Ein Präsenz-Plenum an einem Nikolaustag abzuhalten, hat durchaus was passendes. Wären Kinder bei der letzten Veranstaltung des Jahres 2021 des Bremer Aktionsbündnisses „Menschenrecht auf Wohnen“ mit anwesend gewesen, wäre sicherlich die Frage aufgekommen, wer denn im Bereich der Armutsbekämpfung und der Wohnungspolitik immer schön brav gewesen ist. Gut war, dass die Mitstreiter sich über eine Präsenzveranstaltung wie jeden ersten Montag im Monat persönlich im Konsul-Hackfeld-Haus austauschen konnten. Durch die Corona-Pandemie durften lediglich Genesene und Geimpfte anwesend sein, die 2G-Regelung wurde angewandt. Doch wer hat sich jetzt eine Belohnung verdient, und wer eher die Rute?
Gastgeber und Moderator Jens Rathgeber hoffte auch, dass die Verantwortlichen bei der Bekämpfung des Corona-Virus die richtigen Entscheidungen treffen würden, so dass es auch am 10. Januar 2022 bei einer öffentlich-zugänglichen Veranstaltung bleiben könne. Allerdings habe er selbst erfahren, wie schnell wieder Obergrenzen bei Besucherzahlen gesetzt werden könnten. War er noch Mitte November gemeinsam mit 42.000 Zuschauern im Weserstadion, so durften am vergangenen Wochenende lediglich 15.000 Fans den heimischen SV Werder anfeuern.
Zu Beginn der Tagung wurde auf die Sitzung vom 1. November zurückgeblickt, als sich Fraktionsvorsitzende und Landtagsabgeordnete des Bremer Senats trafen, und eine Halbzeitbilanz ihrer Regierungszeit zogen. Rathgeber bemängelte dazu das geringe öffentliche Interesse: Neben der Berichterstattung der Freistätter Online Zeitung habe es dazu lediglich eine Pressemitteilung der Diakonie gegeben. Der Gastgeber vermutete als Ursache den zeitnahen Termin unmittelbar nach den Bundestagswahlen.
Es seien aber auch einige Themen zu wenig bis gar nicht angesprochen worden: Zum Beispiel die Bearbeitung des Wohngeldes im Land Bremen. Zu Rathgebers Beobachtungen wurde auch die Meinung des Publikums angehört. Hierbei meinte ein Zuschauer, dass mittlerweile über 45% der Bremer Mieter mehr als 30% ihres Lohns für Miete aufbringen müssten. Aus dem Koalitionsvertrag des Senats gehe hervor, dass bis Ende der Legislaturperiode bis zu 8.000 geförderte Sozialwohnungen entstehen sollten. Rathgeber vermerkte, dass das ein schwieriges Vorhaben sein werde, zumal aktuell auch immer mehr Wohnungen aus der sozialen Bindung herausfallen würden.
Ein Tagesordnungspunkt trug die Überschrift „Wohnen und Würde für Wohnungslose“. Hier wurde an einen Gedenkgottesdienst erinnert, der zwei Wochen zuvor in Bremen-Walle in der Friedhofskapelle abgehalten wurde. Wohnungslose Menschen, die verstorben sind, bekamen dort durch die Verlesung ihrer Namen eine letzte Würdigung.
Ähnlich wie auch in Freistatt ist man in Bremen sehr bemüht, alles dafür zu tun, dass das Ableben dieser Menschen nicht in der Anonymität unbemerkt bleibt. Das kann manchmal schwierig sein, besonders wenn die Verstorbenen ohne Ausweis aufgefunden werden und lediglich ihre Vornamen bekannt sind.
Am A&O‑Hostel in Bremen können sich etliche Beherbergungsstätten ein Beispiel nehmen. In der jetzigen kalten Jahreszeit bietet das Unternehmen wie bereits im vergangenen Jahr Obdachlosen eine vorübergehende Unterkunft an. Wenn man weiß, dass jedes Jahr in Deutschland Menschen einen grausamen Kältetod sterben, haben sich die Verantwortlichen und Mitarbeitenden des A&O‑Hostels eine Goldmedaille verdient – und zwar eine für´s Herz.
