Ende April 2020 besuchten wir die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen auf dem Gelände des ehemaligen Kriegs- und Konzentrationslager Bergen-Belsen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie war zu diesem Zeitpunkt nur das historische Lagergelände mit Friedhof geöffnet. Das dazugehörige Dokumentationszentrum war leider geschlossen.
Der Ort
Das 260-Seelen-Dorf Belsen, eine ehemalige Gemeinde und heute ein Ortsteil der Stadt Bergen, im Landkreis Celle in der Lüneburger Heide wurde vor 785 Jahren als Bellenhusen erstmals urkundlich erwähnt. Überreste etlicher Hügelgräber, wie etwa die "Sieben Steinhäuser" in der Gemarkung von Belsen wiesen auf bereits frühere Besiedlungen hin. Die ehemalige Wallanlage nördlich des Dorfes stammt jedoch vermutlich nicht aus dieser vorgeschichtlichen Zeit, sondern aus der Zeit der Hildesheimer Stiftsfehde. Sie diente den Menschen aus der Umgebung, die mit ihrem Vieh dorthin flüchteten, als Schutz. Neben der Ortschaft Belsen und der Belser Mühle gehörten die im Jahr 1874 abgebrannte und später nach Hoppenstedt verlegte Hoppenstedter Mühle, der Einzelhof Hoppenstedt und die Ortschaft Hörsten zur Gemeinde Belsen. 1935 wurden dann von der deutschen Wehrmacht die Grenzen des Truppenübungsplatzes Bergen festgelegt und die Flächen westlich von Belsen mit Belser Mühle, Hoppenstedt und Hörsten fielen dem Ausbau des Truppenübungsplatzes zum Opfer. Hier wurde ein Lager für eine Infanterie-Division errichtet. Damit musste die Gemeinde Belsen 67 Prozent ihrer damaligen Fläche von 1.460 Hektar an die Wehrmacht abgeben. Ebenso wurden 118 Einwohner, was 57 Prozent der Einwohnerschaft ausmachte, umgesiedelt. Heute ist dieser Truppenübungsplatz, auch als NATO-Schießplatz Bergen-Hohne bekannt, mit einer Fläche von 280 Quadratkilometern einer der größten Truppenübungsplätze Europas. Etwa drei Kilometer südlich des Dorfes Belsen befand sich das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Die heutige Gedenkstätte Bergen-Belsen mit der Fläche des ehemaligen Kriegsgefangenen- und Konzentrationslagers sowie das 2007 errichtete Dokumentationszentrum Bergen-Belsen gehören heute größtenteils zum Gebiet der Ortschaft Walle, einem Ortsteil der Gemeinde Winsen (Aller). Die Rampe, an der die KZ-Häftlinge in Güterwaggons ankamen und die etwa fünf Kilometer lange Strecke bis zum Lager zu Fuß zurücklegen mussten, liegt zwischen Belsen und der Stadt Bergen. Heute wird sie zum Verladen von Militärfahrzeugen genutzt, die für Übungen auf dem Truppenübungsplatz Bergen von US-amerikanischen (United States Armed Forces), britischen (Her Majesty's Armed Forces), niederländischen (Nederlandse krijgsmacht), französischen (Forces armées françaises), deutschen (Bundeswehr), belgischen (Armée belge, Belgisch leger), luxemburgischen (Lëtzebuerger Arméi) und polnischen (Siły Zbrojne Rzeczypospolitej Polskiej) Streitkräften per Bahn antransportiert werden. Am 1. Februar 1971 wurde Belsen dann in die Stadt Bergen eingegliedert.
Gedenkstätte Bergen-Belsen
Chronologie des Lagers und der Gedenkstätte Bergen-Belsen
Juni 1940: Zur Unterbringung von 600 französischen und belgischen Kriegsgefangenen nutzt die deutsche Wehrmacht ein bereits bestehendes Barackenlager südlich des Truppenlagers Belsen.
