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Expert*Innen für Wohnungs­lo­sig­keit begleiten das Projekt „Smart Inklusion für Wohnungslose“

In der ersten Märzwoche traf sich eine Abordnung der Selbst­ver­tre­tung wohnungs­loser Menschen mit der Arbeits­gruppe des inter­dis­zi­pli­nären Projekts Smart Inklusion für Wohnungs­lose (SIWo) der Tech­ni­schen Hoch­schule Nürnberg Georg Simon Ohm, zu der Professor Frank Sowa mit seinem Team einge­laden hatte.

Bei diesem Expert*Innen-Workshop ging es darum, einen möglichen Einsatz von „digitalen und
analogen Inno­va­tionen
“ abzu­klären, um künftig die Stellung und die Wahr­neh­mung von Wohnungs­losen in unserer Gesell­schaft zu verbessern.

(Wenn hier im Folgenden von „Wohnungs­losen Menschen“ die Rede ist, sollte sich der Leser diese Gruppe um ehemals wohnungs­lose und arme Menschen ergänzt denken, da sie in unserer Gesell­schaft alle eine Gruppe bilden, die durch ihre mangelnden Ressourcen ständig von Wohnungs­lo­sig­keit bedroht sein können und denen damit auch gesell­schaft­liche Teilhabe nur sehr einge­schränkt zur Verfügung steht.)

Workshop „Smart Inklusion für Wohnungslose“

In mehreren Arbeits­gruppen wurden dabei zuerst einmal folgende Fragen behandelt:

  • Welche Rolle spielen digitale Lösungen für die Teil­ha­be­mög­lich­keiten wohnungs­loser Menschen?
  • Welche Risiken und Gefahren bestehen für wohnungs­lose Menschen durch digitale Lösungen?
  • Welche Rolle spielen digitale Lösungen bei der Orga­ni­sa­tion des täglichen Lebens für wohnungs­lose Menschen heutzutage?
  • Welche Heraus­for­de­rungen gibt es zurzeit, wenn man als wohnungs­loser Mensch Smart­phone, Computer oder Internet verwenden möchte?

Damit wurde eine erste Bestands­auf­nahme von bishe­rigen Möglich­keiten, Problemen und Befürch­tungen beim Umgang mit digitalen Medien und Geräten aus der Sicht wohnungs­loser Menschen erstellt.

Erste Frage­runde: Gefahren und Herausforderungen

Alle Fragen wurden nach der „World Café“-Methode nach­ein­ander in vier kleinen Gruppen erörtert, so dass nach und nach die Stich­wort­samm­lungen der voran­ge­gan­genen Kleingruppe(n) ergänzt oder erweitert wurden.

Ergeb­nisse der ersten Frage

Ergeb­nisse der zweiten Frage

Ergeb­nisse der dritten & vierten Frage 

Zweite Frage­runde zur Situation wohnungs­loser Menschen

In einer zweiten Grup­pen­runde wurden Fragen zu Kommu­ni­ka­tion, Bezie­hungen, Umgang mit Hilfe­ein­rich­tungen und Verbes­se­rungen gesell­schaft­li­cher Teilhabe behandelt:

  • Inwiefern hat die digitale Kommu­ni­ka­tion unserer Zeit die Beziehung von Menschen unter­ein­ander verändert?
  • Inwiefern verändern digitale Lösungen die Bezie­hungen von Menschen untereinander?
  • Wo gibt es gemein­same Inter­essen von Wohnungs­losen und Hilfe­ein­rich­tungen, wo könnte es unter­schied­liche Sicht­weisen geben?
  • Welche konkreten Heraus­for­de­rungen müssen wir lösen, um die gesell­schaft­liche Teilhabe wohnungs­loser Menschen zu verbessern?

Hier wurden damit Stich­worten zur aktuellen Situation wohnungs­loser Menschen aus „Betrof­fe­nen­sicht“ aufge­zeichnet, um zuletzt die Frage nach den Möglich­keiten zu konkreten Verbes­se­rungen zu stellen, um die gesell­schaft­liche Teilhabe wohnungs­loser Menschen zu verbessern.

(Die ursprüng­lich auf „wohnungs­lose Menschen“ einge­grenzten Fragen wurden beim Workshop korri­giert auf „alle Menschen“, da die Eingren­zung so frag­würdig bzw. künstlich ausgren­zend erschien)

Digitale Kommu­ni­ka­tion und Beziehungen?

