LAK-Fachtag Hannover 2017 - Die Mauer zwischen Arm und Reich muss weg

Reichtum. Macht. Armut“ – Fachtag der LAK in Hannover

LAK-Fachtag Hannover 2017 - Titelbild

LAK-Fachtag Hannover 2017 – Titel­bildAm Dienstag, den 17. Oktober war Welt­ar­mutstag. An diesem Tag findet regel­mäßig eine Fach­ta­gung der Landes­ar­muts­kon­fe­renz (LAK) Nieder­sachsen statt, diesmal unter dem Titel:

Reichtum. Macht. Armut. – Wie viel Ungleich­heit verträgt die Gesellschaft?“

In das Ver.di-Veranstaltungszentrum Hannover waren Landes­po­li­tiker und Experten einge­laden worden, um über Aspekte der Ungleich­heit in unserer Gesell­schaft und die Frage nach gerech­terer Vertei­lung der Ressourcen zu disku­tieren. Moderiert wurde die Veran­stal­tung von Klaus-Dieter Gleitze, dem Geschäfts­führer der LAK Nieder­sachsen.

Prof. Dr. Franz Segbers, der schon das Anfangs­re­ferat beim 12. Treffen der Menschen mit Armut­s­er­fah­rung in Berlin hielt (wir berich­teten), mahnte an, dass eine poli­ti­sche Diskus­sion über Armut dringend nötig sei. Es gäbe eine Krise der poli­ti­schen Reprä­sen­ta­tion in Deutsch­land: Je ärmer die Menschen seien, desto weniger seien sie in der Politik vertreten.

Mitt­ler­weile bemän­gelte selbst die EU, dass die Bundes­re­gie­rung durch ihre Politik eine „Armuts­för­de­rung“ betreibe. Seit der Agenda 2010 sei eine nötige Gerech­tig­keits­de­batte zugunsten einer Politik der Förderung der Wett­be­werbs­fä­hig­keit verdrängt worden. Der Sozi­al­staat ist schon lange zum Wett­be­werbs­staat umgebaut worden.

Dabei habe sich einer­seits ein Markt der Zusatz­leis­tungen entwi­ckelt, die für arme Menschen unbe­zahlbar seien. Ande­rer­seits ist ein wach­sender Wohl­fahrts­markt von Tafeln und Klei­der­kam­mern zu beob­achten, der vermehrt staat­liche Aufgaben übernehme.

LAK-Fachtag Hannover 2017 - Prof. Dr. Segbers
LAK-Fachtag Hannover 2017 – Prof. Dr. Segbers

Prof. Segbers kriti­sierte, dass seit der Regierung Gerhard Schröders und unter Angela Merkel eine Plura­li­sie­rung von Gerech­tig­keit zu beob­achten sei, die sich auch im bewussten Absenken des Exis­tenz­mi­ni­mums unter den eigent­li­chen Bedarf bemerkbar mache.

Damit verbunden sei die Frage nach Chan­cen­ge­rech­tig­keit und den zwei Seiten des „einander Schuldens“. Dazu führte er das Verhältnis der Ärmsten und der Reichsten in unserer Gesell­schaft zuein­ander an, das zum Beispiel beim Vergleich von Mindest­lohn und Spit­zen­ge­häl­tern deutlich werde.

Zuletzt stellte Prof. Segbers die Frage nach der Vertei­lung der poli­ti­schen Macht. Im Sinne einer Teil­ha­be­ge­rech­tig­keit forderte er ein gene­relles Recht auf Betei­li­gung als poli­ti­sches Menschen­recht. So forderte er ein Mindestmaß der Betei­li­gung armer Menschen in unserer Gesell­schaft und nannte als Beispiel das Einräumen einer Mitsprache beim Festlegen des Regelsatzes.

LAK-Fachtag Hannover 2017 - Pressekonferenz
LAK-Fachtag Hannover 2017 – Pressekonferenz

In der Pres­se­kon­fe­renz ging es sowohl um die Aufgabe der Gewerk­schaften, die in den letzten Jahren immer weiter an Gewicht und Einfluss verloren haben, als auch um das Fehlen der digitalen Teilhabe im Forde­rungs­ka­talog der LAK.