1941: Im Mai/Juni des Jahres wird das Lager zum Stalag XI C (311) Bergen-Belsen, einem Mannschafts-Stammlager und Lazarett für sowjetische Kriegsgefangene ausgebaut. Im Juli treffen dann die ersten 2.000 sowjetischen Kriegsgefangenen ein – bis zum Herbst steigt die Zahl der Gefangenen auf über 21.000. Wegen zu weniger Baracken müssen viele von ihnen auf freiem Feld, in Erdhöhlen und Laubhütten leben. 14.000 von ihnen sterben zwischen Juli 1941 und April 1942 vor allem an Hunger, Seuchen und Kälte. Ab August werden durch ein Einsatzkommando der Gestapo "Aussonderungen" unter den Kriegsgefangenen durchgeführt, bei denen mindestens 500 Juden und politische Funktionäre in das KZ Sachsenhausen bei Oranienburg transportiert und dort ermordet werden. 1943: Im April erhält die Schutzstaffel (SS) den südlichen Lagerteil von der Wehrmacht um dort ein "Austauschlager" einzurichten. Zweck dieses Lagers war es, dort jüdische Häftlinge als Geiseln festzuhalten, die gegen im Ausland internierte Deutsche ausgetauscht werden können. Das Austauschlager ist ein Teil des nationalsozialistischen KZ-Systems. Das Kriegsgefangenen-Lazarett im Nordteil des Lagergeländes bleibt unter der Leitung der Wehrmacht bestehen. Zwei Monate später wird dann das Stalag XI C (311) aufgelöst und das Kriegsgefangenen-Lazarett wird zu einem Zweiglager des Stalag XI B Fallingborstel. Mehr als 2.300 polnische Juden kommen dann im Juli im "Austauschlager" an. Mindestens 14.600 Juden, die meisten aus Ungarn und den Niederlanden, werden bis Ende 1944 dorthin transportiert. Im Oktober werden etwa 1.800 Juden in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau nahe der süd-polnischen Stadt Oświęcim verbracht und dort sofort nach der Ankunft ermordet.
1944: Im März wird ein Männerlager im KZ Bergen-Belsen eingerichtet, in welches die SS Tausende kranker und arbeitsunfähiger Häftlinge aus anderen Konzentrationslagern verbringt. Im Rahmen eines Austauschgeschäfts verlässt Ende Juni ein Transport mit 222 Juden das "Austauschlager" in Richtung Palästina. Auf diese Art gelangen bis April 1945 etwa 2.560 Häftlinge in die Freiheit. Ende Juli erreichen etwa 500 italienische Militärinternierte, die meisten von ihnen an Tuberkulose erkrankt, wegen der Verlegung des Lazaretts in Fallingborstel-Oerbke nach Bergen-Belsen das Kriegsgefangenenlager. Ab August 1944 wird ein neuer Lagerabschnitt für weibliche Häftlinge eingerichtet. Tausende von Frauen, vor allem aus dem KZ Auschwitz, kommen hier an. Der Großteil von ihnen wird zum Arbeitseinsatz in andere Konzentrationslager sowie in das Lager Bomlitz-Benefeld bei Walsrode, das Lager III Waldeslust bei Hambühren und das Lager Unterlüß-Altensothrieth in der Gemeinde Südheide weitertransportiert. Diese drei zuletzt genannten Lager sind Außenlager des KZ Bergen-Belsen. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands erreichen im Oktober und November 1.000 Soldatinnen und Offiziere der polnischen Heimatarmee als Kriegsgefangene das Lager Bergen-Belsen. Mehrere Tausend Zivilisten, Frauen und Kinder, des Warschauer Aufstands wurden bereits seit August in das neu errichtete Frauenlager gebracht. Der SS-Hauptsturmführer Josef Kramer, der ehemalige Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau wird im Dezember neuer Lagerkommandant in Bergen-Belsen. Zudem werden zwischen Dezember 1944 und April 1945 mindestens 85.000 Häftlinge im Zuge der Räumung frontnaher Konzentrationslager nach Bergen-Belsen verbracht.
