Knappe fünf Stunden zog am vergangenen Sonntag hunderte Zuschauer eine außergewöhnliche Show auf sozialen Netzwerken in ihren Bann. 21 Mitspieler traten mit 21 selbst ausgewählten Songs zum Wettstreit „Hören! Der UNESContest“ an. Initiiert wurde die Veranstaltung von Dr. Irving Benoit Wolther. Von nun an soll, nach dem Vorbild des Eurovision Song Contest, monatlich nach Noten um Punkte gestritten werden. Es war der offizielle Start, nachdem Ende Dezember ein Pilotprojekt getestet wurde.
Zur Vorgeschichte
Dr. Irving Benoit Wolther ist der Arzt, dem man vertrauen und fragen sollte, wenn man wissen will, wer 1975 Platz 11 beim Eurovision Song Contest belegte. Auch bekommt er unfallfrei den portugiesischen Beitrag von 1996 ausgesprochen. Kein Wunder, denn wenn es um den größten Musikwettbewerb der Welt geht, ist er der Experte schlechthin. Im Jahr 2006 war er weltweit der erste, der über diese Veranstaltung promovierte.
Doch das scheint dem Musikgelehrten nicht auszureichen. Denn Dr. Wolther weiß zu gut, dass er über Europas Kampf der Kulturen zwar mehr als nur Bescheid weiß; doch das er mit der Liebe zum einstigen Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne nicht alleine da steht. Rund 1 Milliarde Menschen weltweit bekommt der ESC jährlich vor die Bildschirme. Sehr viele von ihnen verfolgen für einen Abend den kontinentalen Fight um die 12 Points. Und einige darunter sind genauso ESC-verliebt wie der Herr Doktor.
Für diese Fans ist mit der Schlusshymne, wenn die Eurovisionsfanfare dass Ende des jährlichen Wettstreits verkündet, die Show noch lange nicht vorbei. Während der durchschnittliche TV-Zuschauer schon am Sonntag danach zum Alltag übergeht, können die Liebhaber das ganze Jahr über ihre wichtigsten 4 Fernsehstunden des Jahres fachsimpeln. Denn seit Einführung der Semifinalshows und mithilfe der sozialen Netzwerke machen sie sich über sämtliche Vorentscheidungen der teilnehmenden Länder schlau.
Das vergangene Jahr 2020 war für die weltweite Kulturszene ein schwarzes Jahr. Die nach wie vor bestehende Corona-Pandemie sorgte für Vermeidung von Menschenansammlungen, und zur Sicherheit auch für keinerlei Darbietungen auf allen Bühnen. Das traf auch den ESC, der vom 12. bis zum 16. Mai im niederländischen Rotterdam hätte stattfinden sollen. Es war das erste Mal, dass die Show, die seit 1956 lückenlos jährlich durchgezogen wurde, äußeren Umständen zum Opfer fiel.
Dr. Wolther, selbst vom Ausfall betroffen, hörte jedoch auch das Wehklagen der Fans. Und so schuf er, als uns Bund und Länder per Lockdown im letztjährigen Frühjahr auf Distanz brachte, eine virtuelle Sprechstunde. Im März startete er über die eigenen Facebook-Seite sowie über YouTube einen Streamingdienst, zu dem sich nach und nach immer mehr Fans anschlossen. Abend für Abend diskutierten sie mit dem Experten über einzelne Jahrgänge, über festgelegte Themen wie Moderatoren, Outfits der Künstler oder über Ralph Siegel. Dazu konnten sich Fans genauso mit einschalten wie internationale Gäste.
Der Grundstein
Doch damit immer noch nicht genug. Als im November der erneute Lockdown wieder alles schließen ließ, wird seither wieder geplaudert um das musikalische Projekt Europas, dass funktioniert. Während die Maßnahmen immer mehr verschärft wurden, trotzte Dr. Wolther einmal mehr, und schuf einen zusätzlichen Wettbewerb ins Leben. Für den 27. Dezember 2020 plante er einen Versuch, unter dem Namen HÖREN! Der UNESContest. Dabei sollten Musik- und ESC-Fans (sogenannte Digger) und Musikschaffende wie Künstler gegeneinander antreten. Während die „Profis“ dabei ihre eigenen Kompositionen vorstellten, bekamen die Laien den Auftrag, ihre Musiksammlungen nach Raritäten zu durchforsten.