Der DGB-Gewerk­schafts­ver­treter Lars Nigge­meyer zeigte sich zuver­sicht­lich, dass den Gewerk­schaften wieder mehr Bedeutung zukommen werde. LAK-Geschäfts­führer Klaus Dieter Gleitze sicherte die Berück­sich­ti­gung der digitalen Teilhabe in den zukünf­tigen Schreiben der LAK zu.

LAK-Fachtag Hannover 2017 - Sozialministerin Cornelia Rundt
LAK-Fachtag Hannover 2017 – Sozi­al­mi­nis­terin Cornelia Rundt

Nach der Mittags­pause begrüßte Klaus-Dieter Gleitze dann die nieder­säch­si­sche Sozi­al­mi­nis­terin Cornelia Rundt, die in der Entwick­lung der Armuts­ge­fähr­dungs­quote eine wachsende Gefahr für den Wirt­schafts­standort Deutsch­land sah. Sie beobachte die wachsende Gruppe der Armen in Nieder­sachsen mit großer Sorge, besonders auch unter Kindern und bei Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Aber auch die wachsende Armut im Alter müsse besser bekämpft werden.

Sie berich­tete dann von einigen Erfolgen ihrer Regierung im sozialen Bereich, z. Bsp. der Betei­li­gung an der Durch­set­zung des gesetz­li­chen Mindest­lohns im Bundesrat und der Mitwir­kung beim Entgelt­trans­pa­renz­ge­setz. Sie arbeite für eine bessere Verein­bar­keit von Familie und Beruf besonders für Frauen und an der Bekämp­fung von Bildungs­armut. Dazu gebe es finan­zi­elle Hilfen bei Kindern und Zusam­men­ar­beit mit Initia­tiven für bessere Teilhabe von Kindern – was aber die zu niedrigen Kinder­re­gel­sätze nicht ausglei­chen könne. Und vor dem Hinter­grund von etwa 150 verschie­denen Arten an Leis­tungen des Bundes für Kinder und Eltern stelle sich die Frage, ob da nicht eine Kinder­grund­si­che­rung effek­tiver sein könne – also eine direkt gezahlte Hilfe an die betrof­fenen Kinder.

LAK-Fachtag Hannover 2017 - Publikum
LAK-Fachtag Hannover 2017 – Publikum

Zum Thema Wohnen erwähnte Frau Rundt, dass mitt­ler­weile 28% des Einkom­mens von Familien für das Wohnen ausge­geben würden. So sei besonders der Bund gefordert, den sozialen Wohnungsbau zügig auszu­weiten. Bei der Arbeits­markt­po­litik müssten Lang­zeit­ar­beits­lose weiter gefördert werden, um multiple Vermitt­lungs­hemm­nisse abzubauen. Zuletzt bemerkte sie beim Thema Alters­armut, dass es sich hierbei zunehmend um ein Problem von Frauen handele, die durch gebro­chene Arbeits­bio­gra­phien immer weniger Rente bezögen.

LAK-Fachtag Hannover 2017 - Lösungsansätze gegen Wählerflucht
LAK-Fachtag Hannover 2017 – Lösungs­an­sätze gegen Wählerflucht

Abschlie­ßend sah Sozi­al­mi­nis­terin Rundt Armuts­be­kämp­fung als „Riesen­thema“  ihrer Regierung an und sie betonte die Bedeutung der LAK als kompe­tenten Ansprech­partner für die Diskus­sion über Ursachen und Möglich­keiten zur Bekämp­fung von Armut:

Unsere Gesell­schaft muss merken, dass Armuts­be­kämp­fung ein wichtiges Thema ist.“

LAK-Fachtag Hannover 2017 - Die Mauer zwischen Arm und Reich muss weg
LAK-Fachtag Hannover 2017 – Die Mauer zwischen Arm und Reich muss weg
LAK-Fachtag Hannover 2017 - Podiumsdiskussion
LAK-Fachtag Hannover 2017 – Podiumsdiskussion

Tatsäch­lich von Armut Betrof­fene saßen wie üblich nicht auf dem Podium. Um Experte zu sein, braucht man scheinbar einen gewissen Abstand zum Thema. Zumindest im Publikum gab es aber ein paar echte Experten. Immerhin.