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Doppeltes Interesse beim ersten CSD in der Seestadt

Was heute aussieht, wie eine bunte Party­p­a­rade, hat vom Ursprung her einen tragi­schen Hinter­grund. 1969 probten  Homo­se­xu­elle und andere Minder­heiten in New York einen Aufstand, um sich gegen perma­nente Poli­zei­kon­trollen zur Wehr zu setzen. Die Poli­zei­ein­sätze wurden oft gewaltsam durch­ge­führt. Auch in jenen Morgen­stunden des 28. Juni 1969 versuchten die Beamten den Aufschrei mit allen Mitteln zu beenden; doch dieses Mal hatte die Aktion tagelange Stra­ßen­schlachten zur Folge.

Diese Vork­om­nisse, die sich in der Chris­to­pher Street abspielten, und damit namens­ge­bend für die mitt­ler­weile welt­weiten Kund­ge­bungen jedes Jahr im Juni / Juli  waren, sorgten für die Gründung eines Komittees, in denen benach­tei­ligte Minder­heiten sich für ihre Rechte einbrachten. Bereits 1970 fand in den Straßen New Yorks der erste Chris­to­pher Street Day statt. Nach und nach horchten Gleich­ge­sinnte auch in anderen Ländern auf, um diesen Beispiel zu folgen. 1977 bewegte sich in Stockholm die erste Parade auf euro­päi­schem Boden, und zwei Jahre später wurde der CSD auch in Deutsch­land heimisch.

Die ersten Parties hier­zu­lande bewegten sich 1979 zunächst jubelnd an den Menschen­mengen in Berlin und Köln vorbei. Und in Bremen. Nach und nach nahmen in Deutsch­land fast alle Städte die Idee auf, aber der bundes­länd­liche Bruder der Hanse­stadt in Bremer­haven tat sich orga­ni­sa­to­risch bei der Umsetzung schwer. Zwar gab es unter Homo- und Trans­se­xu­ellen ein großes Interesse, und es gibt in der Stadt ein großes Angebot von und für diese Menschen; doch im Unter­schied zu Bremen musste Bremer­haven 43 Jahre auf seinen ersten CSD warten.

Am Samstag, dem 9. Juli 2022 war es soweit. Und das Warten hatte sich gelohnt. Pünktlich um 12 Mittags setzte sich der Zug passen­der­weise vor dem Gebäude des Haupt­bahn­hofs in Bewegung, um nach circa 2 Stunden am Zöllin­land­platz einzu­treffen. Natürlich wie einst in New York, war zur Sicher­heit auch Polizei vor Ort, um zum Schutze der Kund­ge­bler die Route zu sichern. Einsätze wie einst 1969 waren natürlich nicht mehr nötig, aber über­rascht wurden die Beamten dennoch vor Ort. Statt der vermu­teten 500 Teil­nehmer machten sich über 1000 Menschen auf den Weg durch die Innen­stadt Bremerhavens.

Die doppelte Teil­neh­mer­zahl zeigte auch, wie wichtig auch den Bremer­ha­ve­nern die Forderung nach Gleich­be­rech­ti­gung ist. Aber nicht nur bei den Aktiven in der Seestadt. Sicher, vieles hat sich innerhalb der 53 Jahren zur gesunden Norma­lität gewendet. Aller­dings nicht bei jedem Einzelnen, und auch nicht in jedem Land der Welt. Daher werden sexuelle Minder­heiten auch in Zukunft weiterhin auf den bunten Veran­stal­tungen für ihre Rechte aufmerksam machen. Und sie haben ja recht. Es liegt an uns, an jedem Einzelnen. Vorur­teile und Vorein­ge­nom­men­heiten spielen sich im Kopf ab, und hemmen ein Mitein­ander. Muss das sein? Das fröhliche Fest darf gerne bleiben.