Verändern Digitale Lösungen Beziehungen?

Gemein­same Inter­essen von Wohnungs­losen und Hilfeeinrichtungen?

Auch diese drei Fragen wurden wieder zuerst in drei Gruppen behandelt, um dann nach der „World Café“-Methode in zwei weiteren Sitzungen ergänzt zu werden.

Bei allen Runden der Stich­wort­samm­lung zu den Fragen fiel die Vielfalt der betei­ligten Experten zum Thema Wohnungs­lo­sig­keit auf: Je nach persön­li­cher Situation (aktuell wohnungslos geworden oder obdachlos auf der Straße lebend, mit längerem Aufent­halt in statio­nären Einrich­tungen der Wohnungs­lo­sen­hilfe lebend oder schon auf dem Weg zu einer eigenen Wohnung) hatte jede Expertin bzw. jeder Experte ganz eigene Aspekte und teils auch sehr persön­liche Erfah­rungen – besonders über bestehende Mängel – beizutragen.

Heraus­for­de­rungen zur Verbes­se­rung gesell­schaft­li­cher Teilhabe

Diese Frage war Schwer­punkt des zweiten Tags des Workshops:

Projekt SIWo -- TH Nürnberg -- Frage 1: Konkrete Herausforderungen der gesellschaftlichen Teilhabe Wohnungsloser
Frage nach konkreten Heraus­for­de­rungen der gesell­schaft­li­chen Teilhabe Wohnungsloser

Zum Abschluss des Workshops wurde diese Frage in drei Arbeits­gruppen erörtert. Mit der Arbeit vom Vortag kam so eine Sammlung von vielen Punkten zusammen, die aus Sicht der verschie­denen Expert*innen mit Erfah­rungen von Wohnungs­lo­sig­keit verbes­sert werden müssten, um die gesell­schaft­liche Teilhabe für wohnungs­lose Menschen zu verbes­sern oder gar überhaupt erst zu ermöglichen.

Vorschläge und Forderungen

Für das inter­dis­zi­pli­näre Projekt Smart Inklusion für Wohnungs­lose (SIWo) wurden so einige recht konkrete Ansatz­punkte zusam­men­ge­tragen, die in die Entwick­lung einer „Digitalen Lösung“ zur Erleich­te­rung des Lebens obdach- oder wohnungs­loser Menschen in unserer Gesell­schaft eingehen sollten.

Wir sind gespannt, wie sich dieses Projekt der Tech­ni­schen Hoch­schule Nürnberg Georg Simon Ohm weiter entwi­ckeln wird, das zunächst bis Ende 2022 laufen wird. Mit der Selbst­ver­tre­tung wohnungs­loser Menschen wurde eine weitere Mitarbeit wohnungs­loser Menschen am Projekt verein­bart und unsere Redaktion wird über den weiteren Verlauf des Projekts berichten.

Wir danken allen Betei­ligten des Nürn­berger Projekts SIWo und besonders Prof. Frank Sowa für unsere Einladung und die Möglich­keit des Erfah­rungs­aus­tau­sches. Alle Betei­ligten berich­teten von einer sehr produk­tiven Arbeits­at­mo­sphäre beim Workshop und dem guten Gefühl der gemein­samen Arbeit „Auf Augenhöhe“.

Leider ist das für wohnungs­lose Menschen in ihrem täglichen Leben eine eher seltene Erfahrung, wie wir auch aus eigener Erfahrung berichten können. Es bleiben also noch viele Möglich­keiten in unserer Gesell­schaft, um ein besseres „Mitein­ander“ zu entwi­ckeln und sich an eine Weiter­ent­wick­lung unserer ehemals vorhan­denen „Sozialen Markt­wirt­schaft“ zu wagen.

Even­tu­elle weitere ergän­zende Fragen und Forde­rungen nehmen wir gerne entgegen und leiten sie an das Projekt­team weiter.


Zuletzt folgt hier noch eine Abschrift der Anre­gungen und Forde­rungen der letzten Gruppen-Fragerunde. 

