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Grazie Molto an Dr. Euro­vi­sion – ESC And Eat Nr.3

Wenn zwei am Rande des Konti­nents liegen, freut sich die Mitte. Nach dem Ausflug ins südliche Portugal und der gelun­genen Veran­stal­tung über Finnland trafen sich am vergan­genen Sonnabend zum dritten Mal ESC-Fans zum ESC and Eat. Dieses Mal lud der Gastgeber, Dr. Irving Benoit Wolther Musik­in­ter­es­sierte, aber auch hungrige Fans zum Austausch über unsere eidge­nös­si­schen Nachbarn nach Hannover ein. Kurz, es war ein Abend über und für die Schweiz.

Das ESC and Eat ist auch am Vorabend des 1. Advents ein kultu­reller, kuli­na­ri­scher und infor­ma­tiver Austausch über ein Teil­neh­mer­land des bedeu­tensten Musik­wett­be­werbs der Welt. ESC und die Schweiz – das ist eine Reise mehr als "zurück zu den Anfängen". Denn mit dem SRG (größte Schweizer TV-Anstalt) fing die Erfolgs­ge­schichte des euro­päi­schen Festivals an. Der damalige Gene­ral­di­rektor Marcel Bezençon sprach 1955 auf einer inter­na­tio­nalen Tagung offen über die Idee eines konti­nen­talen Wett­streits. Als dieser Vorschlag konkret wurde, war der SRG Gastgeber des aller­ersten Euro­vi­sion Song Contests, und auf die Einladung folgten sechs weitere Nationen – mehr waren es zu diesem Zeitpunkt noch nicht – am          24. Mai 1956 nach Lugano ins Tessin. Als der erste ESC-Sieger bekannt gegeben wurde, hatte auch hier die Schweiz die Nase vorn; die damals sehr populäre Lys Assia siegte mit dem leichten Chanson "Refrain".

Es war wie immer eine große Freude unter den Anwe­senden. ESC-Fans sind natürlich weltoffen, und haben wenig Berüh­rungs­ängste. Um Respekt dem Motte des Abends zu zollen, gab es für alle ein Gueten Obig. Nach einem Will­kom­mens­ge­tränk und ersten Vorbe­rei­tungen in der Küche für das Schweizer Abend­essen gab es erstmal einen geschicht­li­chen Rückblick über den Grund, weshalb es in einem Land mit gerade mal knapp 9 Millionen Einwoh­nern soviele unter­schied­liche Sprachen gibt. Als Landes­spra­chen gelten neben Deutsch, Italie­nisch und Fran­zö­sisch das seltenere gespro­chene Räto­ro­ma­nisch. Inof­fi­ziel könnte man auch das bei uns bekannte Schwy­zer­dütsch hinzu­fügen. Wir sind hier auf eine Infor­ma­tion gestossen, die dieses sehr ausführ­liche Thema genauer behandelt.

Begleitet wurde der Abend stets durch Einblen­dungen der Schweizer ESC-Geschichte sowie zusätz­lich mit Songs, die in den natio­nalen Vorent­schei­dungen des Landes ange­treten sind. Als Opener galt der Song, der im Song den schwei­ze­rischsten Eindruck hinter­lassen hatte, nämlich Alphorn­klänge als Beglei­tung. 1977 schaffte die Pepe Lienhard Band mit der "Swiss Lady" nicht nur einen guten 6. Platz beim Finale in Wembley, sondern mit selbigen Beitrag einen teilweise euro­pa­weiten Chart­erfolg. Der Band­leader Pepe Lienhard machte mit seiner Combo darüber hinaus jahr­zenhn­te­lang Karriere als Begleit­band auf den Tourneen von Udo Jürgens.

Zum Thema wurde auch der einzige Song, der in der gesamten ESC-Geschichte auf räto­ro­ma­nisch gesungen wurde. Sie erinnern sich bestimmt an die Band Furbaz, die 1989 in Lausanne mit "Viver Senza Tei" aufge­fallen ist. Aber auf die Antwort des gast­ge­benden Dr. Wolther, wann es zum ersten Mal ein Lied in räto­ro­ma­nisch beim ESC gab, kamen selbst ESC-Kenner nicht auf Anhieb. Fangfrage, denn es war exakt die selbe Band, die bereits 2 Jahre zuvor mit "Da Cumpignia" einen Versuch wagten, Europa diese seltene Sprache musi­ka­lisch zu präsentieren.

Und gab es Abend­essen, aber – wie es beim ESC And Eat üblich ist, kam natürlich kein Liefer­ser­vice, sondern die Teil­nehmer durften selbst in der Küche mit anpacken. Heraus kam eine Baseler Mehlsuppe als Vorspeise. Schon hier gewann man beim Verzehr den Eindruck, dass die meisten die Nahrungs­zu­fuhr über den Tag verteilt, soweit herun­ter­ge­fahren haben, um am Abend nicht vorzeitig satt zu sein, denn nicht bei allen reichte ein Teller nicht aus, um genie­se­risch in Fahrt zu kommen. Doch bekannt­lich lässt sich auch beim Essen nicht auf einen Bein stehen. Was für den Nicht-Schweizer von der Ferne aussieht wie ein Gemü­se­blät­ter­teig, die im Land von Alm-Öhi, Heidi und DJ Bobo – Achtung – Cholera genannt wird.

Doch nun sollte der Magen so richtig gefüllt werden; einige gaben zu, im Vorfeld darauf getippt zu haben, dass es bei dem Motto des Abends ein Käse­fondue geben wird. Für die ganz ´mutigen wurde das Stück Baguette vor dem Käsebad in Kirsch­wasser getunkt. so wie es tradi­tio­nell in der Schweiz üblich ist. Und wie vor Ort es mitt­ler­weile durch­ge­führt wird – sollte das Stück Brot von der Gabel rutschen und im Käse einsinken, gibt es eine Art "Strafe". In Hannover bestand sie darin, ein Lied aus der schwei­ze­ri­schen ESC-Geschichte a‑capella anzu­stimmen. Es passierte an diesem Abend einmal, als Belohnung gab es daraufhin "Bonjour, Bonjour" zu hören, jener Beitrag, mit dem Paola 1969 in Madrid ihr Glück versuchte.

Das war schon alles? Mitnichten; Dr. Irving Wolther erklärte, es sei selbst in der Schweiz unüblich, nach einem wuchtigen Essen wie das Käse­fondue noch einen Nachtisch zu servieren. Der tagsüber von vielen durch­ge­führten Zurück­hal­tung war es wohl zu verdanken, auch ein Stück von der Schweizer Brottorte zu probieren. Wer zu später Stunde wollte, auch mit Espresso. Zusätz­lich ergänzt mit landes­ty­pi­schen Weinen, waren alle schön satt, als die nächt­liche Uhr immer näher Richtung 1. Advent rückte. Und damit verbunden war auch das viel zu Schnelle Ende eines schönen Abends. ESC-Fans sind ja in der ganzen Welt verstreut. Man sieht sich leider viel zu selten. ESC-Fan zu sein ist ja gar nicht so schwer. Man muss einfach nur gerne Musik hören, und seinen Spaß dran haben – schon hat man eine Sprache gewählt, mit der man viele andere Menschen problemlos erreicht.

Fotos & Text.: Hari Januschke