Sozialarbeiter Wolfgang Bluhm plante für den zweiten März-Freitag 2019 einen Ausflug zum Hubschraubermuseum in Bückeburg. Und um es mit den berühmten Worten von Colonel Hannibal Smith vom A‑Team zu sagen: "Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert". So trafen sich acht Bewohner der Wohnungslosenhilfe Freistatt sowie Wolfgang Bluhm und Hartmut Bambey vom Fahrdienst der Wohnungslosenhilfe an jenem Freitag pünktlich um 13 Uhr und los ging die Reise in die etwa 65 km entfernte ehemalige Residenzstadt Bückeburg im niedersächsischen Landkreis Schaumburg. Nach einer rund einstündigen Fahrt erreichten wir das im Zentrum von Bückeburg am Sabléplatz gelegene Hubschraubermuseum.
Der Bergmannshof
Das Museum ist seit 1971 im historischen denkmalgeschützten Burgmannshof untergebracht, der 1463 erstmals als Burglehn der Grafen von Schaumburg urkundlich erwähnt und vor dem Umbau als Altenheim genutzt wurde. Vorher war die Sammlung auf dem Kasernengelände der Heeresfliegerschule Bückeburg untergebracht. 1980 wurde das Museum durch eine Ausstellungshalle erweitert, da die Exponate auf dem vorher bestehenden Freigelände unter Witterungseinflüssen und den Klettergelüsten jugendlicher Museumsbesucher gelitten hatten. Im Jahr 2011 wurde das Museum dann durch einen weiteren Anbau, die sogenannte Voliere, erweitert.
Eine Attraktion des wirklich sehr lohnenswerten Museums, an dem auch Captain H. M. "Howling Mad" Murdock vom bereits erwähnten A‑Team seinen Spaß gehabt hätte, ist ein Simulator im Eingangsbereich, an dem interessierte Museumsbesucher gegen einen kleinen Obolus ihr Können – oder auch Nicht-Können – als Hubschrauberpilot ausprobieren können.
Die „Wunderkammer“
Auf dem Weg zum ersten Ausstellungsraum namens „Wunderkammer“ erfahren die Besucher wissenswertes über die Geschichte des Museums. In der „Wunderkammer“ sind dann Exponate von Fluggeräten aus den Anfängen der Luftfahrt, wie beispielsweise das Modell der Luftschraube von Leonardo da Vinci oder des ersten Heißluftballons, der Montgolfière, zu bestaunen. Neben diesen Modellen sind in der „Wunderkammer“ der einzige noch existierende Prototyp des einsitzigen Hubschraubers Aerotechnik WGM-21 sowie ein aus US-amerikanischer Produktion stammender Gyrocopter des Typs Bensen B‑8M im Original zu sehen.
In der nächsten Abteilung gab es dann verschiedene Vitrinen mit Informationen zu berühmten Hubschrauber- und Fluggeräte-Konstrukteuren wie etwa Étienne Œhmichen – einem französischen Ingenieur und Hubschrauberkonstrukteur, Juan de la Cierva – dem Erfinder des Gyrocopters, Jakob Christian Hansen Ellehammer – einem dänischen Luftfahrtpionier oder Emil Berliner – einem deutsch-amerikanischen Erfinder.
Abteilung „Technik“
Nun ging es in die Abteilung „Technik“, in der gleich beim Eintreten zwei Hubschrauber ins Auge fielen. Zum einen gab es eine Bell UH-1D, einen leichten Mehrzweckhubschrauber aus US-amerikanischer Produktion. Diese Maschinen hörten auf die Spitznamen „Huey“ als Anspielung auf ihre ursprüngliche Bezeichnung HU‑1 oder auch „Teppichklopfer“ wegen ihrer typischen Geräuschentwicklung. Eine solche Bell spielte auch die Hauptrolle in der deutschen TV-Serie „Die Rettungsflieger“. Die zweite in dieser Abteilung zu bestaunende Maschine ist ein Aérospatiale SA 330 J Puma, ein mittlerer Transporthubschrauber aus französisch-britischer Produktion.
