Plakat ZOA

Ziegelei Open Air Festival 2019

Das Ziegelei Open Air (ZOA) ist mitt­ler­weile eine gute Twist­ringer Tradition, obwohl es 2019 erst zur 9. Auflage gekommen ist.  So ziemlich jeder Einhei­mi­sche unter den rund 12.000 Einwoh­nern kennt und schätzt die drei­tä­gige Veran­stal­tung. Das ZOA sticht unter anderem dabei heraus, dass es hält, was es verspricht. Das Festi­val­pro­gramm sieht ein Fami­li­en­wo­chen­ende vor, und genau das ist es auch. Auf der Bühne stehen demzu­folge nicht nur Musik­bands, die mit harten Riffs üblich sind für ein solches Event, auch Künstler anderer Genres bringen ein Publikum unter­schied­lichster Gene­ra­tionen und Musik­ge­schmä­cker. Auch das Rahmen­pro­gramm passt, und so findet sich auf der Party­wiese alles von jung bis jung­ge­blieben wieder.

So war es auch dieses Mal wieder. Zwischen dem 14. und dem 16. Juni machten zahl­reiche Besucher die Veran­stal­tung zu ihrer Party. Doch blicken wir noch einmal ganz genau zurück.

Der  Freitag

Das war der ersten Festi­valtag und es wagten sich schon zahl­reiche Zuschauer zur Ziegelei, um sich gewis­ser­maßen den Wochen­end­start zu verschö­nern. Punkt 18 Uhr betrat ein Quintett mit dem Namen PTMS die Haupt­bühne. Deren Haupt­auf­gabe bestand, wie auch sonst bei ihren Auftritten, die Anwe­senden mal so richtig in Party­alarm zu versetzen. Das gelang, was die Uhrzeit anging, zumindest bei jenen ganz gut, die ihr Büro schon am Mittag verlassen konnten. Diese ließen sich auch von der Band animieren, das ein oder andere lustig machende Getränk zu sich zu nehmen.

Dafür begannen die Gäste, deren Arbeits­tage gerade erst zu Ende ging, bei geco­verten Songs von Robbie Williams oder den Black Eyed Peas sich in den Feier­abend­modus zu schwofen. Musi­ka­lisch hat die Band sicher ihre Klasse. Doch ist es bei jedem Auftritt ange­bracht, daran zu erinnern, dass jedes Band­mit­glied mindes­tens acht Bier vor einem Auftritt zu sich nehmen muss? Es mag Anlässe und vor allem Uhrzeiten geben, da ist das "Mittrinken" sicher passender.

Nach den gelun­genen Eisbre­chern machte sich das nächste Quintett startklar. My Little White Rabbit stechen allein schon dadurch heraus, dass deren Lead­sänger eine Frontfrau ist. Auch die Musik ist fast schon festival­un­ty­pisch, aber alles andere als unpassend. Während sich die Stimme von Rike Pfeiffer, rauchig und dennoch zart, mit den Gitar­ren­solis fast verschmilzt, sorgt leicht choraler Back­ground dafür, dass der heran­na­hende Abend sphä­ri­schen Glanz bekommt. Schon jetzt standen die wenigsten – vor der Bühne nämlich genoss man die Wirkung dieses Sounds mit verschlos­senen Augen im Sitzen oder gar im Liegen. ZOA 2019 in Twist­ringen, spätes­tens jetzt bewiesen die Veran­stalter Mut, diese Band einzu­laden. Sie sollten es nicht bereuen.

Musiziert wurde nicht nur auf der Haupt­bühne (Main Stage), in einem kleinen Neben­ge­bäude (Hot Oven Stage), wurde ebenfalls eine Plattform für Künstler bereit­ge­stellt. Optisch hatte der Raum viel von einem alten, kleinen Schuppen, der aber auf eine richtig gemüt­liche Location herge­richtet wurde. Dort stand als erster Act die Band Träsh im Programm. Laut Vorstel­lung handelt es sich norma­ler­weise um vier laute Musiker. In diesem Raum setzte das Quartett aber auf laute Sound­a­kustik mit Hang zu einem kleinen Unplugged-Konzert. Auf diesen wenigen bis knappen Metern versetzten die Künstler das Publikum in eine Mischung zwischen Schwofen und Abtanzen.

Während­dessen trafen sich auf der Haupt­bühne die nächsten drei Künstler zum Sound­check ein. Das Trio um Hundred Seventy Split übte für den genialen Sound, aber groß üben? Insbe­son­dere der Gitarrist Leo Lyons steht seit seinem 17. Lebens­jahr auf der Bühne. Der Brite, der 2020 sein 60-jähriges Bühnen­ju­bi­läum begeht, zeigte vor mitt­ler­weile gefülltem Platz, was Aura ist. Lyons versprühte beim Spiel auf der E‑Gitarre eine derartige gute Laune, spätes­tens jetzt waren auch die letzten Besucher in bester Wochen­end­laune. Unter­halten wurde das Publikum durch ein Potpourri von Songs, die vor rund 50 Jahren Woodstock zum Inbegriff der Festi­val­kultur werden ließen. Der mitt­ler­weile 75-jährige Lyons ließ zusammen mit seinen beiden Band­kol­legen das Flower-Power-Feeling von einst in Twist­ringen aufkeimen.

