Der Bremerhavener Kultursommer 2022 begibt sich allmählich auf die Zielgerade. Die Freistätter Online Zeitung ist zum zweiten Mal vor Ort, und wir stellen fest, dass im Unterschied zu 2021 sehr viele neue Ideen hinzugekommen sind. Gut angekommene Ideen des Vorjahres haben zum Glück auch in diesem Jahr ihre Fortsetzung, wie zum Beispiel das Burning Beans. Nach der gelungenen Première vor knapp einem Jahr wird der Zöllinlandplatz der Seestadt immer mehr zum Inbegriff der Fans von Raggae Musik.
Es gab natürlich Korrekturen im Rahmenprogramm, auch waren unter den Künstlern neue Namen dabei, aber ansonsten setzten die Veranstalter auf das Erfolgsrezept vom Vorjahr. Festivals gibt es viele, aber wenige, die die Location in ein einzigartiges OpenAir-Wohnzimmer verwandeln. Gartenstühle, gemütliche Nischen, dazu natürlich Liegewiesen, ideal für die eigene Bewegung und für die Entspannung.
Vielleicht ein wenig unbewusst machen die Bremerhavener zusätzlich etwas Gutes für ihre Heimatstadt. Auf dem Zöllinlandplatz, der sich im Stadtteil Lehe befindet, wurde vor einigen Jahren ein maroder Fußballplatz abgerissen. So mancher Einheimische befürchtet nun, dass nach dem Abriss nun ein Neubau für sanierten, und damit für viele, unbezahlbarem Wohntraum entsteht. Engagierte der Stadt entwickelten als Gegenstrom die Zölli-Initiative. Damit sollen durch die Finanzierung die Grünflächen erhalten bleiben.
Die Rechnung geht bislang zumindest auf. Und das Festival Burning Beans kann da verstärkt mithelfen. Wenn, wie am vergangenen Sonnabend immer mehr Menschen auch außerhalb des Festivals den Zöllinlandplatz wieder entdecken, liegt es an der Stadt, die Fläche ökologisch und ökonomisch attraktiv zu gestalten. Obwohl – soviel muss da eigentlich, wenn es nach dem Publikum vom Samstag geht, nicht gemacht werden. Sicher, an der ein oder anderen Stelle blüht es nicht nur, nein, es wuchert auch an Pflanzenwelt. Aber genau das macht die Fläche so idyllisch.
Musikalisch wurde eine sehr vielfältige Palette rund um den typischen Jamaika-Sound angeboten. Zum Start gab es sogar hoffnungsvollen Nachwuchs von Lokalmatadoren. Die aus Bremerhaven stammende Formation Die Erogenen Zitronen gibt es erst seit vergangenen Herbst, und seit diesem Frühjahr schreiben die Künstler des Septetts eigene Songs; sogar in ihrer deutschen Muttersprache.
Raggae ist mittlerweile mehr als nur das Covern von Bob-Marley-Songs. Auch mit diesem Musikstil lässt sich super remixen. Koro Boni aus Hannover fügte seiner Musik sehr starke Rockelemente mit ein, und die Formation Tresure B würzte ihren Auftritt mit einer ordentlichen Portion Ska. Reinsten Hardcore-Raggae gab es mit Conkahgood, und Yaw Dempreh bot dem Publikum sogar einen Workshop auf der Bühne an; als Zugabe strömten etliche Musikfans auf die Bühne, um eine Percussion Nummer einzuüben.
Zum Abschluß des Reigens der nationalen Raggaegrößen trat eine Künstlerin von internationalem Format auf. Jaqueline Nakiri Nalubale alias Jaqee hatte sich schon in Schweden einen Namen gemacht, als sie vor einigen Jahren anfing, sehr erfolgreich auch in Deutschland ihre Musik zu veröffentlichen. Es gibt viele Musiker, aber ganz wenige, die über so eine ansteckende Ausstrahlung verfügen; die aus Uganda stammende R&B‑Musikerin strahlt eine gute Laune aus, der man sich nicht entziehen sollte.
Wer die kompletten 10 Stunden auf dem Zöllinlandplatz verbracht hatte, musste freilich nicht verhungern, leckere Imbisse aus fernen Ländern wie Vietnam oder Indien, aber auch Pizza auf ökologischer Basis stillten den Hunger der Musikfans. Durstlöscher fanden die Freunde von alkoholfreien Getränken genauso wie den Liebhabern der prickelnden Genüsse. Für gehobenere Ansprüche wurde sogar original schottischer Whiskey angeboten.
Aus zeitlichen Gründen konnte ich leider nicht bis zum Schluss bleiben, und somit auch nicht beim eigentlichen Höhepunkt, dem Abbrennen des Burning Beans. Es handelt sich hierbei um eine Holzkonstruktion, die einem Vogel ähnelt. Aber nach dem Burning Beans ist bekanntlich vor dem Burning Beans. Das versuchen wir nächstes Jahr zeitlich besser zu händeln, denn wir gehen fest davon aus, dass es auch im Sommer 2023 ein Festival mit ganz besonderer Musik auf dem Bremerhavener Zöllinlandplatz gibt.
Fotos & Text.: Hari Januschke