Seit dem 1. Januar 2019 gibt es auf dem Arbeitsmarkt das neue Teilhabechancengesetz (THCG). Mit dieser Förderung nach § 16i SGB II sollen vor allem Langzeitarbeitslose einfacher, leichter und vor allem schneller direkt in den Arbeitsmarkt wieder integriert werden. Die ehemals Arbeitssuchenden werden dabei zunächst 5 Jahre vollständig, dann stetig geringfügiger finanziell vom Staat unterstützt. Das Ganze geschieht in der Hoffnung, dass nach den 5 Jahren aus dem einstigen ALG-II-Bezieher ein Mitarbeiter des entsprechenden Betriebes geworden ist.
Doch wie einfach ist es für den Suchenden tatsächlich, durch dieses Gesetz wieder nach Beschäftigung bezahlt zu werden, und somit an der sozialen Teilhabe mitzuwirken? Darum ging es im Rahmen der Bundestagung der BAG Wohnungslosenhilfe in einer Veranstaltung am Abschlusstag, die unter „Teilhabe am Arbeitsmarkt – Empfehlungen zur Umsetzung der Förderung nach § 16i SGB II“ in Berlin angeboten wurde. Sebastian Rehbach, Mitarbeiter der Stadtmission in Kiel, sowie der Berliner Arbeitsfeldleiter Andreas Krampe stellten das Gesetz einem Publikum vor, das sich aus Mitarbeitern von Jobcentern, Sozialarbeitern sowie Beziehern des Teilhabechancengesetzes zusammensetzte.
Bereits am 10. September haben wir ausführlich über die Modalitäten des Gesetzes berichtet, als ein Team aus Freistatt an einem Fachtag in Hannover teilnahm. Schon bei der Veranstaltung im vergangenen Spätsommer wurde dem Fortschritt gehuldigt. Allerdings gab es auch kritische Töne, dass es im Detail die ein oder andere Nachbesserung bedarf. Jetzt, knappe drei Monate später, gab es neben der Präsentation erneut Diskussionen zwischen den Veranstaltern und den Anwesenden.
Positiv bleibt in jedem Fall anzumerken, dass Bewegung rein gekommen ist, um Langzeitsarbeitslose in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen. Allerdings wurden den Suchenden teilweise enorme Hürden aufgestellt, um vom Teilhabechancengesetz gefördert zu werden. Denn wer „erst“ unter 6 Jahren arbeitslos auf Jobsuche ist, fällt noch nicht unter die Förderbedingungen: Ein Langzeitarbeitsloser darf erst nach §16i unterstützt werden, wenn er in sieben arbeitslosen Jahren sechs Jahre einen ALG-II-Bezug nachweisen kann. Die Herren Rehbach und Krampe erwähnten, dass bei der Gestaltung des Gesetzes Ende 2018 auch vier Jahre im Gespräch waren. Dennoch muss die Frage gestellt werden, ob die nachzuweisende Mindestbezugsdauer von ALG II nicht zu hoch angesetzt wurde.
Noch schwerer haben es oftmals Obdach- oder Wohnungslose. Zwar sind sicherlich einige dabei, die mit großer Wahrscheinlichkeit die geforderte Zeit aufweisen, jedoch nicht immer auch durchgehend nachweisen können. Erst recht nicht, wenn sie umherziehend sind, und nicht jede Gelegenheit nutzen, die ihnen zustehenden Tagessätze bei den entsprechenden Kommunen anzumelden und abzuholen. Damit entstehen immer wieder sehr leicht Zeiten, in denen sie bei keinem Jobcenter arbeitslos gemeldet sind und damit nicht mehr die 6‑von-7-Jahren-Bedingung eines ALG-II-Bezugs nach §16i erfüllen. Die Sinnhaftigkeit dieser starren Regel ist besonders für Obdach- oder Wohnungslose also sehr fragwürdig.
Teilweise wurde auch das zum Gesetz dazugehörige Coaching in Frage gestellt. Einem Arbeitnehmer, der nach dem neuen Teilhabegesetz beschäftigt wird, wird in der Regel begleitend ein Betreuer zur Seite gestellt, was per Beschluss verpflichtend ist. Aber benötigt jeder, der in das Arbeitsleben zurückkehrt einen Begleiter? Hier gab es zumindest die Anregung, dass die Notwendigkeit individuell geregelt sein sollte.
Unter dem Strich bleibt hier das Fazit, dass der Gesetzgeber in jedem Fall nachbessern muss, wenn er jene, die seit Jahren schwer bis gar nicht zu vermitteln waren, tatsächlich eine Hilfe anbieten will – wenn das selbst gesteckte Ziel ein möglichst breites Spektrum an arbeitsmarktfernen Menschen zu unterstützen auch ernst gemeint sein soll.
Die helfende Hand zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt wird offenbar noch zu zögerlich angeboten – sie sollte für wesentlich mehr Langzeitarbeitslose erreichbar sein.