Bergen-Belsen – Gedenken an eine dunkle Vergan­gen­heit (Teil 2)

Ende April besuchten wir die KZ Gedenk­stätte Bergen-Belsen, die an das ehemalige Konzen­tra­tions- und Kriegs­ge­fan­gen­lager im nieder­säch­si­schen Landkreis Celle erinnert. Damals konnten wir aufgrund der damals bestehenden Corona-Maßnahmen nur das Außen­ge­lände der Gedenk­stätte besuchen, da das Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum geschlossen war. Nachdem es Anfang Mai dann eine Lockerung der Maßnahmen gab und auch Museen ihre Türen wieder öffnen durften, entschlossen wir uns Bergen-Belsen ein zweites Mal zu besuchen. Diesmal war unser Ziel das Dokumentationszentrum.

Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum

Das Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum der Gedenk­stätte wurde, wie bereits in unserem ersten Bericht erwähnt, im Oktober 2007 eröffnet. Hier werden alle bisher gesam­melten und in Zukunft noch hinzu kommenden Dokumente sowie Fotos, Filme und Gegen­stände, die von der Geschichte des ehema­ligen Lagers erzählen, aufbe­wahrt und stehen der Forschungs- und Bildungs­ar­beit zur Verfügung. Ein Teil dieser Relikte aus der dunklen Vergan­gen­heit des Lagers wird in einer Dauer­aus­stel­lung präsen­tiert. Diese Ausstel­lung umfasst die Historie der Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager in der Lüne­burger Heide, des Konzen­tra­ti­ons­la­gers Bergen-Belsen und des Displaced Person Camps (DP-Camp) in Belsen. Dabei stehen die Schick­sale der Kriegs­ge­fan­genen und der KZ-Häftlinge sowie die Bemü­hungen der Menschen, die das Grauen in Bergen-Belsen über­lebten, um einen Neubeginn im Mittelpunkt.

Das etwa 200 Meter lange Gebäude des Doku­men­ta­ti­ons­zen­trums folgt dem Verlauf einer ehema­ligen Land­straße, die 1941 aufgrund des Ausbaus des Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­gers verkürzt wurde, und steht außerhalb des histo­ri­schen Lager­ge­ländes. An der Stelle, an der der ehemalige Lagerzaun seinen Verlauf hatte, ragt das Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum in das alte Lager­ge­lände hinein und "schwebt" über dem Boden.

Das Gebäude des Doku­men­ta­ti­ons­zen­trums ist zwei­ge­teilt. Im vorderen Bereich des Baus findet man den Eingangs­be­reich mit der zentralen Infor­ma­tion, einer Cafeteria sowie einem Buch-Shop. Das Archiv und die Biblio­thek der Gedenk­stätte sind hier im Ober­ge­schoss unter­ge­bracht. Im hinteren Bereich befindet sich ein weiterer zwei­ge­schos­siger Bau, durch den ein "stei­nerner Weg" führt, auf dem man vom Vorplatz der Gedenk­stätte auf das ehemalige Lager­ge­lände gelangt, ohne das Innere dieses Gebäudes zu betreten. Im Gebäude findet man die etwa 1.500 Quadrat­meter große Ausstel­lung zur Geschichte dieses Ortes. Die Ausstel­lungs­räume sind schlicht (siehe Foto oben rechts) und der Fußboden steigt in Richtung des histo­ri­schen Lage­r­areals leicht, jedoch unbe­merk­lich, an. Ein großes Panora­ma­fenster am über dem ehema­ligen Lager "schwe­benden" Teil dieses Gebäudes ist die einzige Möglich­keit, einen Blick nach außen werfen zu können. Somit wird auch der Ort des ehema­ligen grausigen Gesche­hens zu einem Teil der Ausstellung.

Wie bereits erwähnt, stehen die Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager in der Lüne­burger Heide, das Konzen­tra­ti­ons­lager Bergen-Belsen und das DP-Camp Bergen-Belsen im Blick­punkt der Ausstel­lung. Auf eine gesamte Darstel­lung der Geschichte der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Verfol­gung wird hier verzichtet. Durch die Präsen­ta­tion von Tage­bü­chern, Zeich­nungen, Augen­zeu­gen­be­richten und persön­li­chen Gegen­ständen der Kriegs­ge­fan­genen, der KZ-Häftlinge sowie der Displaced Persons wird die Historie des Lagers erzählt. Ein wichtiger Bestand­teil dieser Geschichte sind auch die Inter­views mit Zeit­zeugen, die an verschie­denen Medien-Stationen gezeigt werden. Die Erin­ne­rungen dieser Menschen, die das Martyrium über­lebten, dienen gleich­zeitig als Gegen­stücke zu den histo­ri­schen Bildern, in welchen der einzelne Mensch in der Masse der Toten nicht mehr erkennbar ist. Im Mittel­punkt der Inter­views stehen die jeweilige Lebens­ge­schichte sowie die subjek­tive Erfahrung der Betroffenen.