1945: Im Januar wird das Kriegsgefangenenlager aufgelöst, die Kriegsgefangenen wurden bereits zuvor in andere Kriegsgefangenenlager verlegt. Anfang April verlassen drei Eisenbahn-Transporte mit etwa 6.700 Häftlingen das "Austauschlager". Das vermutliche Ziel ist das Ghetto Theresienstadt in der Stadt Terezín im heutigen Tschechien. Außerdem werden zu diesem Zeitpunkt über 15.000 Häftlinge aus dem KZ Mittelbau-Dora bei Nordhausen und dessen Außenlagern in der nahe des Lagers Bergen-Belsen gelegenen Wehrmachts-Kaserne untergebracht. Am 15. April werden dann etwa 53.000 Häftlinge des Konzentrationslagers von britischen Truppen befreit. Mindestens 52.000 Frauen, Männer und Kinder kamen zwischen 1943 und 1945 im KZ Bergen-Belsen und durch unmittelbare Folgen der Haft ums Leben. Dazu kommen mindestens 19.700 Menschen, die zwischen 1940 und 1945 im Kriegsgefangenenlager ihr Leben verloren. Im April/Mai werden mehr als 20.000 Opfer des KZ in Massengräbern bestattet, knapp 29.000 Überlebende werden in ein von den Briten eingerichtetes Not-Hospital in der ehemaligen Wehrmachts-Kaserne überführt und erhalten den Status von Displaced Persons (DP). Zur Seuchenabwehr brennen die Briten die meisten Holzbaracken auf dem ehemaligen Lagergelände ab. Zwischen Juni und Oktober wird das Not-Hospital zum Displaced Persons Camp (DP-Camp), das in ein jüdisches und ein polnisches Camp aufgeteilt wird. Der erste Bergen-Belsen-Prozess findet dann von September bis November in Lüneburg vor einem britischen Militärtribunal statt. Im September findet der erste Kongress der befreiten Juden in der britischen Zone im DP-Camp Bergen-Belsen statt. Im Oktober ordnet der Kommandeur der britischen Militärregierung die Planung eines angemessenen Gedenkortes auf dem ehemaligen Lagergelände an. Bis zum Herbst erfolgt die Repatriierung der meisten Displaced Persons aus Nord‑, West- und Südeuropa in ihre Heimatländer. Die sowjetischen Überlebenden werden in ihre Heimat zwangszurückgeführt. Zum Gedenken an die Opfer des ehemaligen Konzentrationslagers weihen polnische Häftlinge im November auf dem Gelände ein ein großes Holzkreuz ein und auf Anordnung der sowjetischen Militärmission wird ein Ehrenmal auf dem Kriegsgefangenen-Friedhof Bergen-Belsen errichtet. 1946: Anfang März übernimmt die United Nations Relief & Rehabilitation Administration (UNRRA), die Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen, die Verwaltung des DP-Camps von der britischen Armee. Einen Monat später enthüllen jüdische Überlebende des Lagers auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers ein Mahnmal zum Gedenken an die jüdischen Opfer. Zwischen Juni und September werden die polnischen Displaced Persons verlegt und das polnische DP-Camp wird aufgelöst. Dadurch wird Bergen-Belsen zum größten jüdischen DP-Camp in Nachkriegsdeutschland. Bis ins Jahr 1952 hinein wird ein Teil der früheren Lagergeländes zu einer Gedenkstätte umgestaltet und das internationale Mahnmal wird errichtet.
ab 1948: Durch die Gründung des Staates Israel und sowie die Erleichterung der Einreisebestimmungen in die Vereinigten Staaten kann der Großteil der jüdischen Displaced Persons auswandern. Mai bis Juli 1950: Das DP-Camp Bergen-Belsen wird endgültig ausgelöst und die verbliebenen Bewohner werden nach Upjever, einem Stadtteil der nordfriesischen Stadt Schortens, verlegt. November 1952: Die Gedenkstätte Bergen-Belsen wird eingeweiht. 1960/1961: Das Gelände der Gedenkstätte wird umfangreich landschaftlich umgestaltet. 1964 bis 1968: Der Kriegsgefangenen-Friedhof Bergen-Belsen wird umfassend umgestaltet. April 1966: Eröffnung eines ersten Dokumentenhauses mit einer Ausstellung zur Geschichte des KZ Bergen-Belsen. April 1990: Im erweiterten Dokumentenhaus wird eine neue Dauerausstellung eröffnet. Oktober 2007: Das neue Dokumentationszentrum der Gedenkstätte Bergen-Belsen mit einer Ausstellung zu den Kriegsgefangenenlagern in der Lüneburger Heide, dem Konzentrationslager Bergen-Belsen und dem DP-Camp wird eröffnet.
Historisches Lagergelände und Friedhof
Wer das historische Lagergelände und den Friedhof der Gedenkstätte besuchen möchte, hat mehrer Möglichkeiten das Gelände zu betreten. Ein Möglichkeit ist der Zugang durch das große Tor am Vorplatz des Gedenkstätte. Eine weitere Möglichkeit ergibt sich von der am Gelände vorbeiführenden Landstraße zwischen Walle und Belsen. Hier kann das ehemalige Lagergelände durch das damalige Haupttor, welches jedoch nicht als solches zu erkennen ist, betreten werden. Die beeindruckendste Möglichkeit ist aber der "steinerne Weg" vom Vorplatz der Gedenkstätte durch das Dokumentationszentrum hindurch. Das letzte Stück dieses Zugangs ist ein Gang, der auf der einen Seite vom kalten Beton des Dokumentationszentrums und auf der anderen Seite von einer ebenso hohen Mauer aus dem gleichen Material flankiert wird. Hier entsteht ein gewisses Gefühl der Enge und jeder Schritt und jeder Ton schallt wegen der Betonwände.
