Irgendwann im April. Am 1. April? Oder war es doch der Nikolaustag? Schlußendlich war es vermutlich der 17. Okrober. In jedem Fall war es ein Tag im Jahr 1997. So ganz genau wusste es eigentlich keiner, was wohl daran lag, dass von den Feiernden zu dem damaligen Zeitpunkt keiner beschäftigt war. Es geht um die Jugenswerkstatt Weyhe. Den Peter-und-Paul-Tag nutzte die Einrichtung von Bethel im Norden zur Feier. Seit 25 Jahren versuchen die Mitarbeiter vor den Toren Bremens Jugendlichen, die im Normalfall wenig bis gar keine Chancen hätten auf ein Leben in Wohnung und Arbeit, auf ein strukturiertes Leben zu bringen.
Feiern kann man ja sowohl überschwenglich als auch nachdenklich. Beides war an diesem Mittwoch zur besten Mittagszeit im Angebot. Getroffen vor und im Trafogebäude, lies man bei sommerlicher Wärme allerdings nicht zu temperamentvoll angehen. Bei einer Tasse Kaffee oder einem Kaltgetränk hielten Jugendliche, Mitarbeitern vor Ort oder Vertretern von Organisationen gemeinsam einen Plausch; dabei ging es genauso um Banalitäten sowie um brisante Themen.
Zu den Programmpunkten gehörten Ansprachen. Die Pandemie und ihre Folgen merkten wir bzw. merken wir immer noch. Die Lockdown, das Arbeiten im Office und vor allem keinen übermäßigen privaten Kontakt zu Freunden, dass alle nagt an uns allen. Doch wie erging es den Heranwachsenden in dieser Zeit? Drei ganz bewegende Geschichten wurden von jugendlichen Teilnehmern erzählt. Es gab in den drei Erzählungen auffällige Affinitäten; so litten alle drei jungen Rednerinnen und Redner daran, sich nicht mehr mit engeren Freunden treffen zu können.
Die Lockdowns haben ihre Strukturen teilweise zerstört, und Homeschooling war nur ein schlechter Ersatz für echtes Lernen vor Ort. Alle drei lebten zum Teil in wirtschaftlich brisanten Familien, das ständige "Aufeinanderhocken" zerrte allen Daheimgebliebenen an den Nerven. Das forcierte u.a. ihre Flucht in die virtuelle Welt der Online-Games, das Zeitgefühl ging nach und nach verloren, und vor allem wurde die angeknackste Psyche noch mehr belastet. Auch das geringe, dafür mitunter immer mehr gereizte Umfeld war alles andere als eine Hilfe.
Input gab es auch von Traute Schwenker und Christina Welp. Mit den Vertreterinnen der Jugendhilfe Bethel im Norden kam es zu einer gemeinschaftlichen Situation. Beide Damen sowie die Mitdiskuttierenden legten offen, dass es bei der Unterbringung von Jugendlichen andere Herangehensweisen nicht nur in Niedersachsen gibt, selbst im Landkreis Diepholz unterscheidet sich die Arbeit. Während Bethel im Norden darauf achtet, dass beim Einzug die Hilfesuchenden keinen Mietvertrag unter widrigen Umständen unterzeichnen lassen, vermerkte die Einrichtungsleiterin der Jugendwerkstatt Kirchweyhe, Petra Scholen, dass ihr mitunter keine andere Möglichkeit bliebe, ein Objekt mit Schimmelansatz an den Mann zu bringen.
Die Suche nach einer Wohnung oder einem Zimmer mit einem Einzelbett erweist sich immer schwieriger bei steigendem Mietspiegel. Beide Seiten resümierten zudem, dass die Jugendlichen sich neben einer eigenen Wohnung auch beiu Gelingen zumindest in der Anfangsphase Ansprechpartner wünschen. Festgestellt wurde jedoch auch, dass die Realität sehr oft anders aussieht. Dort, wo einst ein bezahlbares Objekt stand, jedoch aus Altersgründen abgerissen wurde, stellen gerne Investoren ihr Bein drauf, und lassen selbst für die Mittelschicht unbezahlbaren Wohnraum entstehen.
Bis zu 16 junge Menschen finden seit 25 Jahren Hilfe, Rat und vielleicht Lösungen für entstandene Konflikte und Probleme. Angesichts der von vielen befürchteten wirtschaftlichen Kollapse muss man leider davon ausgehen, dass die Arbeit von Petra Scholen und ihrem Team nicht weniger wird. Frau Scholen sowie Annette Itzerott, Sven Brethorst und dem Sternekoch Volker Bassen kann man nur die Daumen halten, dass deren aufopferungsvolle Arbeit auch weiterhin Früchte trägt. Menschen, die ein offenes Ohr für die Probleme junger Menschen haben. Und ein Herz. Das ist sogar noch unbezahlbarer als unbezahlbarer Wohnraum.
Fotos & Text.: Hari Januschke