…aber dieses Mal 3 Sekunden zu lang
Wurf, Treffer, Ausgleich, Abfiff. So kurz und knapp könnte man das Handballspiel umschreiben, dass am 11. Bundesliga-Spieltag, das in der Mindener KAMPA-Halle ausgetragen wurde. Es waren genau 59 Minuten und 57 Sekunden zwischen der GWD Minden und HBW Balingen-Weilstetten gespielt, als sich genau diese Szene zutrug. Das tragische aus grün-weißer Sicht: Sie waren es, die diesen Gegentreffer einstecken mussten. 24 Sekunden zuvor herrschte Freude pur, als Christoffer Rambo mit voller Konzentration die Ostwestfalen mit 30:29 in Führung brachte. Wieviele der 2.375 Zuschauer sich der zwei Punkte sicher waren, kann man nur erahnen.
Wer jetzt annimmt, dass bei Mannschaft und Fans trübe Novemberstimmung nach dem späten Ausgleich herrschte – leider können wir hier weder mit Bildern von verärgerten noch traurigen Zuschauern dienen. Schnell wuchs die Einsicht, dass der eine verlorene Punkt durchaus auch ein gewonnener Punkt ist. Denn vor den drei Schlusssekunden hat die Spielregel zusätzliche 59:57 Minuten Spielzeit angesetzt. Und hier ist der Grund zu suchen, dass sich beide Teams in der Situation befunden haben, durchaus auch als Verlierer vom Platz gehen zu können.
Die Erwartungen des Publikums vor dem Spiel waren eingeschränkt positiv. Erstaunlich, bei einem Gegner, der bis zu diesem Tag in allen vorherigen Auswärtsduellen nicht einen einzigen Punkt mit nach Hause nehmen konnte. Fest stand bei den meisten lediglich, dass es richtig eng werden würde gegen die Schwaben. Der Neuling aus Baden-Württemberg hatte nach einer kleinen Niederlagenserie wieder an Fahrt aufgenommen und am Spieltag zuvor gar die Berliner Füchse bezwungen.
Beide Trainer erwähnten nach dem Spiel die gute Moral ihrer Teams. Das ist vor allem dahingehend zu unterstreichen, weil beide Teams im Spiel den Eindruck erweckten, aussichtslos hinten zu liegen. Der Gastgeber legte los wie die Feuerwehr, und nach einer 5:3‑Führung tippten einige etwas voreilig auf einen Zwei-Punkte-Spaziergang. Als die Gäste jedoch die Wege abriegelten und zusätzlich die Muskeln spielen ließen, schickten sie die GWD mit einem 12:14 zum Pausentee, einem Rückstand, der zwischenzeitlich auch auf 4 Tore angewachsen war.
Somit mussten die jungen Herren in Grün-Weiß in Halbzeit Zwei noch einmal die Ärmel hochkrempeln. Erst knapp eine Viertelstunde vor Spielende bejubelten die über 2.375 Zuschauer erstmalig wieder eine Führung der Mannschaft von Frank Carstens. In dieser Phase schenkten sich weder Ostwestfalen noch Ostalb nichts. Der Beweis sind insgesamt 10 verhängte Siebenmeter, ebenso viele Zeitstrafen, sechs Gelbe Karten sowie ein Feldverweis (für Balingens Lukas Saueressig). Doch vermochte kein Team aus seiner Überzahl einen Nutzen zu ziehen.
Damit war der Weg gepflastert für die dramatischen letzten 30 Sekunden. Nach dem Spiel sagte Mindens Trainer Frank Carstens,"ein Spiel dauere 60 Minuten", und bezog diesen Satz nicht auf das Spielende. Vielmehr hätte sein Team die frühe Zwei-Tore-Führung energischer nutzen müssen. Ein Spieler bezog den manchmal einkehrenden Leichtsinn auf das teilweise sehr jugendliche Alter seiner Kollegen. Das darf man durchaus auch erwähnen, denn wer ist mit um die 20 Jahre alt schon perfekt und fehlerfrei? Letzen Endes gab es sogar positives; durch den Punkt aber auch durch die günstigen Resultate anderer kletterte die GWD auf Platz 10, und bis zur oberen Hälfte fehlt nur noch ein Punkt. Kann die Position gehalten oder gar korrigiert werden. Angesichts der nächsten beiden Aufgaben in Magdeburg und gegen Melsungen reicht das Drücken eines Daumens wohl nicht aus.
Bis zu diesem spannenden 3. November waren drei Wochen seit dem letzten grün-weißen Heimauftritt gegen Flensburg gegangen. Zwischendrin gab es neben der Länderspielpause einen ebenso engen Auswärtsauftritt in Nordhorn-Lingen, der knapp gewonnen werden konnte, sowie reichlich Gesprächstoff beim Dankersen-Anhang. Zum einen klärte sich die Frage nach der Location für die Heimspiele in der Rückrunde. An 1. Januar 2020 geht es zum Lokalrivalen nach Lübbecke, während in Minden der Abriß der KAMPA-Halle aus Brandschutz-technischen Gründen vorgenommen wird. Offen bleibt die Frage, was passiert ab der neuen Spielzeit 2020/2021, und vor allem darüber hinaus? Auch hier strengt die Vereinsführung bereits Überlegungen an.
Überrascht wurde der Anhang während der Bundesliga-freien Zeit zusätzlich von der Nachricht, dass im kommenden Sommer der Kapitän seine Segel in der Bundeshauptstadt hisst. Nach sechs Jahren GWD Minden heißt Marian Michalcziks neuer Geldgeber Berliner Füchse. Aus persönlicher Sicht verständlich, aus der Sicht der Fans bedeutet das einen herben Verlust, wie auch seine 8 Treffer gegne Balingen beweisen. Aktuell ausfallen muss Juri Knorr, der sich im Spiel unglücklich verletzt hatte. Auf ihn wartet eine lange Genesungszeit, so dass er in diesem Kalenderjahr nicht mehr zur Verfügung steht. Gute Besserung auch von uns.