Unsere Redaktion hat ja schon viele Veranstaltungen besucht. Wir sind zwar stets pünktlich vor Ort, das bedeutet aber nicht, dass die Veranstaltungen selbst zeitgenau starten. Nun, in den meisten Fällen ist das nicht haarsträubend, 5 oder 10 Minuten Wartezeit klingt ja auch nicht nach einer Ewigkeit. Aber 364 Tage Verspätung? Für diesen Rekord sorgte die dreiköpfige Band Tone Fish. Willkür darf man den sympathischen drei Musikern aus Hameln allerdings nicht unterstellen, denn für das Wetter sind die Künstler nicht zuständig. Vor fast genau einem Jahr, am 29. Juni 2021, sorgte ein Platzregen unmittelbar vor dem Auftritt dafür, dass die Zuschauer sich einen nassen Allerwertesten geholt hätten. Zudem war schlussendlich auch die Bühne unbespielbar.
29. Juni 2022 – der Kultursommer 2022 in Bremerhaven läuft auf vollen Touren, und auf Einladung kam das Trio auf einen erneuten Versuch. Und dieses Mal erinnerte sich der Wettergott auch daran, dass es in Irland nicht nur typisches Inselwetter gibt, sondern dass man das Land auch "Grüne Insel" nennt. Irland? Natürlich, denn die Spezialität von Tone Fish sind Pop- und Rocksongs in den Sound von Irish Folk zu hüllen. Michaela, Stefan und Yogi Jokusch touren seit 2013 mit diesem Rezept quer durch Norddeutschland, und mittlerweile auch darüber hinaus.
Das 52-wöchige Warten hat sich für alle, die am frühen Dienstagabend vor Ort waren, mehr als gelohnt. Pop- und Rocksongs im typischen irisch Sound, und das ganze fast ohne elektronische Instrumente – kann man so das Publikum in Stimmung bringen? Jawohl, und wie. Der Ort des Geschehens wurde neben der Bürgermeister-Smidt-Gedächtniskirche aufgebaut, genau im Zentrum der Innenstadt. Dabei war der Band nicht nur das Publikum auf den bereitgestellten Sitzplätzen sicher. Viele Zuschauer unterbrachen ihre Einkäufe oder ihren Weg in den Feierabend, und genossen die gute Laune des Trios. An der Bühne grenzt zudem ein Lokal, ein Eiscafe, einige Imbissbuden sowie ein länglicher Brunnen mit Sitzmöglichkeiten – kurzum; die Fans von Tone Fish dürften mehr geworden sein als ursprünglich gedacht.
Musikalisch zeigten die Musiker ihre ganze Bandbreite, und machten auch deutlich, dass ihre Geschichten immer einen Bezug zu Irland und hin und wieder zu Schottland haben. In "The Lake Eyes" wird schon mal ein irisches Gedicht vertont, dass jeder Schüler Irlands bis weit über die Schulzeit auswendig kennen sollte. Melodramatisch wurde es in "Story Of the Stone", als man nicht nur an Onkel Gerds Ende auf Baltrum erinnerte, sondern auch daran, dass viele Grabsteine eine Geschichte erzählen. Gelungen war auch die Version von "Man Gave Names To All The Animals", einem Frühwerk von Bob Dylan.
Wie man sich richtig verabschiedet, liesen sie in "Bye Or Bye" wissen. Gesellschaftspolitisch wurde es zunächst, als sie an die Wirren mit dem Vereinigten Königreich während des Ersten Weltkrieges erinnerten. Bei der Vertonung von "Wir sind die Moorsoldaten" erklärten sie, dass der Bezug des Liedes nie verloren ging, und auch vor dem 24. Februar zum Nachdenken verhelfen sollte. Dieser Song wurde in gut gälisch so verfasst, dass es direkt mit dem italienischen Volkslied "Bella Ciao" kombiniert wurde, einem Lied, dass in Italien zu einer Hymne gegen kriegerische Entwicklungen wurde. Gelungen war auch die Vertonung der Max-und-Moritz-Gedichte, die sich als Lied aber hauptsächlich auf den fünften Streich des Wilhelm-Busch-Klassikers beschränkte, als die beiden Lausbuben dem schlafenden Onkel Fritz Marienkäfer in dessen Bett umherkrabeln liesen.
Ein gelungenes Medley gab es zudem mit den Klassikern "Mrs. Robinson", "Take Me Home, Country Roads" oder "This Is My Life". Zu dem Medley gehörte selbstverständlich auch "Whiskey In The Jar", dem irischen Klassiker schlechthin, auf den eine Formation wie Tone Fish natürlich nicht verzichten kann. Als "Last Order", bzw. als Bonus gab es als Zugabe "Open Your Eyes", dem Titellied der neuen CD von Tone Fish.
Das Fazit fiel nicht nur beim Publikum postiv aus; Tone Fish machten Spaß, und erhöhten unser Interesse, auf die Band nicht wieder ein Jahr warten zu müssen. Es hat sowohl die Lust auf mehr Musik des Trios gemacht, als auch das "Last Order" in einem Irish Pub zu bestellen. Idealerweise in Dublin und Umgebung, eingebettet in einem wunderbaren Urlaub in Irland. Auch darauf haben Tone Fish Appetit gemacht.
Fotos & Text.: Hari Januschke