Der "steinerne Weg" führt, vorbei am Kopf des Dokumentationszentrums, der über der früheren Lagergrenze schwebt, auf das Areal des ehemaligen Lagers. Der Verlauf des alten Lagerzauns wird durch eine zehn Meter breite Waldschneise markiert. Vorbei an einem Massengrab führt der Weg zu der Stelle, an dem sich zwischen 1943 und Anfang 1945 der Appellplatz des Sternlagers befand. Im Sternlager waren sogenannte "Austauschjuden" inhaftiert. Diese trugen Zivilkleidung mit dem aufgenähten Judenstern, wodurch die Bezeichnung Sternlager ihren Ursprung hatte. Der Weg endet schließlich in der geographischen Mitte des ehemaligen Lagers. Von hier aus erkennt man die Dimensionen des Lagers, das eine Länge von etwa 1.200 Metern von Ost nach West und über 500 Meter von Nord nach Süd hatte. Hier findet man auf einem Plateau zwei Reliefmodelle, die Aufschluss über die Lager-Architektur im Herbst 1944 und der heutigen Gedenkstätte geben. Dieses Plateau befindet sich auf einem 70 Meter breiten Rasenkorridor, der sich an der historischen Lager-Architektur vom September 1944 orientiert. Am nordöstlichen Ende dieses Korridors befand sich das Haupttor des Lagers, am südwestlichen Ende das Krematorium. An beide Bauten erinnern heute nur noch Informations-Stelen.
Von Ost nach West durchquerte die Hauptlagerstraße das Lager. Auf beiden Seiten durch flache Rinnen begrenzt, verlief die nur wenig befestigte Piste wenige Meter vor den Zaunanlagen und Baracken des Konzentrationslagers. Der heute hier verlaufende Schotterweg stimmt zum Teil mit der ehemaligen Streckenführung der Lagerstraße überein. Rechts und links dieses Weges sind heute noch Überreste des ehemaligen Lagers zu finden. Hierbei handelt es sich um ein Löschwasserbecken, Fundamente von Fußböden und Baracken, Latrinen- und Kanalschächte sowie die Überreste eines Desinfektions- und Badgebäudes.
Alle Löschwasserbecken des Lagers befanden sich immer in der unmittelbaren Nähe der Lagerküchen. Eines dieser Becken befindet sich unweit des bereits erwähnten Plateaus mit den Reliefmodellen des Lagers. Allerdings ist die dazugehörige Küche in diesem Fall nicht mehr vorhanden. Jedoch befindet sich in unmittelbarer Nähe dieses Löschwasserbeckens ein Gebäude, welches die SS zwischen Herbst 1943 und September 1944 zur Lagerung von Lebensmitteln errichten ließ. Es wurde später als "Gemüsekeller" bezeichnet. in diesem Gebäude wurden verschiedene Häftlingskommandos zur Arbeit eingesetzt.
In unmittelbarer Nachbarschaft zum "Gemüsekeller" sind die Überreste zweier Baracken für KZ-Häftlinge zu finden. Es waren Steinbaracken, die 1941 im Zuge der Erweiterung des Kriegsgefangenenlagers errichtet wurden. In jeder dieser Baracken sollten 900 Kriegsgefangene Platz finden. Als die SS im April 1943 den südlichen Teil des Lagerkomplexes übernahm und hier das Konzentrationslager einrichtete, wurde "Baracke 9", die östliche der beiden Baracken, vermutlich als Werkzeug- und Nahrungsmitteldepot genutzt und im hinteren Teil dieser Baracke entstand ein Anbau zur Schweinehaltung. "Baracke 9" wurde durch eine Zaunanlage von den übrigen Häftlingsunterkünften getrennt. "Baracke 10", die zweite der Baracken, wurde bis Januar 1945 zur Unterbringung von Häftlingen aus verschiedenen Teilen des "Austauschlagers" genutzt. Anschließend war sie bis zur Befreiung ein Teil des Männerlagers. Laut der eindrücklichen Schilderungen von ehemaligen Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen waren die Baracken von Beginn an feucht und zugig. Während des Sommers war es heiß in den Baracken und im Winter waren sie kaum zu beheizen. Desweiteren war "Baracke 10" in den letzten Monaten des Lagers vollkommen überbelegt und die SS nutzte kurz vor der Befreiung einige Abschnitte zur Lagerung von Leichen.
