Gipfel zur Wohnungs­lo­sig­keit im Kanz­leramt? – Ein Kommentar

Gipfel im Bundeskanzleramt zur Wohnungslosen-Problematik
Gipfel im Bundes­kanz­leramt zur Wohnungslosen-Problematik

Recht­zeitig zum Beginn der Kälte­hilfe für Obdach­lose fordert die Direk­torin der Caritas, Ulrike Kostka, einen Gipfel im Kanz­leramt, um über die steigende Wohnungs­lo­sig­keit in Deutsch­land zu sprechen. Ange­sichts der sich hinzie­henden Koali­ti­ons­ver­hand­lungen zwischen CDU/CSU, der FDP und den Grünen stellt sich die Frage, ob ein solcher Gipfel noch im Winter reali­sierbar ist.Viel wichtiger ist aller­dings die Frage, wie so ein Gipfel denn aussehen müsste.

In ihrer Forderung spricht Ulrike Kostka davon, dass Bund, Länder und Kommunen das Problem gemeinsam anpacken sollten. Die Wohnungsnot in Deutsch­land nehme von Woche zu Woche zu und werde im kommenden Jahr rund 500.000 Menschen betreffen, sagte Kostka unter Verweis auf eine Schätzung der Bundes­ar­beits­ge­mein­schaft für Wohnungs­lo­sen­hilfe (BAGW).

Kostka betonte, Menschen, die sich um bezahl­baren Wohnraum sorgen müssen oder gar ihre Wohnung verlieren, würden von der Politik „links liegen gelassen“. Dabei gehe es um elemen­tare Grund­be­dürf­nisse und die Menschen­würde. „Hier bahnen sich Konflikte mit sozialem Spreng­stoff an“, betonte die Cari­tas­di­rek­torin in Berlin.

Für mich stellt sich die Frage ob und wie Betrof­fene an einem solchen Gipfel beteiligt wären und wie unsere Forde­rungen an einen solchen Gipfel aussehen könnten. Da fällt mir ja doch eine ganze Menge ein:

- Die schon lange fällige Veran­ke­rung des Rechts auf Wohnen im deutschen Grundgesetz
– Mindest­stan­dards für Notun­ter­künfte einführen, wobei Betrof­fene in den Kontroll­gre­mien sitzen sollten.
– Die Einstel­lung der Vertrei­bung Obdach­loser von öffent­li­chen Plätzen
– Die Einstel­lung des Versuchs, Wohnungs­lose aus der EU, bzw. Geflüch­tete aus dem Thema auszugrenzen
– Die ebenfalls lange Fällig­keit der Ankur­be­lung des sozialen Wohnungs­baus in Deutschland.
– Verbot des zukünf­tigen Verkaufs von Sozi­al­woh­nungen durch die Kommunen oder Länder
– Die generelle Einholung von Betrof­fe­nen­mei­nungen als Experten auf allen Entscheidungsebenen
– Ein spezi­elles und wirkungs­volles Programm zur Bekämp­fung von Armut in Deutschland
– Die Wieder­ein­füh­rung der Vermö­gens­steuer, eine Forderung, die an Selbst­ver­ständ­lich­keit kaum über­bietbar ist
– Die Einrich­tung eines eigenen Fach­be­reichs Armuts­be­kämp­fung in den Sozialministerien
– Die Einfüh­rung einer staat­li­chen Förderung von selbst­ver­wal­teten Projekten zur Armuts­be­kämp­fung und Verbes­se­rung der Situation Wohnungsloser.

Das fällt mit spontan dazu ein – wenn ich länger darüber nachdenke, wird das aller­dings kein Kommentar, sondern ein Buch. Der logischen und notwen­digen Forde­rungen sind so viele, das ein einma­liges Zusam­men­treffen wohl kaum ausrei­chen würde. Und selbst das Zustan­de­kommen dieses Gipfels halte ich ange­sichts der poli­ti­schen Lage für extrem fragwürdig.

Trotzdem wäre natürlich, wenn es zu einem solchen Gipfel kommt, eine Betei­li­gung der Selbst­ver­tre­tung Vereinter Wohnungs­loser wünschens­wert und sinnvoll. Denkbar wäre, dass wir hier in Freistatt ein Koor­di­nie­rungs­treffen für einen solchen Gipfel ausrichten würden, um das Gespräch vorzu­be­reiten und Dele­gierte auszu­wählen, sowie in dem Treffen gefasste Entschlüsse mit anderen Teil­neh­mern abzustimmen.

Gipfel im Bundeskanzleramt zur Entwicklung der Wohnungslosigkeit in Deutschland
Gipfel im Bundes­kanz­leramt zur Entwick­lung der Wohnungs­lo­sig­keit in Deutschland

Der allge­meine Pres­se­tenor zu diesem Thema liest sich leider so, als wäre durch die Forderung alleine der Gipfel schon quasi beschlos­sene Sache. Dem ist aber nicht so. Und wenn der Winter vorbei ist, und nur die statis­tisch erwartete Anzahl von Obdach­losen erfroren ist, dann wird wahr­schein­lich wieder zur Tages­ord­nung übergegangen.

Die Forderung nach einem länder­über­grei­fenden Ansatz ist genauso wenig neu, wie das Thema an sich. Wenn wir, die eigent­lich Betrof­fenen, uns nicht endlich gegenüber der Politik, den Kommunen, Ländern und der Bundes­re­gie­rung selbst vertreten, dann ändert sich voraus­sicht­lich nichts. Und statt­dessen wird es schlimmer.


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