Wie können wir erreichen dass …

  • … jeder (Mensch) versteht, wie es möglich ist, als Wohnungs­loser zu überleben
  • … die deutsche Gesetz­ge­bung die Anliegen und Bedarfe der Wohnungs­losen besser berücksichtigt
  • … ein Austausch­portal und/oder eine App für Wohnungs­lose entsteht?
  • … Wohnungs­lose wissen, welche Rechte sie haben (Herr­schafts­wissen)
  • … Wohnungs­lose wissen, wie sie Beglei­tung erhalten können
  • … Wohnungs­lose wissen, wie sie sich gegen­seitig helfen können (Peer-Beratung)
  • … kranke Menschen Beglei­tung finden und bekommen?
  • … Vorur­teile gegen Wohnungs­lose aufgelöst werden?
  • durch Infor­ma­tion über Wohnungs­lo­sig­keit in Schulen?
  • … Vorur­teile gegen Wohnungs­lose aufgelöst werden?
  • Verfüg­bar­keit umfas­sender, gut verständ­li­cher Gesund­heits­an­ge­bote sicherstellen
  • Wahr­neh­mung (Akzeptanz) von wohnungs­losen Menschen verbessern
  • nicht nur in der Kalten Jahres­zeit Hilfen zur Verfügung stellen
  • Wissen über „Wohn­plätze“ öffent­lich machen
  • Stichwort „Selbst­er­kenntnis“
  • der Staat muss die Situation der „sozial schwachen“ Menschen generell stärken
  • Junge Wohnungs­lose“ besser versorgen und betreuen („nicht mehr vernach­läs­sigt in Pensionen lassen“)
  • … es ist für wohnungs­lose Menschen möglich wird, Geld beiseite zu legen?
  • Para­digmen in Frage stellen“ – Wohnungs­lo­sig­keit als gesell­schaft­li­ches Problem sehen, nicht als „Schuld“ des Wohnungslosen
  • Verdienst, Leistung und Wett­be­werb – treiben „gewollt?“ einen Keil in unsere Gesellschaft
  • … es mehr Sozi­al­ar­beiter in der Öffent­lich­keit gibt? – also Angebote „für Alle“ schaffen?
  • Vertrau­ens­aufbau in digitalen Bereichen – Skeptiker und Zweifler zum Mitmachen motivieren
  • … das Verhältnis von wohnungs­losen und Sozi­al­ar­bei­tenden verbes­sert wird?
  • Vorur­teile in der Bevöl­ke­rung gegenüber Menschen abbauen, die „auf der Straße“ leben
  • Vernet­zung von Wohnungs­losen mit gleichem Schicksal verbessern
  • auf die Vermei­dung von Ausgren­zung bei allen Angeboten achten
  • … Hilfe beim Besuch von Ämtern zur Verfügung steht?
  • Umgang mit Mobil­te­le­fonen erleich­tern (Schulung, zur-Verfügung-stellen?)
  • Zugang zu digitalen Medien für alle Wohnungs­losen schaffen, Ausrüs­tung dazu zur Verfügung stellen
  • … Guthaben für Internet und Mobilfunk für jeden Wohnungs­losen zur Verfügung steht? (durch eigenes Handy, z. Bsp. über Spenden finanziert?)
  • … Prepaid­karten für jedermann zur Verfügung stehen?
  • … „ruhige Orte“ zur Verfügung stehen, an denen sich „Gleich­ge­sinnte“ treffen können?
  • … ange­mes­sene Ressourcen (z. Bsp. auch Geld) für die gesell­schaft­liche Teilhabe zur Verfügung stehen?
  • bessere Finan­zie­rung Wohnungs­loser durch Stadt, Land Politik, Kommunen, …
  • Kontakte zu wohnungs­losen Menschen verbessern
  • wahr­nehmen, dass jede Schicht von Wohnungs­lo­sig­keit betroffen werden kann
  • … mehr mitein­ander statt über­ein­ander geredet wird? (in unserer Gesellschaft)
  • Akzeptanz für gleich­be­rech­tigte Teilhabe wohnungs­loser (oder armer) Menschen in allen gesell­schaft­li­chen Bereichen schaffen
  • Aufklä­rung zum Abbau von Vorurteilen
  • … allen Gruppen wohnungs­loser Menschen die gleichen Möglich­keiten zu gesell­schaft­li­cher Teilhabe zur Verfügung steht?
  • … eine unbe­schwerte Teilnahme Aller an gesell­schaft­li­chen Anlässen ermög­licht wird?
  • Unter­brin­gung von Sachen zum Beispiel in kosten­losen Schließfächern
  • … es einfache Möglich­keiten zum Wäsche waschen gibt?
  • … ein Anrecht auf einen Schlaf­platz geschaffen wird?