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Kölle Alaaf

In diesen Tagen ist Fastnacht, Karneval, Fasching oder die Fünfte Jahres­zeit. Oder wie etliche in Nord­deutsch­land dazu sagen – Alltag. Für uns hier in Nieder­sachsen steppt verein­zelt der Bär, aber das war es auch schon. Wie aber geht ein hiesiger in unserem Bundes­land damit um, wenn er sich mitten im Februar in Köln wieder­findet? Also genau in der Stadt, in der, vergli­chen mit anderen Städten in Deutsch­land, mehr Karneval nicht geht?

Natürlich, Leser in Düssel­dorf, Bonn, Mainz oder Rottweil sehen das womöglich etwas anders. Aber Tatsache ist auch, dass insbe­son­dere in der Domstadt der Rosen­montag ein Feiertag ist, und während der tollen Tage ab  Weiber­fast­nacht rund 500 Vereine den Start­schuss in die tollen Tage eröffnen. Nirgendwo gibt es mehr Vereine, Sitzungen, Umzüge sowie Ausgaben für die Kostü­mie­rung der Kölsche Jecken.

Vor dem "Wiever­fas­tel­ovend" holt sich der Kölner Narr die gute Stimmung zunächst bei Sitzungen. In einer Stadt, in der seit circa 200 Jahren der tradi­tio­nelle Frohsinn zele­briert wird, gibt es natürlich mehr als genug an Möglich­keiten, mit Lach­krämpfen den Winter zu vertreiben. Sogar für Menschen mit kleinem, um nicht zu sagen, mit leerem Geld­beutel. Das Fest­ko­mitee Kölner Husaren Korps von 1972 e.V. lud in diesem Jahr zum mitt­ler­weile eften Mal zur Fastel­ovends­sit­zung för ärm Lück. Einge­laden waren haupt­säch­lich Menschen, die weit weg davon sind, sich eine kost­spie­lige Sitzung leisten zu können. Der Eintritt im Stadtteil Altstadt-Süd war frei, und somit konnten von Armut betrof­fene Menschen neun Tage vor Rosen­montag kostenlos feiern, singen, tanzen, schunkeln und lachen.

Und nicht nur das – alle Künstler an diesem Tag traten lediglich für den guten Zweck auf und verzich­teten auf die Gage. Und diese waren keine Anfänger oder Amateure, sondern bekannte Kölner Größen, die jeder, ob arm, ob reich, in der rhei­ni­schen Karne­vals­hoch­burg kennt und schätzt. Geboten wurde ein Programm, dass sich von üblichen Karne­vals­sit­zungen nicht sehr unter­scheidet. Für uns nordische Karne­vals­muffel war es aber definitiv ein Erlebnis, diesen Frohsinn hautnah miter­leben zu dürfen.

Erleben durften wir nicht nur die Sitzung, sondern wie sehr der Kölner mit seiner närri­schen Tradition verwur­zelt ist. So gut wie keiner der rund ein Millionen Einwohner hat die Chance dem zu Entfliehen. Überall in der Domstadt laufen verklei­dete und tanzende Menschen umher, viele kommen singend aus den Kneipen, in denen viele Hits in Mundart gespielt werden. Lieder wie "Denn wenn et Tröm­melche jeht", "Viva Colonia" oder "En unserem Veedel" bekommt jeder in Köln geborene wie die Mutter­milch eingeflößt.

Über die Stadt­grenzen und die Domspitzen hinaus genießt die Stadt den Ruf der Toleranz und Gleich­be­rech­ti­gung. Und erst recht wird das an den tollen Tagen gelebt. Egal sind in den aller­meisten Fällen dann Herkunft, Hautfarbe, Konfes­sion, sexuelle Orien­tie­rung und die Dicke des Geld­beu­tels – Köln wirkt an sechs Tagen im Februar wie eine große Familie. Und vieles davon geht über den Ascher­mitt­woch hinaus. Und auch das Motto für die Session 2021 steht für die bunte Vielfalt die den Karneval ausmacht: "Nur zesamme sin mer Fastel­ovend".

Zurück zur Fest­sit­zung in der Wolken­burg am Mauri­ti­us­steinweg, einer Location, die norma­ler­weise für betrieb­liche Weih­nachts­feiern oder auch Hoch­zeiten genutzt wird. Hier eine kleine Bilder­staf­fette über die Fastel­ovends­sit­zung vom 16. Februar, die wie alle närri­schen Feste 2020 unter dem Motto "Et Hätz schleiht em Veedel stehen.

Fidele Sandhasen

Kölsch­raum

 

De Plag­ge­köpp

Achnes Kasulke

Swinging FunFares

Sr. Tollität Luft­flotte e.V. 1926

koelsch­frak­tion

Tja, kaum zu glauben, aber circa drei­ein­halb Stunden vergingen fast unbemerkt. Zeit scheint in der fünften Jahres­zeit im Rheinland eine andere Rolle zu spielen als anderswo. Es hat uns einen Riesen­spass gemacht, Karneval der aller­höchsten Qualität live miter­leben zu dürfen. Noch mehr tut das Gefühl gut, dass keiner im närri­schen Trubel vergessen wird. Wenn anderswo zur selben Zeit gesungen wird "Am Ascher­mitt­woch ist alles vorbei", so darf genau dieser Punkt der Inklusion nicht eintreten. Eine Anregung hätten wir aber für künftige Sessionen dennoch – Inklusion und Inte­gra­tion funk­tio­niert noch besser, wenn Grup­pie­rungen nicht unter sich bleiben, sondern auch mit Einhei­mi­schen und etwas Reicheren mitfeiern können. Das belebt die Gesellschaft.

Das soll aber keine Kritik am Ende einer tollen Sitzung sein, dafür haben sich alle Verant­wort­li­chen und Künstler ohne Gage fast schon ehren­amt­lich ins Zeug gelegt. Neben dem Stress, den gerade für diese Narren die Zeit bis Ascher­mitt­woch bietet, wünschen wir genau diesen Menschen dennoch viel Spaß und eine unver­ges­sene Fastel­ovend 2020. Darauf ein drei­fa­ches Kölle Alaaf.

 

Fotos & Text.: Hari