Wenn man von den beiden Baracken aus dem Schotterweg in Richtung Landstraße folgt, findet man am Ende des Weges eine Schranke. Hier befand sich einst der Haupteingang des Lagers. Die Schranke befindet sich allerdings nur zufällig dort. Damals stand neben dem Schlagbaum eine kleine Holzbaracke für die Wachen. Es gibt zwar noch zwei weitere Eingänge zum Lager, aber der Großteil der Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge kamen durch dieses Tor ins Lager. Wer die Schranke passiert hatte, musste auf der Hauptlagerstraße zunächst den Verwaltungsbereich durchqueren um in den entsprechenden Lagerteil, Konzentrations- oder Kriegsgefangenenlager, zu gelangen. Vor den Lagerbereichen befand sich dann noch ein zweites Tor. Ein ehemaliger Häftling, der Anfang 1945 in das KZ Bergen-Belsen gebracht wurde beschreibt seinen damaligen ersten Eindruck vom Häftlingsbereich wie folgt:
"Vor uns breitete sich das verkommenste und dreckigste Gelände aus, das wir je gesehen hatten. Niedrige graue Baracken, die sicher noch der Pinsel eines Malers berührt hatte. Es war, als seien sie der Jammer selbst und infizierten mit ihm die ganze Umgebung. Rostiger Stacheldraht, schlaff auf schiefen Holzpfählen. Sogar der Haupteingang [hier ist das Tor zum Häftlingsbereich gemeint], auf den die Deutschen sonst immer viel Mühe verwendeten, bestand nur aus morschen Rundhölzern, und die Torflügel waren Rahmen aus zusammengenagelten Brettern, über die Stacheldraht gezogen war."
(Quelle: Arne Moi, Das Lager: Ein Norweger in Bergen-Belsen / Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002 / Seite 19)
In unmittelbarer Nähe des Verwaltungsbereichs sind noch gut die Reste eines Gebäudes erkennbar. Hierbei handelt es sich um eine technisch recht aufwendige Anlage zur Desinfektion von Kleidung. Dieses etwa 900 Quadratmeter große Gebäude wurde 1942 von der SS errichtet, nachdem die Kapazität eines vorherigen derartigen Baus erschöpft waren. Die "große Entlausung", wie das Gebäude genannt wurde, diente zur Entseuchung der Häftlings- und Kriegsgefangenen-Kleidung. Für diese Arbeit, bei der ein spezielles Heißluft-Verfahren angewendet wurde, wurden verschiedene Häftlingskommandos eingesetzt. Außerdem befand sich hier auch das zentrale Duschbad des Lagers. Allerdings reichten auch in dem neu errichteten Gebäude die Kapazitäten für eine effiziente hygienische Lagerbedingung nicht aus. Zahlreiche Überlebende berichteten später, dass sowohl das Duschen, als auch die Entlausung ihrer Kleidung eine entwürdigende und meist krankheitsfördernde Prozedur war.
Das ganze frühere Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager Bergen-Belsen ist heute ein Friedhof. Nach der Befreiung des Lagers durch die britische Armee am 15. April 1945 wurden die Opfer des Konzentrationslagers hier auf dem ehemaligen Lagergelände bestattet. Die Menschen, die in den letzten Wochen vor und unmittelbar nach der Befreiung auf dem KZ-Gelände ums Leben kamen sind in 13 Massengräbern bestattet. Nach ihrem Eintreffen im Lager fanden die britischen Soldaten mehr als 10.000 unbestattete Leichen, die wegen der drohenden Seuchengefahr sofort in eiligst ausgehoben Gruben beerdigt wurden. Jedoch ist die genaue Anzahl der Opfer ebenso wenig bekannt, wie die meisten ihrer Namen. Viele von ihnen waren Juden. Aus diesem Grund zählt Bergen-Belsen zu einem der größten jüdischen Friedhöfe in Mitteleuropa.
