirk Dymarski als Mitar­beiter der Koor­di­nie­rungs­stelle der Selbst­ver­tre­tung wohnungs­loser Menschen e. V. schaute noch vorbei und stellte die Arbeit des Vereins vor, der im Verlauf des Projekts Wohnungs­lo­sen­treffen (das mitt­ler­weile schon mehr als fünf Jahre besteht) gegründet wurde. Er konnte von den viel­fäl­tigen Akti­vi­täten der Selbst­ver­tre­tung berichten, die durch Teilnahme an vielen Fachtagen und Tagungen zu den Themen Obdach­lo­sig­keit, Wohnungs­lo­sig­keit, Armuts­be­kämp­fung, sozialer und digitaler Teilhabe für arme Menschen in den Kreisen Sozialer Arbeit aber auch in der Politik auf Landes- und Bundes­ebene immer mehr an Beachtung findet.

Nach dem Mittag­essen (das vom Catering-Bereich der Jugend­werk­statt Weyhe als weiteren Bereich von Bethel im Norden orga­ni­siert wurde) zog die Runde weiter zum Besuch der Werk­eraus­bil­dung im Schul­ver­bund Freistatt, dem danach noch ein Ausflug zum Natur­schutz- und Land­schafts­schutz­be­trieb in Heimstatt folgte.

Dort infor­mierten Frank Simon (Bereichs­lei­tung des Schul­ver­bundes Freistatt) und Gero Enders (Natur­schutz- und Land­schafts­pflege Heimstatt) über den Ausbil­dungs­gang „Werker in der Land­wirt­schaft“, der im dortigen land­wirt­schaft­li­chen Betrieb angeboten wird.

Claus Freye und Frank Kruse konnten so dem Fach­aus­schuss Arbeit und beruf­liche Reha­bi­li­ta­tion der von Bodel­schwingh­schen Stif­tungen ein viel­fäl­tiges Angebot von Arbeits- und Beschäf­ti­gungs-Möglich­keiten für Menschen in der Region Freistatt vorstellen, die von den Einrich­tungen von Bethel im Norden unter­stützt werden.

Auch im Hinblick auf die touris­ti­schen Sehens­wür­dig­keiten der Gemeinden Freistatt und Heimstadt (Moor­ge­biet mit Krani­ch­rast, Feld­bahn­fahrten, Sinnes­garten und Plane­ten­pfad im weit­läu­figen Natur­schutz­ge­biet Frei­stätter Moor) können wir abschlie­ßend für unsere Besu­chenden postulieren:

Freistatt und 🐄 Heimstatt 🐑 sind mehr als nur eine Reise wert!