Zwischen Karneval und Ostern liegen sieben Wochen. Diese Phase nennt man bekanntlich Fastenzeit. Nicht nur mit der Nahrungszufuhr, auch mit der Fröhlichkeit und anderen Gelüsten sollte man sich in dieser Zeit zurücknehmen. Was allerdings nicht bedeutet, dass der Kölner das Feiern komplett verlernt. Am Ostersamstag reiste ein musikalisches Quartett aus der Domstadt nach Sulingen, um am Ende eines tollen und spannenden Abends die Korken knallen zu lassen. Setyøursails, eine vierköpfige Hardcore-Formation um Leadsängerin Jules triumphierten im Jugendzentrum beim RELOAD-Contest 2019. Die Band ist nun am 24. August auf dem RELOAD-Festival der Opener für den Festival-Samstag. Herzlichen Glückwunsch.
Der Contest war unter dem Strich ein Riesenerfolg für die Veranstalter. 160 zahlende Gäste trafen sich im JoZZ Sulingen, vornehmlich um die Kandidaten zu feiern. Und um wichtig zu sein, denn die Entscheidung darüber, wer den Sonnabend 18 Wochen später zum Einheizen bringen darf, das traf das Publikum vor Ort. Juror Markus Henke, der aus 120 Bewerbern jene ursprüngliche 5 Bands für den Wettbewerb ermittelt hatte, stellte zu Beginn den hochpolitischen Modus vor. Denn ähnlich wie bei Wahlen an der Urne hatte jeder abstimmungsberechtigte eine Zweitstimme zur Verfügung.
Die ursprüngliche Auswahl aus fünf Acts hatte sich aus gesundheitlichen Gründen reduziert, sonst wäre mit Louder Than Wolves eine zweite Band aus dem Rheinland angetreten. Somit bekam jede Gruppe eine zusätzliche Spielzeit, um ihr Können zu beweisen. Nachdem Henke alle Modalitäten vorgestellt hatte, betrat Moderator Ralf Glozober die Bühne, und gab die Spiele frei. Alle 160 Besucher hatten nun die Gelegenheit, sich vom Können der Bands ein Bild zu machen. Wer den kleinen, aber feinen Auftrittsraum im Jugendzentrum kennt, weiß, wie eng es mit 160 Personen werden kann. Zu diesem Zweck wurde im Nebenraum ein Bildschirm bereitgestellt, wo man die Show ebenfalls verfolgen konnte.
Die erste Band stellte Glozober mit der Frage vor, ob jemand in diesem Raum Lena Meyer-Landrut kennt. Denn die Gewinnerin des Eurovision Song Contest 2010 stammt aus Hannover, genau wie Arktis, dem ersten Starter des Abends. Höher hätte die Messlatte kaum gelegt werden können, um einen Contest-Vergleich heranzuziehen. Die vierköpfige Band hielt diesem Druck stand. Leadsänger Benny und seine Kumpanen präsentierten ihren Post Hardcore auf deutsch, da galt es glaubwürdig mit den Botschaften rüberzukommen. Die abgehängte Decke endete gerade über den Kopf des Frontmanns, denn der ohnehin schon groß gewachsene Sänger bestieg mehr als nur einmal das Podest. Allerdings nur zum Zwecke der Performance. Bei der Verkündung der Gewinner durften andere darauf stehen…
… nämlich der zweite Act des Abends. Kleine Frau ganz groß: Jules brauchte das Podest schon eher. Die gerade mal 1,60 Meter große Leadsängerin der Kölner Truppe Setyøursails wäre ansonsten im Licht oder im Nebel gänzlich unerkannt geblieben. Gemerkt haben sich die Voter im Raum ihre stimmgewaltige Röhre, samt ihrer unnanachahmlichen Bühnenshow. Der rheinische Wirbelwind war in keinster Weise zu halten. Hardcore Metal eine melodische Note zu verpassen, dass machte Laune, und lud endgültig zum Abtanzen ein. Das Quartett bewies, sie lasse zwar den Dom in Kölle, aber wenn zu Hause geprobt wird, bringen sie das Wahrzeichen zum Beben. Ebenso wie das Jugendzentrum.
Nach dieser Vorlage hatten es die Hauptstädter sehr schwer. Die fünf Berliner der Metalcore-Band Suck My Chainsaw verpasste lautes auf die Ohren. Der Band merkte man das warme Osterwetter an, denn sie traten allesamt in kurzen Hosen auf. Markenzeichen? Nicht unbedingt, denn die Bandmitglieder lassen sich ungerne in ein Genre einordnen. Was sie in der Zukunft machen, wissen sie auch nicht genau, denn das hängt von den Alltagseinflüssen ab. Denn genau das soll sich auch in ihrer Musik wiederspiegeln. Die Band tourt bundesweit, und an anderen Tagen hat sie es leichter mit dem Publikum. Selbiges war nach dem Auftritt von Setyøursails selbst noch aus der Puste.
Handgemachte Rockmusik, dafür standen die abschließenden RELOAD-Bewerber. Desona aus Hannover gibt es im Juni bereits 10 Jahre, und diese Qualität merkte man der Band an. Auch die Bandbreite ihrer Vorbilder von Linkin Park über Pink bis hin zu den legendären Queen nehmen wir ihnen gerne ab. Stimmlich passte alles zum Sound, nicht nur die Idole, nein, sie selbst scheinen ihre eigenen Lehrmeister zu sein.
Die zahlenden Besucher waren vom Abdancen abgekämpft und erschöpft, aber nicht wertungsmüde. Denn nun hatten die 160 JoZZ-Besucher die Qual der Wahl. Während bei einem erfrischenden Getränk fleißig abgestimmt wurde, gab es, wie bei einen Contest üblich, einen sogenannten Interval-Act. Doch die fünf Hamburger von Brothers In Arms konnten, während in verschlossenen Räumen gezählt wurde, geschickt ablenken. Das Quintett um Leadsänger Andrew rockten ihre Routine von acht Jahren Bandbestehen ab, und bekamen auf der Bühne natürlich nicht mit, wie das Publikum heimlich tuschelte: „Schade, dass die nicht zur Auswahl standen“.
Als der RELOAD-Veranstalter André Jürgens die Bühne betrat, spürten die meisten Musiker spätestens jetzt ihre nervöse Ungeduld. Er bedankte sich beim gesamten Publikum, und wünschte sich, die gute Stimmung möge bis Ende August halten. Zudem galt sein Dank an die Moderatoren, sowie an die ehrenamtlichen Helfer, die für Technik und Bewirtung gesorgt hatten. Als die gesamte Contest-Mannschaft hinzu kam, wussten alle, der Moment ist da. Wer darf den Eisbrecher am 2. Festivaltag spielen? Markus Henke erleichterte das Warten mit einem großen Versprechen. Die drei Bands, die nicht den 1. Platz belegen, bekämen freien Eintritt für das RELOAD Festival.
Letzten Endes hieß es dann kurz und knapp: „Cologne twelve points, Cologne douze points, The Winner is Setyøursails“. Die Band mit ihrer kleinen Frontfrau Jules haben die meisten Stimmen erhalten. Das bedeutet, raus aus dem kleinen, aber feinen JoZZ-Festsaal, hinaus auf die große Festival-Wiese des RELOAD Festivals 2019. Denn ihr Name steht seit dem Ostersamstag genauso auf dessen Line Up wie Sabaton, Airbourne oder Lordi. Die Kölner haben also noch etwa ein Vierteljahr Zeit zum Üben und können dabei die Grundmauern des Kölner Doms noch etwas zum Beben bringen. Die Dombesucher sollten sich in diesem Fall mitfreuen.