Der „Heeresfliegerraum“
Von der „Technik“ ging es dann in den „Heeresfliegerraum“. Hier erwartet die Besucher ein Aérospatiale SE.3130 Alouette II, einer der ersten in Serie gefertigten Hubschrauber mit Gasturbinentriebwerk. In diesem Ausstellungsstück haben Museumsbesucher die Möglichkeit, einmal selbst in einem Hubschrauber-Cockpit Platz zu nehmen. Der Name Alouette ist übrigens das französische Wort für die Lerche. Als zweites Exponat präsentiert das Hubschraubermuseum hier im „Heeresfliegerraum“ eine MBB Bo 105 P1A1, ein Panzerabwehrhubschrauber aus deutscher Produktion, ausgerüstet mit sechs drahtgesteuerten HOT-Raketen. Außerdem diesen beiden Original-Hubschraubern gab es noch verschiedene Hubschrauber-Modelle wie beispielsweise das eines Eurocopter EC-665 Tiger, eines deutsch-französischen Kampfhubschraubers, in diesem Ausstellungsraum zu sehen.
Abteilung „Hersteller“
Weiter geht es vom „Heeresflieger“ zu den „Herstellern“. In dieser zweistöckigen Ausstellungshalle sind zahlreiche Original-Hubschrauber, aber selbstverständlich auch Modelle der unterschiedlichsten Hubschrauber-Hersteller zu sehen. Nachfolgend einige Kurzbeschreibungen zu den auf den Fotos am Ende dieses Abschnitts gezeigten Maschinen: Die Bell 47 G‑2 H‑13 Sioux ist ein leichter zwei- oder dreisitziger Hubschrauber aus US-amerikanischer Produktion. Die Maschine mit dem "Goldfischglas"-Cockpit ist vor allem aus dem Koreakrieg bekannt, wo mit seiner Hilfe tausende verletzter Soldaten ausgeflogen werden konnten, die auf Trägern außerhalb des Cockpits festgeschnallt wurden. In diversen Szenen der TV-Serie M*A*S+H ist diese Art des Verwundeten-Transports gut zu erkennen. Der Bölkow Flying Jeep P 166/3 Experimental ist ein Versuchsgerät zur Entwicklung einer fliegenden Plattform und wurde 1960 von Götz Heidelberg entwickelt. Das Gerät besitzt einen Rotor für den Auftrieb und zwei Propeller für den Vortrieb. Als Antrieb diente Blasluft, die den Rotoren zugeführt wurde. Den aus deutscher Produktion stammenden stationären Hubschraubertrainer Bölkow Bo 102 Heli Trainer würde man wohl heutzutage als Simulator bezeichnen. Damals wurde er als Bodentrainer oder Heli Trainer bezeichnet. Seine Aufgabe war es, blutigen Anfängern gefahrlos die Grundlagen des Hubschrauberfliegens beizubringen. Die MBB Bölkow Bo 105 V3 ist eine zukunftsweisende deutsche Hubschrauberentwicklung aus den 1960-er Jahren. Er verfügt über das damals neue Rotor-System „Bölkow“ sowie Rotorblätter aus glasfaserverstärktem Kunststoff.
