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Kultur­sommer beginnt anato­lisch und wortstark

Ihr Wunsch wurde erhört. Kurz vor dem offi­zi­ellen Beginn des Kultur­som­mers 2022 am vergan­genen Sonntag hatte es in der Seestadt Bremer­haven nochmal kräftig geschauert. Für die Küsten­stadt nichts unge­wöhn­li­ches, erst recht nicht an einem bis zu dem Zeitpunkt wetter­mäßig durch­wach­senen Tag. Aber in ihrer Eröff­nungs­an­sprache hoffte Dorothee Starke darauf, dass zunächst an diesem Nach­mittag, und auch in den darauf­fol­genden 4 Wochen der Sommer nach Sommer aussieht.

Dorothee Starke vom Kulturamt Bremer­haven lag nicht falsch, denn in den darauf­fol­genden zwei Stunden blieb die Sonne. Trockenes Wetter war auch hilfreich, handelte es sich doch bei dem Eröff­nungs­pro­gramm auf dem Theodor-Heuss-Platz um eine OpenAir-Veran­stal­tung. Laut Frau Starke ist der Bremer­ha­vener Kultur­sommer eine Idee des Stadteils Lehe. Denn dort gab es die Veran­stal­tungs­reihe bereits unter diesem Namen, sie war aller­dings auf Lehe beschränkt. Im vergan­genen Jahr gab es den Kultur­sommer erstmals an verschie­denen Stellen der Stadt. In diesem Jahr wurde das Angebot auf vier Wochen ausge­weitet, und zwar auf ganz Bremerhaven.

Die Idee des Kultur­som­mers gefiel der Redaktion bereits 2021 so gut, dass unser Magazin auch dieses Jahr versucht,von einigen tollen Darbie­tungen zu berichten. Das Angebot ist sehr abwechs­lungs­reich, für jeden Geschmack und jede Alters­gruppe wird etwas geboten. Und Bremer­haven kann dabei bis zum 9. Juli Vollgas geben. Nachdem letzes Jahr  vieles nur unter strengen Hygie­ne­auf­lagen und limi­tierten Besu­cher­zahlen angeboten werden konnte, macht der Wegfall der aller­meisten Maßnahmen die Orga­ni­sa­tion wesent­lich leichter.

Der Beginn war multi­kul­tu­rell. Musik Markers ist eine Formation, sie sprechen und singen in vielen Sprachen, ihre Spezia­lität aber ist der der anato­li­sche Klang. Insgesamt 8 Musiker, zum Finale gar 9, gaben einem inter­es­sierten Publikum einen Einblick über die kultu­relle Melan­cholie ihrer Heimat. Mit dieser sehr folk­lo­ris­ti­schen Ausrich­tung zeigen die Künstler, das Kurden auch eine andere Seite leben, statt der üblich, nicht immer positiv darge­stellten Klischees.

Eine Art Orchester in Quar­tett­größe beglei­tete einen vier­köp­figen Chor auf der Saz. Die Saz ist dabei sowohl das Saiten­in­stru­ment als auch der Klang, der von diesem Instru­ment ausgeht. Dieser in unseren mittel­eu­ro­päi­sche Sound ist sehr typisch für viele Länder vom Südosten Europas bis hin zum Nahen Osten. Das inter­na­tio­nale Publikum reagierte stets mit verdientem Applaus. Unter den Zuschauern befanden sich Zuhörer, denen die Musik bestens vertraut ist, und auch Zuhörer, die keine Schwie­rig­keiten hatten, sich mit dieser Kultur ausein­ander zu setzen.

Als zum Finale ein Musiker mit einer Darbuka Tef, einem Schlag­in­stru­ment, sich zusätz­lich zu den Musik Markers gesellte, bewiesen die Künstler, Anatolien kann nicht nur Wehmut und Gefühl, sondern auch Stimmung. Es erklang die Halay, und dazu durfte nicht nur, nein, es wurde getanzt. Der Halay ist in vielen anato­li­schen Nationen ein Volkstanz; aber in der Türkei ist es der Natio­nal­tanz. Besucher jegli­scher Herkunft bewegten sich gut gelaunt, und verlegten den Bosporus kurzer­hand auf den Theodor-Heuss-Platz.

Der Auftakt war gelungen, aber es gab noch einen weiteren Programm­punkt. Nach dem unter­halt­samen Ausklang der Musik Markers war die gute Laune der Bremer­ha­venen perfekt, so sorgte das folgende Quartett dafür, dass jetzt auch die Lach­mus­keln beschäf­tigt wurden. Dabei sind Alexandra, Guido, Norman und Jörg nur ein Teil von instant impro. Man trifft ja viele Menschen, die nicht auf den Mund gefallen sind. Aber was die Wort­akro­baten auf die Bühne gezaubert haben, das ist mehr als nur Talent.

Für instant impro gilt, jede Auffüh­rung gibt es nur ein einziges Mal. Sie wissen, was sie vorhaben, aber sie wissen am Morgen vor der Show nicht, was auf sie zukommt. Denn Programm­ge­stalter sind letzter Linie die Zuschauer. Auf Zurufen werden Figuren, Charak­tere und der Darstel­lungs­stil gefordert – und umgesetzt. Da das meiste in kleine Situa­ti­ons­ge­schichten einge­bunden ist, ensteht selbst­ver­ständ­lich viel Situationskomik.

Und Reak­ti­ons­ver­mögen. Drei Schau­spieler erzählten abwech­selnd die gleiche Geschichte. Der Reihe nach, und fort­set­zend auf dessen, was der Vorder­mann erzählt hat. Aller­dings bekam jeder einzelne seinen Erzähl­stil verpasst, was die Sache noch komplexer aussehen lies. War ein Teil als Liebes­drama darzu­stellen, setzte der nächste die Erzählung als Horror­ge­schichte fort. Oder: Warum hat der Kultur­sommer noch keine eigene Hymne. Das Team bekam vom Publikum Titel und Musikstil verpasst. Der ausge­wählte Sänger durfte dabei sein Talent als Polka­sänger genauso beweisen wie als HipHopper.

Eine Wieder­se­hens­ge­schichte am Bremer­ha­vener Kreuz­fahrt­ter­minal wurde mehrfach erzählt. Sowohl als Science Fiction, als Bauern­thea­ter­stück oder als Oper. Und – wie gesagt, alles auf Einfor­dern durch das Publikum. Allen voran von Jule. Eine junge Zuschauerin stellte sich nament­lich vor, brachte mehrfach Vorschläge ein, und wurde auch dadurch mehrfach zum Inhalt von instant impro. Dadurch, dass sich die Schau­spieler selbst stets aufs Korn nahmen, sorgten sie für eine sehr gut Unterhaltung.

Sie sollten die nächsten Wochen nutzen, um nach Bremer­haven zu reisen. Das Angebot reicht von Lesungen über Musik, aber auch Workshops, um sich künst­le­risch selber auszu­pro­bieren. Unter https://www.bremerhaven.de/de/freizeit-kultur/stadtkultur/kultursommer-bremerhaven.102558.html finden Sie das ganze Programm, dass in der Seestadt noch bis zum 9. Juli dauern wird. Viel­leicht sehen auch wir uns vor Ort, wir freuen uns.