Abschluß-Erklärung vom Sommercamp Freistatt 2016

Abschluß-Erklärung vom Sommer­camp Freistatt 2016

Abschluß-Erklärung vom Sommercamp Freistatt 2016
Abschluß-Erklärung vom Sommer­camp Freistatt 2016

Was gehn euch meine Lumpen an ?

Da hängen Freud und Tränen dran.

Was kümmert euch denn mein Gesicht ?

Ich brauche euer Mitleid nicht !

—  B. Traven, »Das Toten­schiff«, 1926


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Sommercamp–Erklärung

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I. Orga­ni­sa­to­ri­scher Rahmen

Vom 24. bis zum 31. Juli 2016 fand in Freistatt, Nieder­sachsen das erste Wohnungs­lo­sen­treffen Sommer­camp 2016 statt unter dem Motto:

Kommt Alle! – Alles verändert sich, wenn wir es verändern.“

Insgesamt sind 77 Teil­neh­mende der Einladung gefolgt, davon 63 Männer und 14 Frauen. Der über­wie­gende Teil kam aus Nieder­sachsen und Nordrhein-Westfalen sowie aus weiteren Orten in Deutsch­land; 11 Teil­neh­mende kamen vom euro­päi­schen Netzwerk HOPE (HOmeless PEople). Vertreten waren die Länder Dänemark, Finnland, Irland, Öster­reich und die Niederlanden.

Wohnungs­lo­sen­treffen gab es bereits in der Vergan­gen­heit: 1929 ein Vaga­bun­den­kon­gress in Stuttgart, 1981 ein Berber­treffen in Stuttgart sowie 1991 den Kongress der Kunden und Vaga­bunden, Obdach- und Besitz­losen in Uelzen.

Die Idee dieses zunächst auf drei Jahre ange­legten Vorhabens wurde entwi­ckelt von Jürgen Schneider vom Armuts­net­zerk, von Peter Szynka vom Diako­ni­schen Werk in Nieder­sachsen, Frank Kruse von der Wohnungs­lo­sen­hilfe Bethel und Stefan Schneider, Sozi­al­wis­sen­schaftler aus Berlin. Beantragt wurden Mittel zur Finan­zie­rung des Projekts bei der Aktion Mensch, beim Diako­ni­schen Werk in Nieder­sachsen, beim Sozi­al­mi­nis­te­rium Nieder­sachsen und der Stiftung Bethel.

Ziel dieses Wohnungs­lo­sen­treffens ist es, Teilhabe und Selbst­or­ga­ni­sa­tion wohnungs­loser und ehemals wohnungs­loser Menschen zu fördern. Dieses Angebot ist bisher einzig­artig in Deutschland.

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II. Die Erklärung der Teilnehmenden

Wir als Teil­nehmer möchten folgendes festhalten:

1. Wir wurden respekt­voll und freund­lich aufge­nommen. Das war ein anderer Umgang im Vergleich zu dem, was wir sonst übli­cher­weise erleben.

2. Wir kannten uns vorher nicht oder nur wenig und konnten uns hier in Freistatt erstmals auf einer anderen Ebene begegnen, austau­schen und gemein­same Anknüp­fungs­punkte finden. Ein Gemein­schafts­ge­fühl ist entstanden und verbindet für die Zukunft. Wir konnten fest­stellen, dass wir unter­ein­ander auftre­tende Konflikte aushalten und Gegen­sätze akzep­tieren können.

3. Es war sowohl Zeit für die Teilnahme und Mitarbeit an den umfang­rei­chen Programm­an­ge­boten, aber auch genügend Raum für Gespräche, Freizeit, Entspan­nung und Erholung. Alles gehörte dazu, um ein Mitein­ander zu finden.

4. Die Work­shop­in­halte empfanden wir als viel­fältig, anregend und anspruchs­voll. Wir haben uns mit Themen befasst, die uns unmit­telbar betreffen und mit der Verän­de­rung der Welt. Themen waren u.a. Hartz IV Sank­tionen, Wohnungs­lo­sen­hilfe, Selbst­hilfe, Diskri­mi­nie­rung, Sucht, Reichtum und Armut, das Leben mit und ohne Gott, Politik, Euro­päi­sche Zusam­men­ar­beit und persön­liche Situationen.

5. Auf dem Sommer­camp haben sich das Armuts­netz­werk e. V. und das euro­päi­sche Netzwerk HOPE (HOmeless PEople) zu Mitglie­der­ver­samm­lungen getroffen. Das Armuts­netz­werk infor­mierte über seine Arbeits­weise, stellte die App „Pro-Berber“ vor, und wählte einen neuen Vorstand. Das inter­na­tio­nale Gremium von HOPE befasste sich in ihrer General Assembly mit ihren Statuten, in HotSpots mit Best­Prac­tices der Teilhabe und dem Gegensatz und der indi­vi­du­ellen Defi­ni­tion von Armut und Reichtum.

6. Der plötz­liche Tod des Teil­neh­mers Thomas Schmidt durch einen Herz­in­farkt hat sehr viel Betrof­fen­heit unter uns ausgelöst. Bei der Trau­er­an­dacht in der Moor­kirche fand Pastor Sunder­mann passende Worte für unsere Gefühlslage.

7. Das Sommer­camp bot uns teil­neh­menden Frauen und Männern einen geschützten Rahmen. Wir haben Gemein­schaft gelebt. Gruppen haben sich gefunden, um eigene Inter­essen zu erkennen und zu formulieren.

8. Wir wollen uns in einem kleineren Rahmen Anfang November 2016 erneut in Freistatt treffen, um das dies­jäh­rige Sommer­camp und die erste Arbeits­phase der Gruppen auszuwerten.

9. Wir werden die Idee von Teilhabe und Selbst­or­ga­ni­sa­tion aufgreifen und zu unserer eigenen machen. Wir wollen die weiteren Planungen in unsere eigenen Hände nehmen.

10. Wir laden deutsch­land- und euro­pa­weit alle unbe­dachten und besitz­losen Frauen und Männer ein, beim nächsten Wohnungs­lo­sen­treffen im Sommer 2017 teil­zu­nehmen..

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Wir machen einen Anfang.

Wir wollen der Würde eine Stimme geben.

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Freistatt, Nieder­sachsen

30. Juli 2016

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Die Teil­neh­me­rinnen und Teil­nehmer des Wohnungs­lo­sen­treffens Sommer­camp Freistatt 2016

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(… Download der Sommer­camp-Erklärung 2016 als PDF-Datei)