Für Komplimente kann man sich ja angeblich nichts kaufen. Sorry, dass wir die Rückschau auf das 27. Saisonspiel der GWD Minden mit dieser Platitüde beginnen müssen. Und die Formulierung stimmt ja auch, denn Komplimente lassen sich nicht in Geldscheinen umrechenen. Aber – man kann dennoch eine ganze Menge damit anfangen. Denn vieles, was über den Auftritt der Grün-Weißen gegen die THW Kiel gesagt wurde, hat etwas aufbauendes. Und Aufbauendes braucht die GWD im Kampf um den Ligaverbleib.
27:30 verloren; wer sich am Palmsonntag nicht unter den 2136 Zuschauer befand, stattdessen zuvor aber lieber in einem Wettbüro eine Summe auf den Ausgang der Partie getippt hat, dürfte bei einem Kieler Tipp kaum reicher sein als vor dem Einsatz. Ein THW-Sieg in der KAMPA-Halle, dass klingt für den neutralen Beobachter nicht nach einer Überraschung. Wer aber vor Ort war, weiß, sie lag aus Sicht der Heimmannschaft im Bereich des möglichen. Vor den Toren bescherrte der Wettergott den Ostwestfalen einen wechselhaften Tag; und wenn neben regnerischen Abstrichen mal die Sonne hervorblinzelte, wurde es auch frühlingshaft warm. Das färbte sich auch im Inneren der Halle ab – doch statt sonnig wurde es mitunter richtig hitzig. Und allen trieb es die Schweißperlen auf die Stirn; auch den Gästen samt Anhang aus dem hohen Norden.
Die Ausgangslage vor dem Duell der ungleichen Teams war zumindest ausgeglichen. Minden ließ eine Woche zuvor mit einer fulminanten Leistung in Lemgo aufhorchen. Auswärts. Denn in der KAMPA-Halle wurde in dieser Spielteit nur einmal gewonnen. Die Zebras hingegen pausierten, da die Partie gegen Wetzlar auf Ende April verlegt wurde; sie kamen aber mit der Empfehlung eines Auswaärtssieges beim Tabellenführer Magdeburg nach NRW. Die Lockerungen erlaubten wieder unbegrenzten und unkontrollierten Besuch, was sich auf die Unterstützung sowie auf das Spiel auswirkte.
Dennoch hätten die wenigsten lediglich gehofft, aber nicht unbedingt geglaubt, dass der Tabellen-16nte gegen das Spitzenteam die Chance auf Punkte hätte. Nach 22 Minuten sah das auf einmal ganz anders aus; es 12:8. Aber nicht für das Auswärtsteam. Und das, obwohl die THW zwölf Minuten zuvor noch mit zwei Toren Vorsprung schon frühzeitig an einer Entscheidung gearbeitet hatte. Dank der Corona-Lockerungen war es in der KAMPA-Halle endlich mal wieder stimmungsvoll laut, lange nicht mehr gesehene Jubelszenen spielten sich auf den Zuschauersitzen ab.
Doch alle waren sich auch sicher, man darf sich freuen, aber natürlich nicht zu früh freuen. Denn immerhin handelte es sich bei dem immer noch amtierenden deutschen Meister um keine Laufkundschaft, die Punkte zu verschenken hatte. Das merkte man auch an den Gesprächen zur Pause, als der Vorsprung bis auf einen Treffer zusammengeschmolzen war. Zwar waren bei der 14:13-Halbzeitführung alle erleichtert, denn vier Minuten zuvor hatten die Schleswig-Holsteiner den Rückstand ausgleichen können. So war träumen erlaubt, aber jedem war klar, dass die in weiß gekleideten Zebras mit Körnern aus der Kabine kommen würde.
Das taten sie, aber auch die GWD blieb hartnäckig. Und wie, urplötzlich führte der Außenseiter bei einer Restzeit von 20 Minuten mit 19:16. Knappe 5 Minuten später allerdings ging Kiel entscheidend n Führung. Mindens Trainer Frank Carstens sprach anschließend, der siebte zusätzliche Mann habe den Favoriten entscheidend zum Sieg gebracht. Wirklich? Hätten die Stars auch so zugebissen, wenn den Ostwestfalen in diesem Zeitabschnitt wenigstens eine Zeitstrafe erspart geblieben wäre? Zumindest verstande es der Tabellendritte, diesen Vorteil auszunutzen. Das Kiel aber schlussendlich den Siegesweg antrat, kristallisierte sich jedoch erst in den letzten 5 Minuten heraus.
Wenn man soviele Komplimente bekommt, wie die GWD sie für den Auftritt bekommen hat, auf welche sollte man denn hören, damit sie wirken? Vielleicht auf die Worte von Filip Jicha, dem Trainer der THW Kiel. Er sagte, Publikum und Verein gehören einfach in die Bundesliga. Mit dem gezeigten in Lemgo und jetzt gegen Kiel kann, wenn der Einsatz so bleibt, auch sein Wunsch Wirklichkeit werden. In Minden hat bestimmt auch keiner was dagegen, den sympatischen Tschechen und sein Team auch in der kommenden Saison willkommen zu heißen. Na, dann auf in die verbliebenen verflixten sieben Saisonspiele.
Fotos & Text.: Hari Januschke