"Europa, lasst uns zusammenkommen, jetzt oder nie, ich liebe euch alle!". Diese an sich wunderschönen Zeilen könnten, ginge es nach dem Willen etlicher Niedersachsen, zum Sommerhit 2024 der europäischen Charts werden. Den Chorus "Euro-pa-pa-pa-pa-pa" hatte jeder Besucher im Ohr, der die Preview-Veranstaltungen anlässlich des bevorstehenden 68. Eurovision Song Contests besucht hatte. Der Mann, der jeden verarztet, den das ESC-Virus befallen hat und "positiv" daran leidet, hatte eingeladen, um der Hörerschaft die gehörige Song Contest-Dosis zu verpassen. Dr. Irving Wolther, der Mann, der weltweit 2006 erstmals über die größte und bedeutenste Musikshow unseres Erdballs erfolgreich promoviert hatte, präsentierte die diesjährigen Festivalbeiträge.
Nicht zum ersten Mal, aber dafür gleich zwei mal. Nach dem Ausflug in das Kulturwerk in Nienburg / Weser am 20. April war am vergangenen Freitag das Tagungshaus St. Clemens in Hannover Präsentationsstätte der europäischen Musikkultur. In beiden Veranstaltungen wurden sämtliche 37 Beiträge vorgestellt, die in knapp 2 Wochen im südschwedischen Malmö um die ESC-Krone singen. Doch das Publikum bekam nicht nur eine klangvolle Dauerbeschallung verpasst; dass Publikum durfte anschließend auch zum Stift oder zum I‑Phone greifen, um per Stimmabgabe über die Songs 2024 ein Urteil zu fällen. Und sowohl in Nienburg als auch in unserer Landeshauptstadt hieß es gemeinschaftlich "And the 12 Points goes to the Netherlands."
Die Veranstaltungen liefen identisch ab; nur im Publikum saßen in beiden Fällen andere Gäste. Präsentiert wurden die Songs in der alphabetischen Reihenfolge der Ländernamen, allerdings nach dem internationalen – sprich englischen ABC. Also von A wie Albania über C wie Croatia und G wie Germany bis hin zum U wie United Kingdom. Für das Publikum galt es währenddessen, Reaktion zu zeigen. Und leidenschaftlich darüber zu diskutieren; darüber, wie man selbst jeden einzelnen Song empfindet, und was man ihm in Malmö zutraut. So brach das Publikum in großes Gelächter aus, als der Auftritt Finnlands beim nationalen Vorentscheid präsentiert wurde. Kroatiens Baby Lasagna und Litauens Silvester Belt riss die Zuschauer ebenso von den Sitzen wie die Rocknummern aus Norwegen und Estland. Auch bei den Dance-Nummern aus Österreich, Polen und Italien blieben die wenigsten Beine still stehen.
Doch auch zuhören war angesagt angesichts der starken gesanglichen Balladen aus Frankreich, Serbien und Lettland. Und auch eine gesunde Portion Patriotismus. Zumindest in Niedersachsen ist man von unserer deutschen Hoffnung überzeugt, allen negativen Bemerkungen in Socialmedia zum Trotz. Die bereitgestellten Buffets taten ihr übriges, dass bei Wein und Käsehäppchen nicht nur der kulturelle Appetit gestillt wurde. Schließlich musste man sich fitnaschen, um abschließend ein entsprechendes Resultat abzuliefern. Um sich für Malmö schon mal richtig in Form zu bringen, gab es wie beim ESC bei beiden Previews eine Jury- sowie eine Publikumsabstimmung, die jeweils zu 50% gewichtet wurden. Und siehe da – zwei Previews, ein Sieger. In beiden Wertungen setzte sich am Ende Joost Klein, der Vertreter unserer Nachbarn durch. Passend für den Background unseres Magazins begibt sich Joost textlich ohne Geld quer durch Frankreich, und fragt "Hast du einen Euro".
Auch die Jury´s waren in beiden Veranstaltungen unterschiedlich prominent besetzt. In Nienburg gehörte zum 5 er Team u.a. mit Sonja Knüttel die Bereichsleiterin der Volkshochschule Frankfurt am Main ebenso zum Quintett wie die Drag-Queen Carrie Gold oder Editha Schwohl-Masberg, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Nienburg. In Hannover zählten Rüdiger Wala, Pressesprecher der Katholischen Region Hannover, sowie der Regionalkantor Francesco Bernasconi und Claudia Fyhrnis von Radio Hannover zum Expertentum.
Europa wird unruhiger, militärischer und ärmer. Ja, unser geschätzter Kontinent hat eine Menge durchgemacht in den zurückliegenden 68 ESC-Jahren, und macht aktuell eine Menge durch. Wir wissen alle, nichts hat ewig Bestand. Aber was geblieben ist, ist die Vielfalt unseres Erdteils. Aktuell vermisst man ja die Konstante Europas, viele leben in Sorge, aber viele schüren Sorgen. Da tut es doch gut, dass es genauso lang ein bestehendes Format wie den Eurovision Song Contest gibt, dass auf die Menschen aller Länder verlässlich wirkt. Vielleicht ist dass der Grund, weshalb eine TV-Show ein solches Durchhaltevermögen an den Tag bringt. Der Spirit des ESC bringt die Europäer für einen Abend zusammen; dass ist und bleibt hoffentlich noch sehr lange ein Beitrag für Europa.
Text.: Hari Januschke