Zu guter letzt kamen am ersten Festi­valtag gute, alte Bekannte unserer Redaktion. Whiskey-Atmo­sphäre machte sich breit, als die  Nitrogods zum Mikrofon griffen. Erst recht, als das Marken­zei­chen des Trios, die rauchig-geniale Stimme von Oimel Larcher sich durch Twist­rin­gens Nacht rockte. Erst wenige Tage zuvor wurden wir Zeuge von deren Klasse in Bückeburg, und wir bemerkten, dass die Band beim Party­ma­chen offenbar nicht müde geworden war. Schlapp machen wäre zum jetzigen Zeitpunkt aber auch fatal, denn der Termin­ka­lender der Band ist bis Jahres­ende ordent­lich bestückt.

Der Sonntag

Am dritten und letzten Festi­valtag, der gleich­zeitig auch wieder der Fami­li­entag des ZOA war, gab es neben Musik auch einen großen Spiel­be­reich für die jüngeren Festi­val­be­su­cher. Clowns und Jongleure gaben Einblicke in ihr Können, aber auch Hüpf­burgen unter­hielten die Kinder. Die Bühnen blieben aber natürlich nicht verwaist. In der Mittags­stunde betraten sechs Teenager das Rampen­licht. Die Jugend­li­chen vom Bremer Gymnasium Links der Weser nennen sich „The Break“,  und haben sich nicht extra für das ZOA gegründet. Seit dem vergan­genen Jahr musi­zieren die Kids gemeinsam, und nach ihrem sehr unter­halt­samen Auftakt zu urteilen haben sie noch viel vor. Am Talent mangelt es wahr­haftig nicht, das Ziegelei Open Air war ihre bislang größte Bühne.

Noch jünger, dafür aber so richtig tradi­tio­nell, wurde es mit der nächsten Darbie­tung. Musik müsste bei vielen Grund­schü­lern in Twist­ringen mitt­ler­weile das Lieb­lings­fach in der Schule sein. Das dürfte zumindest die Chancen erhöhen, sein Können auf dem Open Air zu beweisen. Wieder einmal unter der Leitung von Susanne Schröder gab sich dieses Mal die Grund­schule Am Markt als der tradi­tio­nelle Kinder­chor die Ehre, und lud das Publikum mit teilweise eigens für diesen Sonntag arran­gierten Songs zum Schunkeln ein.

Auch an diesem Tag öffnete die Hot Oven Stage ihre Pforten. Darin befanden sich mehr Instru­mente als Musiker. Oder anders gesagt: All das, was sich darin befand wie Mund­har­mo­nika oder Ukulele, wurde von nur einem Einzigen gespielt. Aber auch das war dem Allrounder Lutz Stra­ßen­roller nicht genug, denn zu seinen mitrei­senden Popschla­gern sang er begeis­tert mit. Das Publikum natürlich auch. Das ist eben Twist­ringen, und das ist vor allem das Ziegelei Open Air. Genau solche Künstler erhöhen die Vielfalt, und machen damit Festivals auch für ganz andere Schichten attraktiv.

Kein Festi­valtag ohne harten Gitar­ren­sound, dafür sind die Deutschro­cker von Anne.Fuer.Sich zumindest bekannt. Die Frage, ob deren kräftiger Auftritt auch zum sonn­täg­li­chen Kaffee und Kuchen passte, beant­wor­tete der Auftritt eindeutig mit ja. Der Band aus Bremen gelang es zumindest, dass die mitt­ler­weile Party­ver­wöhnten so manch einen Song mitsingen konnten. Deren Mission lautet zwar „Machen, was einem gefällt“, aber dennoch haben deren Songs Botschaften mit Wiedererkennungswert.

Das Ziegelei Open Air hatte einen weiteren, leider aber auch den letzten Höhepunkt für 2019. Kritiker vergli­chen vor wenigen Jahren schon Jackie Vensons Stimme mit der von Joss Stone und Amy Winehouse. Bessere Kompli­mente kann man ihr wohl nicht machen, aber die Veran­stalter sorgten mit der aus Austin, Texas kommenden Künst­lerin dafür, dass das Publikum das Festi­valende mit Gänse­haut­fee­ling erlebte. Jackie Venson singt genauso stark wie emotional und zerbrechlich.

 

Dann war für die Veran­stalter der Zeitpunkt gekommen, um Bilanz zu ziehen und sich viel­leicht auch Gedanken darüber zu machen, wie das zehnte ZOA im Jahr 2020 aussehen könnte. Im Kern ist es ja gar nicht so schwer, wenn man ein wenig auf Volkes Stimme hört. Denn es ist nicht einfach nur ein Festival, es ist immer auch ein Familienfest.

Auch 2019 gelang dies wieder mit einer gelun­genen Mischung hörens­werter Künstler. Man muss den Veran­stal­tern allein schon deshalb ein großes Kompli­ment machen, weil sie für viele Geschmäcke wieder einmal sehr attrak­tive Musik anboten. Auch das Publikum nahm die Auswahl dankend an. Die Messlatte für eine Fort­set­zung im Juni 2020 ist also recht hoch gelegt – wir lassen uns dann gerne wieder von neuen Entde­ckungen über­ra­schen, die dann hoffent­lich erneut ein breites Twist­ringer Publikum finden werden.


Unserenm Bericht zum Samstag beim ZOA 2019 findet ihr hier.