"Macht es denn überhaupt noch Spaß, nach Minden zu fahren?" Das fragte mich zwei Tage vor dem Spiel gegen den Bergischen HC ein Mitarbeiter der Wohnungslosenhilfe, bezogen auf die sportliche Misere der GWD Minden. Natürlich ist es Freude, auf stets vertraute und liebenswerte Menschen zu treffen. Was natürlich schwer fällt, ist die Tatsache, dass man in den letzten Wochen immer wenige gutgelaunte Fans der Grün-Weißen antrifft. Vor allem schwanden bei Vielen immer mehr Hoffnungsschimmer , dass auch in der kommenden Spielzeit Erstliga-Handball zu sehen ist.
826 Zuschauer ließ Corona noch am vergangenen Donnerstag in die KAMPA-Halle. 826, die noch durften, aber auch wollten. Sie gehörten vielleicht aber auch zu jenem Kreis, die in Erinnerungen schwelgten. Sie blickten zurück, an den bis zu diesem Tag letzten Heimsieg der Grün-Weißen in der KAMPA-Halle. Durch den zwischenzeitlichen Zwangsumzug nach Lübbecke sind auf den Tag genau fast zwei Jahre vergangen. Am 22. Dezember 2019 siegte Dankersen letztmals in den eigenen vier Wänden – mit 26:23. Das Spiel damals, kampfbetont und knapp. Der Gegner war der selbe wie der in der Gegenwart, der Bergische HC. Darin lag wohl auch die Hoffnung, die schwindelerregende Karusselfahrt in Schräglage nach unten, möge genau auch bitte dort enden.
Die Eindrücke, die man vom Ausflug in Stuttgart der GWD gewonnen hatte, liesen da eher zweifeln. Was Anlaß zur Hoffnung gab, dass es auch beim Gegner nicht läuft wie gewünscht. Beide Vereine haben sogar etwas gemeinsam. Anders als in anderen Klubs wird in schwierigen Zeiten der Schuldige nicht unbedingt auf der Trainerbank vermutet. Sebastian Hinze, Coach der Bergischen, feiert im kommenden Jahr sein 10jähriges an der Seitenlinie des Vereins. Sogar ein Jahr Zweite Liga hat man nicht in seiner Person gesucht; das verdient Respekt vor der sportlichen Leitung des Vereins.
Zum Spiel vom Donnerstag – die 826 größtenteils Grün-Weißen Zuschauer liesen sich zu einer Euphorie hinreisen, das man zwischenzeitlich glaubte, die Halle wäre vollständig ausgefüllt . Ja, es hat geklappt – der zweite Sieg wurde unter Dach und Fach gebracht. Mit 25:21 am Ende wurde begeistert der erste Heimsieg der Saison, der erste Heimsieg seit dem 20. Juni, sowie der erste Heimsieg in der KAMPA-Halle nach einer Durststrecke von 718 Tagen gefeiert. Die gute Nachricht daran, es war in einem kämpferisch guten Spiel auch ein verdienter Sieg. Zwar sah es in der ersten Hälfte bei einem zwischenzeitlichen 3‑Tore-Rückstand etwas frustrierend aus. Aber anders als in den bisherigen Partien brach Minden nicht einfach wieder in sich zusammen, sondern beackerte die Bergischen bis zum Spielende.
Dabei trat die GWD endlich auch mal als Team auf. Sogar ein 3‑Tore Rückstand zu Beginn des Spiels brachte die GWD dieses Mal nicht aus dem Konzept. Zur Pause verkürzte Max Staar den Rückstand auf den 11:12-Halbzeitstand. Das könnte der Treffer gewesen sein, der für die nötige Motivation in der 2. Hälfte sorgte. Es war ein Duell auf Augenhöhe, denn auch der Gast aus Solingen und Wuppertal glaubte bis zuletzt an die Siegschance. Selten lag eine Mannschaft mit zwei oder mehr Treffern in Front. Nach dem Seitenwechsel war es für circa 5 Minuten noch so, dass der HC auf die Entscheidung drängte. Doch eine Zeitstrafe, eine vergebene sehr gute Torchance, sowie ein Malte Semisch im Kasten von Dankersen ließen die GWD weiter im Spiel.
Die Rechnung ging auf, das Spiel wurde gekippt. Dem Gastgeber gelang so ziemlich alles, und die Bergischen rannten sich vergeblich fest. Wenige Minuten vor dem Ende standen die Zuschauer klatschend von ihren Sitzen auf – Szenen, die es lange nicht mehr in der KAMPA-Halle gegeben hat. Es war ein Gefühl von erleichtert bis euphorisch. Wir wollen zwar jubelnde und glückliche Menschen nicht in ihrer Begeisterung bremsen. Aber der traurige Blick auf die Tabelle zwingt uns ein wenig schon dazu. Es sind, bei einem Spiel mehr als Stuttgart, immer noch 5 Punkte Rückstand, die zum rettenden 16.Tabellenplatz aufzuholen sind. Kraft tanken, dass können die Männer von Trainer Frank Carstens bereits Mittwoch. Dort können sich die Spieler Ablenkung im Pokal verschaffen, und mit einem weiteren Sieg sich unter die letzten 8 Mannschaften spieln. Gegner wird dann der FRISCH Auf! Göppingen sein, jenes Team, dass sich vor rund einem Monat schon Schwierigkeiten hatte, zwei Punkte im Pokal zu holen.
Kleine Info noch zur Titelzeile – die Formulierung betrifft die Punktezahl. Nach den mikrigen 2 Punkten vor dem Spiel sind es jetzt 4. Verdoppeln am 15. Spieltag, das gelingt auch nicht jedem. Dass diese Punktzahl bis zum Jahresende sich nochmal mit 2 multipliziert, ist theoretisch durchaus möglich – erst recht mit der Leistung der jüngsten 2 Heimspiele.
Fotos & Text.: Harini