Bergen Belsen April 2020

Bergen-Belsen – Gedenken an eine dunkle Vergan­gen­heit (Teil 1)

Ende April 2020 besuchten wir die KZ-Gedenk­stätte Bergen-Belsen auf dem Gelände des ehema­ligen Kriegs- und Konzen­tra­ti­ons­lager Bergen-Belsen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie war zu diesem Zeitpunkt nur das histo­ri­sche Lager­ge­lände mit Friedhof geöffnet. Das dazu­ge­hö­rige Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum war leider geschlossen.

Der Ort

Das 260-Seelen-Dorf Belsen, eine ehemalige Gemeinde und heute ein Ortsteil der Stadt Bergen, im Landkreis Celle in der Lüne­burger Heide wurde vor 785 Jahren als Bellen­husen erstmals urkund­lich erwähnt. Überreste etlicher Hügel­gräber, wie etwa die "Sieben Stein­häuser" in der Gemarkung von Belsen wiesen auf bereits frühere Besied­lungen hin. Die ehemalige Wall­an­lage nördlich des Dorfes stammt jedoch vermut­lich nicht aus dieser vorge­schicht­li­chen Zeit, sondern aus der Zeit der Hildes­heimer Stifts­fehde. Sie diente den Menschen aus der Umgebung, die mit ihrem Vieh dorthin flüch­teten, als Schutz. Neben der Ortschaft Belsen und der Belser Mühle gehörten die im Jahr 1874 abge­brannte und später nach Hoppen­stedt verlegte Hoppen­stedter Mühle, der Einzelhof Hoppen­stedt und die Ortschaft Hörsten zur Gemeinde Belsen. 1935 wurden dann von der deutschen Wehrmacht die Grenzen des Trup­pen­übungs­platzes Bergen fest­ge­legt und die Flächen westlich von Belsen mit Belser Mühle, Hoppen­stedt und Hörsten fielen dem Ausbau des Trup­pen­übungs­platzes zum Opfer. Hier wurde ein Lager für eine Infan­terie-Division errichtet. Damit musste die Gemeinde Belsen 67 Prozent ihrer damaligen Fläche von 1.460 Hektar an die Wehrmacht abgeben. Ebenso wurden 118 Einwohner, was 57 Prozent der Einwoh­ner­schaft ausmachte, umge­sie­delt. Heute ist dieser Trup­pen­übungs­platz, auch als NATO-Schieß­platz Bergen-Hohne bekannt, mit einer Fläche von 280 Quadrat­ki­lo­me­tern einer der größten Trup­pen­übungs­plätze Europas. Etwa drei Kilometer südlich des Dorfes Belsen befand sich das Konzen­tra­ti­ons­lager Bergen-Belsen. Die heutige Gedenk­stätte Bergen-Belsen mit der Fläche des ehema­ligen Kriegs­ge­fan­genen- und Konzen­tra­ti­ons­la­gers sowie das 2007 errich­tete Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum Bergen-Belsen gehören heute größ­ten­teils zum Gebiet der Ortschaft Walle, einem Ortsteil der Gemeinde Winsen (Aller). Die Rampe, an der die KZ-Häftlinge in Güter­wag­gons ankamen und die etwa fünf Kilometer lange Strecke bis zum Lager zu Fuß zurück­legen mussten, liegt zwischen Belsen und der Stadt Bergen. Heute wird sie zum Verladen von Mili­tär­fahr­zeugen genutzt, die für Übungen auf dem Trup­pen­übungs­platz Bergen von US-ameri­ka­ni­schen (United States Armed Forces), briti­schen (Her Majesty's Armed Forces), nieder­län­di­schen (Neder­landse krijgs­macht), fran­zö­si­schen (Forces armées fran­çaises), deutschen (Bundes­wehr), belgi­schen (Armée belge, Belgisch leger), luxem­bur­gi­schen (Lëtze­buerger Arméi) und polni­schen (Siły Zbrojne Rzec­zy­pos­po­litej Polskiej) Streit­kräften per Bahn antrans­por­tiert werden. Am 1. Februar 1971 wurde Belsen dann in die Stadt Bergen eingegliedert.

Gedenk­stätte Bergen-Belsen

Chro­no­logie des Lagers und der Gedenk­stätte Bergen-Belsen

Juni 1940:  Zur Unter­brin­gung von 600 fran­zö­si­schen und belgi­schen Kriegs­ge­fan­genen nutzt die deutsche Wehrmacht ein bereits bestehendes Bara­cken­lager südlich des Trup­pen­la­gers Belsen.

