Die Landesarmutskonferenz Niedersachsen (LAK) rief am 17. Oktober 2023 vor dem Niedersächsischen Landtag in Hannover dazu auf, die Gründung einer Landeswohnungsbaugesellschaft – wie von der rotgrünen Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag aufgeführt – jetzt auch entschieden umzusetzen.
Dazu brachte Klaus-Dieter Gleitze als Geschäftsführer der LAK Niedersachsen eine symbolische Zeitkapsel mit, die wichtige LAK-Forderungen zur künftigen Wohnungspolitik enthielt. Sie wurde feierlich als Grundstein der noch zu gründenden LandeswohnungsBAUgesellschaft symbolisch vor dem Landtag eingemauert.
Vor diesem Akt wurde die Zeitkapsel an die Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtags, Meta Janssen-Kucz symbolisch überreicht. Passend zu ihrer Parteiangehörigkeit gab es also dieses besondere Präsent in Form einer grünen Flasche.
Zwischen den Aktionen stand die Politikerin auch für Gespräche mit der LAK-Abordnung zur Verfügung. Dabei wurde deutlich, dass auch Meta Janssen-Kucz erkannt hat, dass die aktuell geplante Verschärfung der Einwanderungspolitik nicht das Hauptproblem unserer Gesellschaft sein kann. Die Einreise von Schutzsuchenden aus anderen Nationen zu erschweren diene offenbar dazu, die Wählerstimmen Richtung „AfD“ und sonstigen Strömungen zu bremsen.
Um die Sorgen finanziell nicht so gut gestellter Menschen zu verringern haben die Landesarmutskonferenz Niedersachsen und auch Meta Janssen-Kucz klare Forderungen und Erwartungen, um die aktuell zu beobachtenden „Armutsspirale“ engagiert zu entschärfen, also der Verarmung von immer mehr Menschen in Deutschland entgegen zu steuern.
Die Forderungen der LAK Niedersachsen dazu sind folgende:
- Sofortige Umsetzung einer niedersächsischen LandeswohnungsBAUgesellschaft
(Anmerkung unserer Redaktion: Hier sollte sich unsere Landesregierung auch endlich dazu entschließen, dieses Projekt wirklich als BAU-Gesellschaft zu verwirklichen, weil es eben um mehr als eine reine Verwaltung von bezahlbarem Wohnraum geht!) - Mobilisierung von Bauland für bezahlbaren Wohnraum
- Deutlicher Ausbau der Förderung des sozialen Wohnungsbaues
- Mietpreis-Stopp und notfalls Mietabsenkungen für arme Menschen
Darüber hinaus sollten unkonventionelle und steuerlich geförderte Maßnahmen umgesetzt werden:
- Umwidmung leerstehender Bürogebäude in Wohnungen
- Aufstockung bestehender Gebäude wie Supermärkte mit Wohnraum
- Überbauung von Straßen mit Wohngebäuden
- Schaffung von Matching-Agenturen zur Organisation von einfachem Wohnungstausch
also Zusammenbringen von Menschen mit zu wenig Wohnraum mit jenen, die zu viel davon haben
Weitere Forderungen für langfristige Verbesserungen:
- Housing First ausbauen
- Beschaffung von menschenwürdigen Wohnmöglichkeiten durch Land und Kommunen,
zur Unterbringung von Obdachlosen und Menschen in prekären Wohnsituationen:
Anmietung von Jugendherbergen, Hotels und ähnlichen Gebäuden - Jährliche Wohnungsnotfallstatistik (wie schon in NRW und Berlin)
- Strom- und Gassperren aufgrund von Zahlungsunfähigkeit müssen untersagt werden
- Moratorium für Zwangsräumungen
- Betriebskostenbremse, um die Kosten der Klimakrise für Mieter einzugrenzen
- Revitalisierung der Innenstädte im Sinn von Leben und Arbeiten
- Schaffung eines aktuellen Wohnungs- und Baulücken-Leerstandskatasters
- Qualifiziertes Leerstandskataster für Büroräume, die zu Wohnraum werden könnten
Maximilian Hennies (LAK-Sprecher vom Paritätischen Niedersachsen) betonte dazu:
Alle diese Forderungen dienen dazu, besonders ärmeren Menschen dabei zu helfen, wieder bezahlbare Wohnungen zu finden. Allein für Niedersachsen wird von mehr als 100.000 fehlenden bezahlbaren Wohnungen für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen ausgegangen.
Die Ausgrenzung von Menschen mit wenig Geld am Wohnungsmarkt muss gestoppt werden mit klaren politischen Impulse und auch einer Einhegung des entfesselten, renditeorientierten Wohnungsmarkts.
Dazu nannte Lars Niggemeyer (als LAK-Sprecher vom DGB Niedersachsen) noch einige Zahlen:
- Im Schnitt belief sich die Mietbelastung im vergangenen Jahr auf 27,8 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens. Je später der Mietvertrag abgeschlossen wurde, desto höher die Mietbelastung, ein bedrohlicher Trend.
- In Niedersachsen zahlten laut einer Studie der Hans-Böckler-Gesellschaft 2021 in Oldenburg 57 Prozent aller Haushalte mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Warmmiete, in Hannover 51 Prozent, in Göttingen knapp 50 Prozent und in Braunschweig und Wolfsburg je 46 Prozent.
- Wohnungsgesellschaften nehmen teils keine Mieter*innen mehr an, bei denen die Miete mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens beträgt, weil sie Mietrückstände befürchten. Konsequenz: Armut durch zu hohe Mieten.
- Immer öfter stellt sich die Frage, wofür das verfügbare Einkommen eingesetzt werden kann: Essen oder Wohnen?
Es setze ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb ein, an dem zum Schluss die Schwächsten auf der Straße landeten. Daher müsse der Bestand an Sozialwohnungen mindestens um 100.000 angehoben werden. Explodierende Wohnkosten und die damit einhergehende Spaltung in unserer Gesellschaft seien nicht unumstößlich. Eine andere Wohnungspolitik sei möglich, sie müsse jetzt nur auch umgesetzt werden.
Sicher ist, dass die Wohnungsbaugesellschaften genauso in der Pflicht stehen wie auch die Landes- und die Bundespolitik. Viele Menschen mit geringem bis niedrigem Einkommen brauchen dringend eine bezahlbare Wohnung.
Doch nicht nur für die Menschen, die spätestens mit der Corona-Pandemie und der aktuell galoppierenden Inflation immer mehr in Armut leben, verschärfen sich die finanziellen Probleme. Immer mehr Steuerzahler werden zu „Aufstockern“, um ihren Lebensunterhalt bis zum Existenzminimum aufzubessern.
Das muss genauso korrigiert werden, wie die Tatsache, dass Rentner zum Flaschensammeln genötigt sind. Wenn das gelingt, hilft das allen Menschen hier im Land: Den Armen, den Steuerzahlern, und den Migranten. Damit sollte auch der Zulauf zu populistischen Parteien entgegengewirkt werden, die nichts „Rechtes“ im Schilde führen.
Zur Aktion der LAK Niedersachsen war auch ein Team des Norddeutschen Rundfunks zum Landtag gekommen, das für die NDR-Sendung „Hallo Niedersachsen“ eine kurze Reportage erstellte. Diesen Bericht vom 17. Oktober 2023 können Sie (noch bis Mitte Oktober 2014) in der ARD-Mediathek verfolgen – ab Minute 10:04 geht es dort los.