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Freistatt feiert sein 120. Jahresfest

Wenn man am Himmel­fahrtstag an Freistatt auf der B 214 vorbei­fährt, dem wird die logis­ti­sche Meis­ter­leis­tung in unserem kleinen Ort an diesem Tag so richtig bewusst. So viele Autos sieht man selbst in größeren Städten selten. In Freistatt ist dann selbst­ver­ständ­liche keine Spur von Feier­tags­ruhe mehr zu finden. So wie jedes Jahr, so war es auch am 30. Mai 2019. Es war wieder Christi Himmel­fahrt, liebe Väter, oder wie der Frei­stätter sagt „Jahres­fest“. Und für das dies­jäh­rige 120. Jubiläum wurde wieder Platz geschaffen für den größten Flohmarkt im Landkreis, einen Himmel­fahrts-Gottes­dienst unter freiem Himmel sowie viel musi­ka­li­sche und kuli­na­ri­sche Angebote.

Und damit waren hier für mehrere Stunden 15 mal so viele Menschen unterwegs wie an normalen Tagen.  Die knapp 10.000 Besu­chenden, die sich dieses Mal in das Vergnügen gestürzt haben, waren zu Gast bei einer ganz beson­deren Veran­stal­tung, denn beim Jahres­fest wurde an ein zusätz­li­ches Jubiläum erinnert. Ab 1872 war Friedrich von Bodel­schwingh (der Ältere) Leiter der Bethel­schen Anstalten für Menschen mit epilep­ti­schen Erkran­kungen in Bielefeld. Im Jahr 1899 gründete er Freistatt als Betheler Zweig­an­stalt im Wieting­s­moor. Diese Arbei­ter­ko­lonie bot „Wander­armen“ einfache Unter­kunft und Arbeit bei der Urbar­ma­chung des Hoch­moores an. Im Lauf von nunmehr 120 Jahren ist daraus dann das heutige Freistatt als größte Einrich­tung für Wohnungs­lo­sen­hilfe in Nieder­sachsen entstanden.

Einer Redensart zufolge soll man bekannt­lich die „Feste feiern, wie sie fallen“. Somit war beim tradi­tio­nellen Open-Air-Gottes­dienst im Sinnes­garten nicht nur der runde Geburtstag unserer Gemeinde ein Thema. Der Super­in­ten­dent des evan­ge­lisch-luthe­ri­schen Kirchen­kreises der Graf­schaft Diepholz Martin Lensch betonte, dass jeder christ­liche Feiertag seinen Sinn habe. An Feier­tagen sollte man sich zumindest der Botschaften, die von solchen Festen ausgeht, bewusst werden. Am Beispiel der zwei Tage Differenz zwischen Karfreitag und Oster­sonntag erinnerte Lensch daran, wie nah mitunter Trauer und Freude beiein­ander liegen.

Ein zentrales Thema von Lenschs Predigt war der Song „Menschen auf der Parkbank“, ein Chanson des nieder­län­di­schen Lieder­ma­chers Hermann van Veen. Der Super­in­ten­dent nahm dabei nicht nur Bezug auf die Situation, mit denen Wohnungs­lose stets konfron­tiert sind, vielmehr erwähnte er den eigent­li­chen Inhalt des Liedes. Das Chanson selbst bezeichnet die Parkbank als einen Ort des Rückzugs, der Ruhe und der Beobachtung.

Zum Beginn der Messe unter freiem Himmel hatte Pastor Christian Sunder­mann einen, im Sinne aller Besucher in Freistatt an diesem Tag, wesent­lich simpleren Wunsch: Nämlich etwas besseres Wetter. Zum Glück goss es nicht Strömen, aber dennoch war es vielen Gläubigen  etwas zu windig für einen Maitag. Über den Tag erfüllte sich aber die Hoffnung auf ein wenig Sonnen­licht dennoch.

Ansonsten bekamen die Besucher tradi­tio­nell all das geboten, was den Himmel­fahrtstag in Freistatt seit Jahren auszeichnet. Einen großen Flohmarkt, musi­ka­li­sche Darbie­tungen von den „Arrested Amts­brü­dern“ oder den „True Colors“, dazu viele Köst­lich­keiten für jeden Geschmack. Wer sich dem Trubel ein wenig entziehen wollte, bekam in Heimstatt nach einer entspannten Fahrt mit der Feldbahn die Gele­gen­heit dazu.

Zurück in Freistatt, hatte man zusätz­lich die Möglich­keit, sich über Akti­vi­täten verschie­dener Orga­ni­sa­tionen zu infor­mieren. Zum einen war ein Stand der Selbst­ver­tre­tung Wohnungs­loser Menschen auf der Festmeile vertreten. An anderer Stelle präsen­tierte Schäfer Arthur alias Rolf Hedemann Veran­stal­tungen und Ausflugs­ziele innerhalb der Samt­ge­meinde Kirchdorf.

Als die rund 600 Bewohner Freistatts am Morgen des 31. Mai vor die Tür traten, sah alles so aus wie an allen anderen 364 Tagen des Jahres: Alles war abgebaut, und sämtliche Gäste waren mitt­ler­weile wieder zu Hause. Alle helfenden Hände durften zufrieden und erleich­tert auf den Tag zuvor zurück­bli­cken. Und im Geiste viel­leicht schon ein wenig wieder für den 21. Mai 2020 vorplanen. Dann ist wieder Christi Himmel­fahrt. Ein Tag, der in Freistatt immer etwas Beson­deres ist.