Kritik gab es dagegen über die Kältebusse: Grundsätzlich eine gute Einrichtung, aber ihre zeitliche Verfügbarkeit, die aktuell bis nur bis 15 Uhr 30 garantiert werde – für obdachlose Menschen sei es laut Aktionsbündnis deutlich hilfreicher, wenn in den Bussen zumindest bis 22 Uhr Schutz vor der Kälte angeboten würde.
Am 6. Dezember 2021, also genau am selben Tag des Plenums, wurde bekannt gegeben, dass die ehemalige stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Klara Geywitz neue Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen wird. Da stelle sich die Frage, welche Auswirkungen dieser Neuanfang im Bundesministerium auch auf das Land Bremen haben könne?
„Bremen wird einen Mietspiegel aufstellen müssen“, so sagte es im Plenum Kornelia Ahlring vom Mieterverein Bremen e. V.. Spätestens bis zum Jahr 2024 sollte zumindest ein einfacher qualifizierter Mietspiegel vorliegen. In diesem sollte dann auch u. a. eine festgesetzte Mindestmiete für eine Dauer von 6 Jahren vorgegeben werden. Der Mieterverein wolle bei seinem Vorhaben so viel wie möglich für die Menschen in der Hansestadt herausholen.
Bremerhaven habe bereits einen einfachen Mietspiegel und der sei zuletzt auch hilfreich, um gegebenenfalls die Einführung einer Mietpreisbremse zu erreichen.
Das Hauptthema für das im Aktionsbündnis „Menschenrecht auf Wohnen“ sei und bleibe auch der bezahlbare Wohnraum für alle. Daneben werde immer mehr zum Thema – gerade bei fortschreitender Kälte – die immer schneller steigenden Energiekosten.
Auf das Bürgergeld, das von der neu gewählten Bundesregierung eingeführt werden soll, mache man sich keine große Hoffnungen auf finanzielle Verbesserungen. Auch die Auswirkungen der Corona-Krise, die Arbeitnehmer und Steuerzahler zunehmend vor wirtschaftliche Probleme stelle, lasse schlimmes befürchten, wenn im nächsten Jahr zahlreiche Nachzahlungsbescheide zugestellt werden dürften – ein wachsendes Problem für arme und auch immer mehr für armutsgefährdete Menschen.
Die ebenfalls steigenden Lebenshaltungskosten würden das ganze absehbar noch komplexer machen. Das Bündnis hoffe deshalb mehr denn je, dass die Verantwortlichen in Bund, Land und Gemeinden jetzt Entscheidungen treffen werden, um absehbare Tendenzen der Verarmung wirksam zu bekämpfen.
Abschließend wurde noch auf eine Aktion hingewiesen, die die Diakonie am Heiligen Abend auf dem Parkplatz vor dem Gebäude des Konsul-Hackfeld-Hauses ausrichten wird: Sofern die Corona-Lage es zulasse, werde dann in einem gemütlichen Zelt für wohnungslose Menschen eine Feier veranstaltet.
Zuletzt kamen noch Wünsche für 2022 zur Sprache:
- Die Energiepreisexplosion müsse abgemildert werden
- Housing First müsse mehr zum Thema werden
- Es müsse endlich wirklich etwas gegen das Armutswachstum getan werden
Das werden drängende Herausforderungen für unsere Gesellschaft sein, auch weil damit die Grundlage für ein weiteres friedliches Zusammenleben sichergestellt würden.
Soweit die Corona-Lage es zulassen wird, werden wir bei der nächsten Sitzung am 10. Januar 2022 wieder im Konsul-Hackfeld-Haus vorbeischauen, beim nächsten Treffen des Aktionsbündnisses „Menschenrecht auf Wohnen“ in Bremen.
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Konsul Hackfeld Haus Bremen (2019–04-20), JPG-Datei | CC BY-SA 3.0