1941: Im Mai/Juni des Jahres wird das Lager zum Stalag XI C (311) Bergen-Belsen, einem Mann­schafts-Stamm­lager und Lazarett für sowje­ti­sche Kriegs­ge­fan­gene ausgebaut. Im Juli treffen dann die ersten 2.000 sowje­ti­schen Kriegs­ge­fan­genen ein – bis zum Herbst steigt die Zahl der Gefan­genen auf über 21.000. Wegen zu weniger Baracken müssen viele von ihnen auf freiem Feld, in Erdhöhlen und Laub­hütten leben. 14.000 von ihnen sterben zwischen Juli 1941 und April 1942 vor allem an Hunger, Seuchen und Kälte. Ab August werden durch ein Einsatz­kom­mando der Gestapo "Ausson­de­rungen" unter den Kriegs­ge­fan­genen durch­ge­führt, bei denen mindes­tens 500 Juden und poli­ti­sche Funk­tio­näre in das KZ Sach­sen­hausen bei Orani­en­burg trans­por­tiert und dort ermordet werden. 1943: Im April erhält die Schutz­staffel (SS) den südlichen Lagerteil von der Wehrmacht um dort ein "Austausch­lager" einzu­richten. Zweck dieses Lagers war es, dort jüdische Häftlinge als Geiseln fest­zu­halten, die gegen im Ausland inter­nierte Deutsche ausge­tauscht werden können. Das Austausch­lager ist ein Teil des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen KZ-Systems. Das Kriegs­ge­fan­genen-Lazarett im Nordteil des Lager­ge­ländes bleibt unter der Leitung der Wehrmacht bestehen. Zwei Monate später wird dann das Stalag XI C (311) aufgelöst und das Kriegs­ge­fan­genen-Lazarett wird zu einem Zweig­lager des Stalag XI B Falling­borstel. Mehr als 2.300 polnische Juden kommen dann im Juli im "Austausch­lager" an. Mindes­tens 14.600 Juden, die meisten aus Ungarn und den Nieder­landen, werden bis Ende 1944 dorthin trans­por­tiert. Im Oktober werden etwa 1.800 Juden in das Vernich­tungs­lager Auschwitz-Birkenau nahe der süd-polni­schen Stadt Oświęcim verbracht und dort sofort nach der Ankunft ermordet.

Relief-Modell des Männerlagers (hell eingefärbt) und des Lagers des Baukommandos
Relief-Modell des Männer­la­gers (hell einge­färbt) und des Lagers des Baukommandos

1944: Im März wird ein Männer­lager im KZ Bergen-Belsen einge­richtet, in welches die SS Tausende kranker und arbeits­un­fä­higer Häftlinge aus anderen Konzen­tra­ti­ons­la­gern verbringt. Im Rahmen eines Austausch­ge­schäfts verlässt Ende Juni ein Transport mit 222 Juden das "Austausch­lager" in Richtung Palästina. Auf diese Art gelangen bis April 1945 etwa 2.560 Häftlinge in die Freiheit. Ende Juli erreichen etwa 500 italie­ni­sche Mili­tär­in­ter­nierte, die meisten von ihnen an Tuber­ku­lose erkrankt, wegen der Verlegung des Lazaretts in Falling­borstel-Oerbke nach Bergen-Belsen das Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager. Ab August 1944 wird ein neuer Lager­ab­schnitt für weibliche Häftlinge einge­richtet. Tausende von Frauen, vor allem aus dem KZ Auschwitz, kommen hier an. Der Großteil von ihnen wird zum Arbeits­ein­satz in andere Konzen­tra­ti­ons­lager sowie in das Lager Bomlitz-Benefeld bei Walsrode, das Lager III Waldes­lust bei Hambühren und das Lager Unterlüß-Alten­so­thrieth in der Gemeinde Südheide weiter­trans­por­tiert. Diese drei zuletzt genannten Lager sind Außen­lager des KZ Bergen-Belsen. Nach der Nieder­schla­gung des Warschauer Aufstands erreichen im Oktober und November 1.000 Solda­tinnen und Offiziere der polni­schen Heimat­armee als Kriegs­ge­fan­gene das Lager Bergen-Belsen. Mehrere Tausend Zivi­listen, Frauen und Kinder, des Warschauer Aufstands wurden bereits seit August in das neu errich­tete Frau­en­lager gebracht. Der SS-Haupt­sturm­führer Josef Kramer, der ehemalige Komman­dant des Vernich­tungs­la­gers Auschwitz-Birkenau wird im Dezember neuer Lager­kom­man­dant in Bergen-Belsen. Zudem werden zwischen Dezember 1944 und April 1945 mindes­tens 85.000 Häftlinge im Zuge der Räumung front­naher Konzen­tra­ti­ons­lager nach Bergen-Belsen verbracht.

Eines der Massengräber auf dem Gelände der Gedenkstätte - in diesem Grab wurden 5.000 Opfer bestattet
Eines der Massen­gräber auf dem Gelände der Gedenk­stätte – in diesem Grab wurden 5.000 Opfer bestattet
Info-Tafel für das von polnischen Überlebenden aufgestellte Holzkreuz
Info-Tafel für das von polni­schen Über­le­benden aufge­stellte Holzkreuz