Prolog

Gleich zu Beginn der Ausstel­lung befindet sich ein kleines "Kino". In diesem mit Sitz­ge­le­gen­heiten ausge­stat­teten Raum, dem "Prolog", sind Filme mit Zeit­zeugen zu sehen, die über ihr Leben vor der Zeit im Konzen­tra­ti­ons­lager Bergen-Belsen oder in den Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­gern berichten. Deswei­teren werden hier Fotos von Menschen gezeigt, die die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Verfol­gung nicht überlebten.

Der "Prolog", ein kleines "Kino"
Der "Prolog", ein kleines "Kino"

Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager

Der erste Teil der Ausstel­lung beschäf­tigt sich dann mit der Geschichte der Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager in Bergen-Belsen, Wiet­zen­dorf, Oerbke und Falling­bostel. Das zentrale Thema dieses Ausstel­lungs­teils ist das Schicksal der sowje­ti­schen Kriegs­ge­fan­genen in den Jahren 1941 und 1942. Einige Abschnitte sind den italie­ni­schen Mili­tär­in­ter­nierten und den Solda­tinnen und Offi­zieren der polni­schen Heimat­armee gewidmet. Zahl­reiche Perso­nal­karten und Regis­trie­rungs­fotos von Kriegs­ge­fan­genen und Mili­tär­in­ter­nierten zeigt ein langes Wandfries.

Konzen­tra­ti­ons­lager und Befreiung

Der nächste Teil der Ausstel­lung widmet sich der komplexen Geschichte des Konzen­tra­ti­ons­la­gers als Austausch­lager, Männer­lager, Frau­en­lager, Auffang- und Ster­be­lager. In diesem Bereich befindet sich auch ein Abschnitt, in dem Foto- und Film­do­ku­mente gezeigt werden, die von briti­schen Mili­tär­an­ge­hö­rigen nach der Befreiung des Lagers gemacht wurden. Daneben zeigen in den Boden einge­las­sene Vitrinen Gegen­stände, die bei Frei­le­gungen im früheren Lager­be­reich gefunden wurden.

Displaced Persons Camp

Der Ausstel­lungs­teil über das DP-Camp befindet sich im Ober­ge­schoss des Gebäudes. Hier wird die Geschichte des Camps von der Einrich­tung des briti­schen Nothos­pi­tals bis zur Auflösung des Camps im Sommer 1950 erzählt. In separaten Abschnitten wird hier das Leben der polni­schen und der jüdischen Displaced Persons dokumentiert.

Bergen-Belsen-Prozess

In einer weiteren Abteilung im Ober­ge­schoss besteht die Möglich­keit, sich über die Straf­ver­fol­gung des Lager­per­so­nals von Bergen-Belsen zu informieren.

Exponate und Zeitzeugeninterviews

All diese in der Dauer­aus­stel­lung gezeigten Text­do­ku­mente, Erin­ne­rungs­be­richte, Tage­bü­cher, Zeich­nungen, Fotos und Gegen­stände – es gibt selbst­ver­ständ­lich unzählige weitere – konnten durch umfang­reiche Recher­chen in vielen inter­na­tio­nalen Museen und Archiven ausfindig und in die Sammlung der Gedenk­stätte aufge­nommen werden. Außerdem kann die Gedenk­stätte durch einen lang­jäh­rigen Kontakt mit Über­le­benden des Lager­kom­plexes weitere bedeu­tende Dokumente und Objekte präsentieren.

Die Zeit­zeu­gen­in­ter­views, die im Bereich der gesamten Ausstel­lung gezeigt werden, bestehen aus insgesamt 45 Filmen, die aus über 350 lebens­ge­schicht­li­chen Inter­views mit mehr als 1.400 Stunden Material entstanden.

Schluss­wort

Sowohl das Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum als auch das histo­ri­sche Lager­ge­lände mit Friedhof, sind eine sehr gute Möglich­keit, sich über die Gräuel der Natio­nal­so­zia­listen hier in Bergen-Belsen umfang­reich zu infor­mieren. Die beste Infor­ma­ti­ons­mög­lich­keit ist aber der Besuch beider Bereiche. Hierzu sollte man sich dann aber einen Tag Zeit nehmen. Es lohnt sich wirklich.

Text und Fotos: Stefan