"So ein Tag, so wunderschön wie heute" oder "Oh, wie ist das schön" – so euphorisch klang es am vergangenen Donnerstag in Lübbecke. Klingt ja zunächst nicht besonders, denn es war Weiberfastnacht. Auch wenn Lübbecke vom besonders närrischen Rheinland ein Stückchen entfernt ist, es liegt zumindest in Nordrhein-Westfalen. Und in diesem Bundesland geht es ja in den tollen Tagen besonders jeck zu, auch wenn der Ostwestfale sich ein wenig mehr zurückhält. Nicht aber an jenem Schnapszahlentag, wir schrieben ja den 20.02.2020. Nicht in Lübbecke, und schon gar nicht in der Merkur-Arena.
Zumal, der Frohsinn, der hier überschwappte, nichts mit der so genannten Fünften Jahreszeit zu tun hatte. Das insgesamt 23. Saisonspiel der GWD Minden sorgte an jenem Abend dafür, dass den 2.325 Besuchern eine grün-weiße Pappnase verpasst wurde. Zu Gast waren die Füchse aus Berlin, und wie schon im Hinspiel Anfang September setzte sich Dankersen erneut gegen das Spitzenteam aus der Bundeshauptstadt durch. Vor allem verzückte den Anhang die Art und Weise, wie die GWD ihren mehr als hochverdienten 30:25-Sieg einfuhr. Das Publikum dankte es mit singenden Standing Ovations.
Der Start in das Karnevals-Wochenende begann dabei alles andere als heiter. Die Menschen hierzulande zeigten sich tief ergriffen über den terroristischen Amoklauf, der sich am Abend zuvor in Hanau ereignet hatte. Diese Tat legt einen finsteren Schatten über die närrische Zeit. Klaus Smolarek, Hallensprecher der GWD Minden, lies per Ansage den Spielanpfiff verzögern, um allen in der Merkur-Arena die Gelegenheit zu geben, in einer Schweigeminute in Gedanken bei den Opfern und ihren Hinterbliebenen zu sein. Smolarek erinnerte daran, wie kostbar das Leben doch ist.
Angesichts der Nachrichtenlage aus Hessen stellt sich natürlich die Frage, wie enthusiastisch die Menschen hierzulande ihre karnevalistischen, kulturellen und sportlichen Veranstaltungen begehen sollen. Solche Ereignisse haben jedoch, bei aller Grauenhaftigkeit, stets zur Folge, dass die Menschen noch enger zusammenrücken. Absagen ist stets der falsche Weg. Rechtes und feiges Gedankengut hätten gesiegt, und es wäre nicht im Sinne der Opfer.
Für die anschließenden 60 Minuten galt die Aufmerksamkeit der Sportler und des Publikums nun dem Duell zwischen der GWD und den Füchsen. Optimistisch, was den grün-weißen Spielausgang anging, betraten die wenigsten die Halle. Ein wenig wirkte noch der Ärger über die Derbypleite in Lemgo nach, da hatten die allerwenigsten eine Vorstellung davon, wie man mit dieser Leistung den Berlinern gefährlich werden könnte. Dankersen schaffte es aber tatsächlich, durch 60 Minuten Hochkonzentration, den neuen Arbeitsplatz von Marian Michalczik unattraktiv aussehen zu lassen.
Dazu hatte neben Michalczik selbst die gesamte Mannschaft ihren Beitrag geleistet, aber allen voran Torhüter Malte Semisch. Über die Frage, wie das Spiel ohne seiner 18 Paraden (auf der Pressetribüne wurde fleißig mitgezählt) ausgegangen wäre, wollte anschließend keiner großartig nachdenken. Semisch selbst auch nicht, wie er uns nach dem Spiel verriet. Er selbst habe sich nicht als Held gesehen, schließlich sei es ja ein Mannschaftssport. Seine sympathisch-bescheidene Art hielt den Anhang aber auch nicht davon ab, nach dem Spiel mehrheitlich seinen Namen als Matchwinner zu erwähnen.
Semisch selbst hat auch nicht ganz Unrecht, denn auch die Feldspieler hatten ihren Anteil am Sieg. Und sie hatten während der Partie ein ganz anderes Problem zu lösen, nämlich, wie ein Akteur danach erzählte, einen Berliner Gegenspieler mit zwei Verteidgern zu bewachen. Im Kader der Füchse befindet sich mit Dainis Krištopāns, der sage und schreibe 2,15 Meter misst, und zudem 135 kg Lebendgewicht auf die Waage bringt. Die Berliner haben den lettischen Nationalspieler für ein halbes Jahr im Kader. Ist er aber für die Hauptstädter wirklich eine Verstärkung, oder gilt es gar den Gegner zu beeindrucken? Man litt mit den Grün-Weißen ein wenig mit, wenn sich Spieler wie Kevin Gulliksen, Juri Knorr oder Mats Korte in einen Zweikampf mit ihm wagten- allesamt Akteure, die 20 oder mehr Zentimeter kleiner sind als er. Es sah aus, als würde vor den Sportlern ein gefüllter Kleiderschrank nachgeben.
Das Spiel der GWD war aber so intensiv, dass selbst Krištopāns zwar optisch, aber leistungsmäßig nicht weiter auffiel, ebenso seine Füchse-Kollegen. Die Berliner zeigten nur hin und wieder, weshalb sie auf Platz drei der Tabelle stehen. GWD-Manager Frank von Behren geriet bei der anschließenden Konferenz ins Schwärmen, was den Umzug in die Lübbecker Halle angeht. Im zweiten Spiel seit der Schließung der KAMPA-Halle gab es Sieg Nummer zwei. Nicht nur von Behren zeigt sich begeistert. Die Art und Weise, wie die Mannschaft seinen Anhang von den Sitzen reist, sorgt auch bei den Fans für eine schnelle Eingewöhnung.
Keiner hätte etwas gegen einen dritten Sieg in Folge einzuwenden – aber davon im Vorfeld auszugehen, wäre allzu optimistisch. Denn nach einem Ausflug zum schweren Spiel in Leipzig gibt sich am 4. März kein geringerer als der Tabellenführer aus Kiel in der Merkur-Arena die Ehre. Stellt sich die Frage, ob es tatsächlich ein Wunschdenken durch die in diesem Fall sehr rosarote Brille wäre, oder ob ein berechtigtes Träumen doch angebracht ist? Wer am 20.02.2020 den Einsatz der GWD Minden gesehen hat, der weiß auch, zu welchen Favoritenstürzen die Mannschaft in der Lage ist. Träumen ist ja erlaubt, und manchmal werden sie auch auch Wirklichkeit – auch nach dem Aschermittwoch.
Fotos & Text.: Hari