Weitere Hubschrauber
Weiter geht es dann ein Stockwerk tiefer mit noch mehr Hubschraubern. Den Anfang machen hier eine Saunders-Roe Skeeter, ein leichter zweisitziger Militärhubschrauber aus britischer Produktion, der für Ausbildungszwecke und Überwachungsflüge genutzt wurde sowie ein Merckle SM 67 V2, dem ersten Hubschrauber mit Turbinenantrieb aus deutscher Produktion. Beim nächsten Hubschrauber, einem Eurocopter EC-665 Tiger, der bereits als Modell im Raum "Heeresflieger zu sehen war, sticht dem Besucher sofort die bunte Kriegsbemalung ins Auge. Eine Maschine dieses Typ ist auch aus dem James-Bond-Film "Goldeneye" bekannt. Die Sikorsky S‑58 H‑34 GIII ist ein U‑Jagd- und Transporthubschrauber aus US-amerikanischer Produktion und wird von einem Kolbentriebwerk angetrieben. In der TV-Serie „Trio mit vier Fäusten“ ist ein rosafarbener und auf den Namen „Screaming Mimi“ hörender Hubschrauber dieses Typs als „Nebendarsteller“ zu sehen. Wegen seiner Größe sticht inmitten der anderen Exponate eine Piasecki (Vertol) H‑21 ins Auge. Er wurde als Transporthubschrauber von Frank N. Piasecki entwickelt und stammt aus US-amerikanischer Produktion. Der vom deutschen Luftfahrtingenieur Alfons Siemetzki in Eigeninitiative entworfene Siemetzki ASRO 4. "ASRO" bedeutet dabei Alfons Siemetzki Rössel Ostpreußen und das war bereits der vierte von ihm entworfene Hubschrauber. Zu einem Serienbau dieses Typs kam es dann aber nicht. Die Bristol B 171 Sycamore Mk 52 ist der erste nach dem Zweiten Weltkrieg gebaute Hubschrauber aus britischer Produktion. Die in Bückeburg ausgestellte Maschine diente einst bei den Rettungsfliegern der Bundeswehr. Der Trainingshubschrauber Hughes TH-55A Osage stammt aus US-amerikanischer Produktion und wird von einem Kolbenmotor angetrieben. Der Kamow Ka-26 Hoodlum ist ein Mehrzweckhubschrauber mit Koaxialrotor aus russischer Produktion. Der unter dem Rumpf hängende, auf dem Foto leider nicht sichtbare, Düngemittelbehälter kann gegen eine Passagierkabine ausgetauscht werden. Das ausgestellte Modell wurde im Raum Dresden in der Landwirtschaft eingesetzt. Hauptsächlich zu Rettungseinsätzen und zur Brandbekämpfung wurde der Kurzstrecken-Hubschrauber Kaman HH-43F Huskie eingesetzt. Angetrieben wurde er von einer Gasturbine. Das Wagner Rotocar III ist eine Verbindung von Auto und Hubschrauber aus deutscher Produktion. Für den Fahrbetrieb wird es von dem Motor eines Goggomobils angetrieben, der sich im Rumpf befindet. Den Flugbetrieb ermöglicht ein Umlaufmotor mit zwei gegenläufigen, koaxialen Rotorebenen. Dieses Fluggerät ist tatsächlich auch geflogen worden und besitzt sowohl eine Straßen‑, als auch eine Luftfahrtzulassung. Eine Serienzulassung hat es jedoch nie erhalten.
Besuch der „Voliere“
Zu guter Letzt ging es dann noch in die so genannte „Voliere“, dem neuesten Anbau des Museum. Hier befindet sich im Untergeschoss ein Veranstaltungsraum, im Obergeschoss werden noch einige Exponate gezeigt. Die Cornu Nummer II aus Frankreich, das hier gezeigte Modell ist ein Nachbau, wurde von Paul Cornu entwickelt und ist der erste Hubschrauber mit dem ein Flug gelungen ist – wenn auch nur für 20 Sekunden und in einer Höhe von 30 Zentimetern. Die Aérospatiale SE.3130 Alouette II ist der erste seriengefertigte Hubschrauber, der durch eine Wellenleistungsturbine angetrieben wird und stammt aus französischer Produktion. Ein weiterer Hubschrauber dieses Typs ist auch im "Heeresfliegerraum" zu sehen (siehe oben). An den Kufen aufgehängt, also kopfüber, ist hier erneut eine MBB Bo 105 zu sehen. Diesmal handelt es sich um den Typ CB‑4. Die Bo 105 ist der erste Hubschrauber mit Zulassung zum Kunstflug. Der Rotortec Cloud Dancer II ist das Mock-up eines doppelsitzigen Tragschraubers. Der „Wolkentänzer“ (so die deutsche Übersetzung) wurde von Jochen Steinbeck entwickelt und stammt aus deutscher Produktion.
Zum Ende meines Berichts bedanken wir uns noch bei Wolfgang Bluhm für diesen sehr interessanten Ausflug ins Hubschraubermuseum Bückeburg. Wer Interesse an Technik hat und neben den im Bericht gezeigten Hubschraubern viele weitere Exponate sehen möchte, dem lege ich eine Reise nach Bückeburg ans Herz. Es lohnt sich.