Am Abend selbst traten dann 12 Kandidaten mit ihren Beiträgen an. Das Besondere für alle Mitspieler; weder die Zuschauer noch die Wettbewerber konnten die Musiker bei der Darbietung sehen. Initiator Dr. Wolther, der zusätzlich die Technik bediente und als Moderator fungierte, brachte bei der einzelnen Vorstellung die Mitspieler ins Bild, die ihren Beitrag vorstellten. Anschließend wurde der Bildschirm verschleiert, und lediglich der Song war zu hören. Danach wurde, wie beim ESC, genau nach diesem Model gepunktet. Die Mitspieler untereinander, aber auch die Zuhörer, die von den Songs positiv überrascht wurden.
Der 24. Januar 2021
Nach der gelungenen Generalprobe wurde es mit Jahresbeginn nun offiziell. Wieder wurde sich beworben, doch bevor es in die digitale Online-Show ging, brauchten Profis und Laien Glück. Dieses Mal bewarben sich weit über 30 Musikliebhaber. Dr. Wolther, der die Teilnehmerzahl auf 21 begrenzen wollte, griff zur Lostrommel, und diese sortierte ein und aus. Dabei ging es nicht um die Qualität der Songs, wer dabei sein durfte, sondern das entschied einzig und allein Fortuna. Für die Nichtgezogenen blieb der Trost, es im Februar mit dem gleichen Stück wieder zu probieren.
Die Show startete, und an die 500 Zuhörer nahmen optisch und visuell teil. Dabei bekamen sie einen bunten Mix an Musikstilen. Elektro-Pop, Punkrock, Schlager, Swing, Chansons usw. Die Zuschauer und Zuhörer, die zunächst per Kommentar teilnahmen, äußerten sich über die gebotene Vielfalt durchweg positiv und dankbar. Doch dann kam das, was man getrost als das Herzstück eines jeden ESCs ansehen kann, denn natürlich wurde auch hier gevotet. Die Mitstreiter bewerteten die Songs der Kontrahenten – ihren eigenen natürlich nicht – und die Zuschauer durften ebenso abstimmen.
Dadurch blieb es unterhaltsam und spannend bis zum Schluss. Am Ende wurde die Kandidatin Lina Jacobs zur Siegerin gekürt. Die Musikerin aus Hannover, die mit dem eigenen Swing-Song „Move“ ihrer Band Me & Ms Jacobs antrat, konnte sowohl die meisten Punkte von Mitspielern und Zuschauer einfahren. Platz 2 ging an einen weiteren Künstler: Masen Abou-Dakn aus Berlin startete mit seinem selbst komponierten und gesungenen Chanson „Wir waren, sind und bleiben“. Als bestplazierter Musikfan durfte sich Björn freuen; er sicherte sich den Bronzerang mit dem Song „Egal“ der Sängerin Elen.
Im Fazit kann man sich vor Dr. Irving Wolther und dieser Idee nur verbeugen. Beim abschließenden und nicht mehr öffentlichen Smalltalk litt bei den mäßiger Platzierten die gute Stimmung keineswegs. Wie beim großen ESC zählte für alle der olympische Gedanke. Es imponierte, wie viele musikalische Genies sich hierzulande versteckt halten, und wieviel Kreativität die Laien bewiesen, mit ihrer Auswahl dieses Programm mitzugestalten. Wer jetzt Lust und Laune bekommen hat, sich genauer darüber zu informieren, und vielleicht einmal selbst teilzunehmen, der informiert und beteiligt sich am besten über phonos.de. Wir wünschen schon jetzt viel Glück und bestenfalls „12 Points“!