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GWD Minden: Ein unver­gess­li­cher Abschied

Für den Trainer und die Mann­schaft war es zunächst wie immer. Vor und während des Spiels galt es 100-prozentig fokus­siert zu sein auf die Aufgabe, die es zwei Tage vor dem Jahres­ende zu knacken galt. Viel­leicht im tiefsten Hinter­ge­danken spielte sich der Film ab, zu wissen, alles ist an diesem Tag das letzte Mal. "Sich jetzt bewusst zu werden, dass hier alles vorbei ist, kann ich mir nicht vorstellen. Es rührt mich ein wenig zu Tränen!" So der ungefähre Wortlaut von Frank Carstens, Trainer von GWD Minden, bei der Frage­stunde im Fankeller.  Und auch Geschäfts­führer Frank von Behren schwelgte in Erinnerungen.

Kaum zu glauben, aber es ist wirklich alles vorbei. Die Mindener KAMPA-Halle ist Geschichte und wartet auf ihren Abriss. Es war an diesem 29. Dezember 2019 ein merk­wür­diges Gefühl, durch das Gebäude zu laufen. Alleine die Vorstel­lung, was einem so vertraut wurde, soll nun dem mangelnden Brand­schutz zum Opfer fallen, lässt einem die Worte fehlen. Der Fankeller, die Flure, der Pres­se­raum, die Verkaufs­stände usw. All das soll im Laufe der nächsten Wochen dem Erdboden gleich gemacht werden?

Dieses letzte Beisam­men­sein an vertrauter Stelle ließ einen schon fast vergessen, warum man den letzten Sonntag des Jahres genau dort verbrachte: Denn der Spiel­planer der Handball-Bundes­liga hatte für dieses Datum einen Spieltag angesetzt. Dem Sensa­ti­ons­team aus Hannover-Burgdorf kam unbe­ab­sich­tigt die Ehre zu, noch einmal die Gäste­ka­bine benutzen zu dürfen. Denn als einst der Spielplan für 2019/2020 gestaltet wurde, verging ungefähr ein Vier­tel­jahr, als die Kontrol­leure der Brand­schutz­an­lage ihre Arbeit aufnahmen.

Wer sich bei Verant­wort­li­chen und Fans an diesem Sonntag umgehört hatte, gewann ein wenig den Eindruck, als finde das Duell mit den Nieder­sachsen nur nebenbei statt. Irgendwie dachten die wenigsten noch an den enttäu­schenden Auftritt in Flensburg nach, geschweige an die Partie gegen den Tabellen-Zweiten. Den Spielern beider Teams sei gedankt, die 60 Minuten Spielzeit so zu gestalten, dass der Auftritt zumindest für eine kurze Zeit doch zum Gesprächs­thema wurde.

Um es kurz zu machen: das Spiel endete 32:32 unent­schieden. Trainer Carstens hätte es vor dem Spiel blind unter­schrieben, wenn ihm einer vor dem Duell diesen einen Punkt verspro­chen hätte. Auch wenn sich die Hanno­ve­raner den ganz großen Wurf, sprich Meis­ter­schaft, nicht so ganz zutrauen – egal, wie nah sie noch an der Tabel­len­spitze schnup­pern – so dürfte die Truppe von der Leine mit ganz anderen Ansprü­chen zum Dritt­letzten nach Ostwest­falen gereist sein.

Nach dem Spiel durfte sowohl bei den Grün-Weißen als auch bei den Burg­dor­fern gerätselt werden: wo hat wer den Sieg verschenkt? Lag es an den Gästen, die in 33 aufein­an­der­fol­genden Minuten zwar immer irgendwie in Führung gingen, aber sich nie vorent­schei­dend absetzen konnten? Oder ließ bei Dankersen in der Schluss­vier­tel­stunde die Kraft nach, als ein Vier-Tore-Vorsprung nicht ins Ziel gebracht werden konnte? Glauben wir doch einfach dem Trainer, und nennen diesen Punkt einen gewon­nenen. Ob der hart­nä­ckigste Verfolger von Kiel das genauso sieht?

In jedem Fall war das letzte "Heimspiel" im eigenen Wohn­zimmer ein Krimi, der mit zuneh­mender Spiel­dauer den Abschied von der Hahler Straße vergessen ließen. Diese 60 Minuten war auch definitiv keine Gedenk­mi­nuten: 3.900 Zuschauer sorgten für ein ausver­kauftes Haus. Gefühlt war es auch in diesem Gebäude noch nie so laut. Der Fan-Club sorgte entspre­chend dafür, dass eine normale Unter­hal­tung ausge­schlossen war. Es brodelte richtig heftig in der Halle, aber keiner dachte daran, das die Brand­schutz­melder defekt sind. Wozu auch –  den letzten Heimweg beim Verlassen der KAMPA-Halle bestritten alle 3.900 Zuschauer sowie Mann­schaften, Sanitäter, Pres­se­ver­treter und ehren­amt­liche Helfern bei bester Gesundheit.

Ja, das war es aus der KAMPA-Halle? Der Schutt­haufen, den die Bagger aus einer vertrauten Gegend hinter­lassen, hinter­lässt auch etliche Fragen. Warum wurde bei der Sanierung der Halle vor einigen Jahren der mangelnde Brand­schutz nicht bemerkt? Warum fand nach Jahren die Kontrolle merk­wür­di­ger­weise im Oktober statt? Wieso wird die Halle erst ab Januar geschlossen, obwohl das Betreten im Oktober schon mehr als bedenk­lich war? Wäre ein Spiel im Februar oder März wirklich wesent­lich gefähr­li­cher als in den letzten  zwei­ein­halb Monaten? Und ist der Abriss und der Bau einer neuen Halle tatsäch­lich günstiger als eine erneute Sanierung und der Einbau einer sicheren Brandmeldeanlage?

Der Kreistag sollte sich die Mühe machen, neben den Handball-Fans auch die Konzert­be­su­cher oder den Freunden sonstiger Veran­stal­tungen entspre­chende Antworten zu liefern. Veran­stal­tungen, die es in einer Stadt mit über 80.000 Einwoh­nern in dieser Größen­ord­nung vorerst nicht mehr geben wird. Denn die Verär­ge­rung bei den Menschen vor Ort ist riesengroß.

Das neue Jahr 2020 beginnt für die Hand­ball­fans mit der Euro­pa­meis­ter­schaft in Norwegen, Schweden und Öster­reich. Ab dem 9. Februar heißt es dann, den tabel­la­ri­schen Teppich von hinten aufrollen. Das ganze aller­dings im Stadion des Rivalen in Lübbecke. Wir werden den Umzug mitmachen und die Mann­schaft nicht verlassen, zumal wir in der Wieder­ein­glie­de­rungs­hilfe wissen, was es bedeutet, seine gewohnte Umgebung zu verlieren. Und wir wissen noch mehr, was es bedeutet, wenn man auch danach im Regen stehen gelassen wird. Mit genau diesem Hinter­grund werden wir GWD Minden natürlich weiterhin die Treue halten.

Wir wünschen dem gesamten Team einen guten Rutsch in die neue Dekade. Für 2020 hoffen wir, dass alle gesund bleiben, und dass sich sowohl die grün-weißen als auch die eigenen Wünsche erfüllen. Und wir bedanken uns, dass wir dabei sein durften und weiterhin dabei sein dürfen.