Das Tagebuch des im Alter von 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen Belsen verstorbenen jüdischen Mädchens Anne Frank ist eines der bekanntesten Dokumente der Geschichte des 2. Weltkriegs. Die erschütternden Aufzeichnungen von Anne Frank, die fast 2 Jahre mit der Familie eingepfercht in einem Amsterdamer Hinterhaus lebte, um der Deportation durch die Nationalsozialisten zu entgehen, bis sie im August 1944 entdeckt wurde, gingen nach ihrem Fund um die Welt.
Heute ist das Tagebuch nicht nur in über 70 Sprachen übersetzt, sondern wurde bereits mehrfach verfilmt. Wohl am bekanntesten ist George Stevens Hollywood- Werk „Das Tagebuch der Anne Frank“ von 1959, welches mit 3 Oscars prämiert wurde. Während der Berlinale 2016 wurde nun die erste deutsche Verfilmung vorgestellt. Der Regisseur Hans Steinbichler („Winterreise“, „Landauer – Der Präsident“) schuf hierbei ein sehr natürlich wirkendes und gefühlvolles Drama, vor allem in der Hauptrolle hervorragend besetzt. Anders als seine Vorgänger, geht Steinbichler hauptsächlich auf die Nöte und Ängste der pubertären Protagonistin ein.
Der jüdische Unternehmer Otto Frank (Ulrich Noethen) entschloss sich 1934 mit seiner Frau Edith (Martina Gedeck) und den Töchtern Anne (Lea van Acken) und Margot (Stella Kunkat) von Frankfurt am Main nach Amsterdam zu ziehen. Doch auch hier spitzt sich nach der deutschen Besetzung der Niederlande 1940 die Situation der Familie immer mehr zu. Die ältere Tochter Margot soll schließlich in ein Arbeitslager deportiert werden, was den Vater dazu bewegt mit der gesamten Familie unterzutauchen. In der Prinsengracht 263, seinem Firmensitz, verstecken sie sich gemeinsam mit den hinzukommenden van Daans – Hans (André Jung), Petronella (Margarita Broich) und Peter (Leonard Carow) – sowie dem Zahnarzt Albert Dussel (Arthur Klemt) im ungenutzten Hinterhaus. Auf etwa 50 Quadratmetern müssen 8 Personen ausharren, bei zugezogenen Gardinen und peinlichst darauf bedacht keine lauten Geräusche von sich zu geben, um den Anschein des leerstehenden Hinterhauses zu wahren. Trotz dieser furchtbaren Lebensbedingungen entwickelt sich so etwas wie ein Alltag, den Anne Frank in ihrem Tagebuch beschreibt.
Auch wenn die Gefahr stets präsent ist, erzeugt der Film eine im Vergleich zu den älteren Filmen einzigartige Atmosphäre. In vielen äußerst authentischen und emotionalen Szenen, wird das Seelenleben eines temperamentvollen, intelligenten jungen Mädchens aufgezeigt, das völlig eingeengt durch die Wirrungen der Pubertät findet, seine Angst vor der Deportation durchlebt und sich mit dem Chaos des Krieges und der Brutalität des Nationalsozialismus auseinandersetzt.
Dies gelingt durch eine gelungene Komposition aus Alltäglichem, wie dem Dekorieren der engen Räumlichkeiten, Konflikten mit der Mutter oder einer langsam keimenden ersten Liebe zwischen Anne und Peter. Die Gedankenwelt Anne Franks, vor allem die zum Krieg und Antisemitismus, wird dem Zuschauer durch zitierte Stellen des originalen Tagebuchs gewahr. Dabei kommt der Film hervorragend mit seinen wenigen Spannungsszenen zurecht. Abgesehen von einem alliierten Bombenangriff und einem nächtlichen Einbruch passiert hier wenig.
Auch positiv zu erwähnen ist, dass sich nicht damit begnügt wird nach der Deportation die Schicksale in Schriftform einzublenden, sondern dass dieser grauenvolle Kontrast tatsächlich gezeigt wird. Nachdem man knappe zwei Stunden die Charaktere eindrücklich kennen lernen durfte, ihre Hoffnungen und Ängste, die Welt eines nun 15-jährigen Mädchens mit seinen Träumen und seiner erstaunlich reifen Weltsicht, ist es herzzerreißend zu sehen, wie diesem nackt, ausgemergelt und leer im Gesicht, einem Tier im Schlachthaus gleich, die Haare abrasiert werden.
Fazit: Eine sehr einfühlsame Verfilmung, die mit ihrer Echtheit überzeugt. Ein Mahnmal für die ermordeten Juden durch die Nationalsozialisten. Angesichts der letzten Wahlergebnisse auch eine Warnung vor dem was passieren kann, wenn man aus Protest die Falschen wählt.
Der Film läuft zur Zeit im Filmpalast Sulingen, täglich ab 20:00 Uhr.