Es waren einmal zwei Handballteams, die sich zu einem Testspiel in Lübbecke trafen. Die eigentliche Heimmannschaft, der TuS N‑Lübbecke tritt hier in der Zweiten Liga regelmäßig zu Punktspielen an, ging dieses Mal aber in die Gästekabine. Denn sie bestritten regulär ein Auswärtsspiel. Die andere wagt in den nächsten Monaten den Versuch, sich genau in diesen vier Wänden häuslich einzurichten. Dafür muss der Verein samt Anhang aus einer anderen Stadt anreisen, um dort ein Heimspiel auszutragen. Gegen die Mannschaft, die in gewohnter Heimstätte auswärts antritt.
Zugegeben, es klingt verwirrend, aber genau das war die Ausgangslage für das Testspiel am vergangenen Donnerstag. In der Merkur-Arena in Lübbecke empfing die GWD Minden den TuS N(ettelstedt)-Lübbecke. Das war die regulär vorgegebene Ansetzung. Wenn die sogenannte Gastmannschaft am 31. Januar gegen Emsdetten wieder auf Punktejagd geht, dürfen die Schwarz-Roten wieder die eigene Kabine beziehen.
Auf einen Schlag finden in der Merkur-Arena in der Rückserie 2019/2020 doppelt soviele Punktspiele wie geplant statt. Zur Erinnerung: Im vergangenen Oktober beschloss der Rat der Stadt Minden den Abriss der KAMPA-Halle, und läutete damit das Ende der eigentlichen Heimspielstätte ein. Der Brandschutz sei nicht mehr ausreichend, und das gewohnte Areal könne aus Sicherheitsgründen nach dem 31. Dezember 2019 nicht mehr betreten werden. Als Alternative beschloss die Stadt den Bau einer Multifunktionshalle im Bereich des Güterbahnhofs der Stadt Minden. 35 Millionen Euro wollen die Verantwortlichen dafür einsetzen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber Mindens Bewohner wünschen sich in ihrer Heimatstadt grün-weiße Heimspiele schon ab dem kommenden Sommer. Nun, so eine Halle muss ja erst mal entstehen, aber ist Eile geboten?
Nach den Eindrücken aus dem Umfeld während desTestspiels irgendwie ja. Die Zuschauer waren sich in ihrem Unmut über die Verantwortlichen, die lange Jahre nicht gehandelt und jetzt quasi handballbegeisterte Mindener durch diese Entscheidung aus der Stadt verbannen, einig. Der Stadt brechen dadurch auch die Einnahmen der Gästefans weg, die für die Unterstützung ihrer Mannschaft bequem an Minden vorbeifahren können. Der Unmut der Fans ist nachvollziehbar, und die jetzige Situation kann ja nicht im Sinne der Stadt sein.
Und wie gehen alle Beteiligten mit der Situation um? Es war eine Atmosphäre, die man hier in Freistatt von den Betroffenen der Wohnungslosenhilfe nur zu gut kennt. Das ursprüngliche Heim wurde genommen, man weicht notgedrungen in eine Alternative mit einem Dach über dem Kopf aus. Aber nur weil man ein anderes Heim besitzt, fühlt man sich deswegen schon gleich zu Hause? Natürlich nicht, denn jede fremde oder andere Umgebung braucht ihre Eingewöhnungszeit. Das betrifft die Verantwortlichen wie die Zuschauer genauso wie die Mannschaft.
Jedoch sollten sich alle im Sinne der GWD mit der jetzigen Lage schnellstmöglichst abfinden. Derzeit befindet sich der grün-weiße Bundesligist auf Platz 15 – lediglich drei Punkte vom Abstieg in Liga Zwei entfernt. Der Terminplaner ließ bei der Gestaltung des Spielkalenders Gnade zu, und Dankersen steigt erst am 9. Februar, also eine Woche nach dem offiziellen Rückrundenstart in den Ligaalltag ein. Im Test gegen Lübbecke wollte die gewohnte lautstarke Atmosphäre nur stockend aufkommen, und das in einem Lokalderby.
Ach so, und Handball wurde an diesem Abend auch gespielt. Um es kurz zu machen, die Partie bestand aus zwei komplett unterschiedlichen Halbzeiten, an deren Ende Lübbecke mit 27:25 siegte. In den ersten 30 Minuten spielte die GWD ihren Gegner fast an die Wand, und demonstrierte in dieser Phase eindrucksvoll den Klassenunterschied. Nach dem Wechsel wurde bei Minden nicht nur die Seite getauscht, sondern auch weite Teile des Teams aus dem ersten Durchgang. Zudem erinnerte sich das "Auswärtsteam" an ihre eigene Heimstätte, und unterstrich, wie wenig eingespielt der Gegner in dieser Phase war.
Unter dem Strich kam die Warnung zum richtigen Zeitpunkt. Man sollte aus dem Duell zwar Schlüsse ziehen, aber das Ergebnis nicht zum Aufhänger machen. Hoffnung schöpfend ist vor allem der sehr konzentrierte Auftritt der "Heimmannschaft" vor dem Pausenpfiff. Hoffnung macht auch, dass vor allem der norwegische Teil der Ostwestfalen gestärkt von der Europameisterschaft zurückkehrt. Zumindest sie, aber auch all jene, die mit ihren Nationalteams im Turnier vertreten waren, wissen schon jetzt, wie sich Heimspiele auf ungewohnten Boden anfühlen.
Da müssen die Fans auch mitarbeiten, denn gerade deren Choreographien waren in der KAMPA-Halle immer der achte Mann. Die Mannschaft tut es auf ihre Weise auch. Oder wie Torhüter Malte Semisch nach dem Spiel sagte: "In Minden kannten wir unsere Heimkabine, die war stets grün-weiß gestrichen. Das ist das, was uns jetzt fehlt, wir brauchen Farbe für unsere Kabinentür". Es heißt also bald Farbe bekennen, im Anfeuern, im Spiel – und für die Tür.
Fotos.: Stefan & Hari / Text.: Hari