„Komm mit mir ins Abenteuerland“ – mit diesen Worten landete die Popgruppe Pur in den 90er Jahren einen klassischen Ohrwurm. Das war nicht der einzige Hit der Band, die Gruppe um Hartmut Engler avancierte in ihrer Chart-trächtigsten Zeit zu einem starken Exportschlager der Stadt Bietigheim-Bissingen. Der Song selbst erzählt, wie Kinderaugen die Welt sehen und wie man als Erwachsener genau diese Sicht verlernt hat. Es hat also nichts damit zu tun, sich selbst auf eine Reise zu begeben, und nicht zu wissen, was einem auf einer Reise so alles widerfahren kann.
Obwohl – solche Abenteuerfahrten hat jeder schon erlebt, und sicherlich auch der ein oder andere Bewohner aus Bietigheim-Bissingen. Oder die Spieler von GWD Minden. Sieht man die Ausflüge aus der Sicht eines Leistungssportlers, so wird der Inhalt aus dem Pur-Song mit Sicherheit wieder spürbarer. Wer weiß das aktuell besser als die Profis und die Fans des Handball-Bundesligisten SG BBM Bietigheim. Vor vier Jahren durfte der Verein bereits Erstliga-Erfahrung sammeln, stieg aber chancenlos im Konzert der Großen direkt wieder ab. Seit dem vergangenen Sommer gehören die Schwaben wieder zu den 18 Vereinen der Bundesliga. Aller Voraussicht nach wird diese Fahrt ins Abenteuerland aber wieder mit der Rückreise in die zweite Liga enden.
Mehr noch – bislang endeten sämtliche Auswärtsfahrten sieglos. Am Ostersonntag unternahmen die tapferen Aufsteiger einen erneuten Versuch und reisten zu diesem Zweck nach Ostwestfalen. Der gastgebende Verein, dessen Mannschaft bei frühsommerlichen Temperaturen seinen Ausflug bequem mit dem Fahrrad absolvieren konnte, hatte vor dem Fest genau das umgekehrte Problem. Sämtliche Auftritte der GWD Minden in der heimischen KAMPA-Halle endeten im Jahr 2019 leider punktlos. Es gab zwar bereits einige Siege in diesem Jahr, jedoch keinen vor eigenem Publikum.
Am 27. Spieltag kam es so zu einem weiteren Versuch. Gemeinsam mit über 2.200 Zuschauern, die trotz des Wetters ihren Grillnachmittag auf den Abend verlegt hatten, sollte es nicht nur wegen des Feiertags ein festlicher Nachmittag werden. Das Publikum brachte gute Laune, ein sonniges Gemüt, aber auch eine enorme Erwartungshaltung mit. Bevor es losging, wurde sowohl vor, aber auch in der Halle österlich für die ganz jungen Besucher eingestimmt. Mit einer Eiersuche und Gewinnspielen jeglicher Art stieg die Festtagslaune weiter an.
Das Spiel selbst war nun weniger ein Fest, es endete aber aus Sicht der GWD mit 30:26 – also endlich einmal wieder mit 2 Heimpunkten. Dankersen startete stark, sehr stark sogar, und genau das war die Grundlage für die erste KAMPA-Hallen‑Party des Jahres. Denn erst als der Bietigheimer Rückstand nach 20 Minuten auf 7 Tore angewachsen war, erinnerten sich deren Spieler an den Grund für ihre knapp 400 km lange Anfahrt. Denn die Ergebnistafel machte für sie das drohende Abstiegsgespenst wieder sichtbar. So begannen die Süddeutschen doch noch, dem GWD Paroli zu bieten. Die Mindener ließen sich für einen Moment drauf ein, und der Vorsprung begann zu schmelzen.
Das es letztendlich doch für einen GWD-Sieg gereicht hatte, lag vor allem am Teamgeist, der gerade in der 2. Hälfte an den Tag gelegt wurde. Es tat so gut, endlich mal wieder strahlende Gesichter in Grün-Weiß zu sehen. Dem Publikum, den Verantwortlichen und den Spielern erst recht. Der Jubel hatte jedoch nichts überschwengliches, eher waren wohl alle darüber erleichtert, dass der Punkte-Abholservice in der KAMPA-Halle für anreisende Gästeteams ein Ende nahm. Sicherlich jubelten die meisten auch aus Rücksicht auf die sportlich bedrohliche Situation des Gegners nicht all zu überschwenglich.
Das gab auch Dalibor Doder nach dem Spiel zu. Übertrieben zu jubeln, wenn der Gegner deprimiert ist, das wäre zu grausam. Die Realität der SG BBM sieht aber genauso aus, denn mit jeder weiteren Niederlage wird ein Erstligaverbleib der Süddeutschen immer unwahrscheinlicher. Manch ein Mindener sah auch die GWD in den letzten Wochen Richtung Abstiegskampf wandern. Doch dieses böse Wort wollen wir ganz schnell wieder vergessen, denn dieser kurz entstandene Alptraum ist mit diesem Sieg rechnerisch zerplatzt.
Nach dem Spiel befragten wir einige Spieler, welche Erinnerungen sie mit dem 1. Advent 2018 verbinden. Alle wussten es nicht mehr ganz genau, aber es war der Tag des letzten Heimsiegs vor dem Osterspiel. Danach musste GWD 20 Wochen Geduld aufbringen bis zum heutigen erneuten Heimsieg. Mit der Hoffnung, nicht wieder so lange warten zu müssen, wünschen wir dem Verein bei drei noch ausstehenden Heimspielen einen dem folgenden Wonnemonat angemessenen Saisonausklang.
Text und Fotos: Hari