Polnische und jüdische Überlebende errichteten schon kurz nach der Befreiung des Lagers zwei Mahnmale. Jüdische Überlebende enthüllten am 25. September 1945 ein provisorisches Mahnmal inmitten der Massengräber, dessen offizielle Einweihung im Rahmen des ersten Kongresses der befreiten Juden in der britischen Zone stattfand. Am 15. April 1946, dem ersten Jahrestag der Befreiung, wurde dann der Öffentlichkeit ein steinernes Denkmal mit Inschriften in hebräischer und englischer Sprache übergeben. Das Zentralkomitee der befreiten Juden in der britischen Zone wählte als zentrale Mahnung auf dem Denkmal den Satz:
"Earth Conceal Not The Blood Shed On Thee!" ("Erde, verdecke nicht das Blut, das auf dir vergossen wurde!")
Von polnischer Seite aus wurde am 2. November 1945, dem katholischen Feiertag "Allerseelen" ein hölzernes Hochkreuz eingeweiht. Errichtet wurde es auf der höchsten Stelle des Geländes am Rande der Massengräber. Es wurde bis heute mehrfach erneuert, ist aber in seiner Form und Größe identisch mit dem 1945 errichteten Kreuz.
Zur Erinnerung an anonym bestattete Verwandte und Freunde haben Hinterbliebene im Umkreis dieser Mahnmale zahlreiche Gedenksteine und hölzerne Kreuze aufgestellt. Auf dem 2001 eigens für diese symbolischen Grabsteine angelegten Bereich der Gedenkstätte sind rund 100 dieser Gedenksteine und ‑kreuze zu finden – und immer noch kommen weitere hinzu. In der Nähe des jüdischen Mahnmals befindet sich auch ein Gedenkstein für die Schwestern Anne, bekannt durch ihr berühmtes Tagebuch, und Margot Frank. Aufgestellt wurde dieser Stein 1999.
In unmittelbarer Nähe des Gedenkfeldes befindet sich das 1946 von der britischen Regierung geforderte internationale Mahnmal, bestehend aus einer Inschriftenmauer und einem Obelisken. Viele der Staaten, die Opfer in Bergen-Belsen zu beklagen hatten, erinnern auf der Mauer mit Inschriften an diese Menschen. Diese Staaten sind Dänemark, Polen, Belgien, die Niederlande, die Tschechoslowakei, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Norwegen, Italien, die Sowjetunion und Ungarn. Desweiteren find man noch Inschriften in Jiddisch, Hebräisch und Lateinisch auf der Mauer. 1999 wurde das Mahnmal um drei Gedenktafeln erweitert. Eine dieser Tafeln erinnert an die Kriegsgefangenen sowie an die KZ-Häftlinge, die aus religiösen, sozialen oder politischen Gründen verfolgt wurden und hier im Lager ihr Leben verloren. Hierbei handelt es sich vor allem um Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, politische Gegner des Nationalsozialismus und "Opfer der Zerstörung des Rechts". Die beiden anderen Tafeln, die von der polnischen beziehungsweise niederländischen Regierung aufgestellt wurden, erinnern an die KZ-Opfer aus diesen beiden Ländern.
Neben den 13 Massengräbern befinden sich auf dem Gelände des ehemaligen Lagers auch 15 Einzelgräber. Da sich einige dieser Gräber auf dem Gebiet des Truppenübungsplatzes befanden, wurde sie Anfang der 1960er Jahre zu einem Ensemble zusammengelegt. Namentlich bekannt sind auch hier nur einige der Toten.
In unmittelbarer Nähe der Massengräber, des internationalen und des jüdischen Mahnmals findet man das "Haus der Stille". Allerdings steht diese begehbare und konfessionsneutral gehaltene Skulptur außerhalb der Grenzen des historischen Lagers. Auf Initiative eines privaten Fördervereins – bestehend aus Vertretern der Landes- und Kommunalpolitik, der verschiedenen Konfessionen Niedersachsens sowie mehreren Stiftungen und Unternehmen – wurde das "Haus der Stille" nach Entwürfen des Künstler-Ehepaars Ingema Reuter und Gerd Winner gebaut und Anlässlich des 55. Jahrestags der Befreiung am 16. April 2000 der Öffentlichkeit übergeben.
Nach Lockerungen der Maßnahmen zum Schutz gegen den Corona-Virus besuchten wir dann Anfang Mai auch das Dokumentationszentrum – ein Bericht hierzu folgt in den nächsten Tagen. Wer sich über die Gräuel der Nationalsozialisten informieren möchte, die auch hier in der Nähe des Dorfes Belsen geschehen sind, sollte unbedingt einen Besuch in der Gedenkstätte Bergen-Belsen einplanen. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.