1945: Im Januar wird das Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager aufgelöst, die Kriegs­ge­fan­genen wurden bereits zuvor in andere Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager verlegt. Anfang April verlassen drei Eisenbahn-Trans­porte mit etwa 6.700 Häft­lingen das "Austausch­lager". Das vermut­liche Ziel ist das Ghetto There­si­en­stadt in der Stadt Terezín im heutigen Tsche­chien. Außerdem werden zu diesem Zeitpunkt über 15.000 Häftlinge aus dem KZ Mittelbau-Dora bei Nord­hausen und dessen Außen­la­gern in der nahe des Lagers Bergen-Belsen gelegenen Wehr­machts-Kaserne unter­ge­bracht. Am 15. April werden dann etwa 53.000 Häftlinge des Konzen­tra­ti­ons­la­gers von briti­schen Truppen befreit. Mindes­tens 52.000 Frauen, Männer und Kinder kamen zwischen 1943 und 1945 im KZ Bergen-Belsen und durch unmit­tel­bare Folgen der Haft ums Leben. Dazu kommen mindes­tens 19.700 Menschen, die zwischen 1940 und 1945 im Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager ihr Leben verloren. Im April/Mai werden mehr als 20.000 Opfer des KZ in Massen­grä­bern bestattet, knapp 29.000 Über­le­bende werden in ein von den Briten einge­rich­tetes Not-Hospital in der ehema­ligen Wehr­machts-Kaserne überführt und erhalten den Status von Displaced Persons (DP). Zur Seuchen­ab­wehr brennen die Briten die meisten Holz­ba­ra­cken auf dem ehema­ligen Lager­ge­lände ab. Zwischen Juni und Oktober wird das Not-Hospital zum Displaced Persons Camp (DP-Camp), das in ein jüdisches und ein polni­sches Camp aufge­teilt wird. Der erste Bergen-Belsen-Prozess findet dann von September bis November in Lüneburg vor einem briti­schen Mili­tär­tri­bunal statt. Im  September findet der erste Kongress der befreiten Juden in der briti­schen Zone im DP-Camp Bergen-Belsen statt. Im Oktober ordnet der Komman­deur der briti­schen Mili­tär­re­gie­rung die Planung eines ange­mes­senen Gedenk­ortes auf dem ehema­ligen Lager­ge­lände an. Bis zum Herbst erfolgt die Repa­tri­ie­rung der meisten Displaced Persons aus Nord‑, West- und Südeuropa in ihre Heimat­länder. Die sowje­ti­schen Über­le­benden werden in ihre Heimat zwangs­zu­rück­ge­führt. Zum Gedenken an die Opfer des ehema­ligen Konzen­tra­ti­ons­la­gers weihen polnische Häftlinge im November auf dem Gelände ein ein großes Holzkreuz ein und auf Anordnung der sowje­ti­schen Mili­tär­mis­sion wird ein Ehrenmal auf dem Kriegs­ge­fan­genen-Friedhof Bergen-Belsen errichtet. 1946: Anfang März übernimmt die United Nations Relief & Reha­bi­li­ta­tion Admi­nis­tra­tion (UNRRA), die Nothilfe- und Wieder­auf­bau­ver­wal­tung der Vereinten Nationen, die Verwal­tung des DP-Camps von der briti­schen Armee. Einen Monat später enthüllen jüdische Über­le­bende des Lagers auf dem Gelände des ehema­ligen Konzen­tra­ti­ons­la­gers ein Mahnmal zum Gedenken an die jüdischen Opfer. Zwischen Juni und September werden die polni­schen Displaced Persons verlegt und das polnische DP-Camp wird aufgelöst.  Dadurch wird Bergen-Belsen zum größten jüdischen DP-Camp in Nach­kriegs­deutsch­land. Bis ins Jahr 1952 hinein wird ein Teil der früheren Lager­ge­ländes zu einer Gedenk­stätte umge­staltet und das inter­na­tio­nale Mahnmal wird errichtet.

ab 1948: Durch die Gründung des Staates Israel und sowie die Erleich­te­rung der Einrei­se­be­stim­mungen in die Verei­nigten Staaten kann der Großteil der jüdischen Displaced Persons auswan­dern. Mai bis Juli 1950: Das DP-Camp Bergen-Belsen wird endgültig ausgelöst und die verblie­benen Bewohner werden nach Upjever, einem Stadtteil der nord­frie­si­schen Stadt Schortens, verlegt. November 1952: Die Gedenk­stätte Bergen-Belsen wird einge­weiht. 1960/1961: Das Gelände der Gedenk­stätte wird umfang­reich land­schaft­lich umge­staltet. 1964 bis 1968: Der Kriegs­ge­fan­genen-Friedhof Bergen-Belsen wird umfassend umge­staltet. April 1966: Eröffnung eines ersten Doku­men­ten­hauses mit einer Ausstel­lung zur Geschichte des KZ Bergen-Belsen. April 1990: Im erwei­terten Doku­men­ten­haus wird eine neue Dauer­aus­stel­lung eröffnet. Oktober 2007: Das neue Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum der Gedenk­stätte Bergen-Belsen mit einer Ausstel­lung zu den Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­gern in der Lüne­burger Heide, dem Konzen­tra­ti­ons­lager Bergen-Belsen und dem DP-Camp wird eröffnet.

Histo­ri­sches Lager­ge­lände und Friedhof

Wer das histo­ri­sche Lager­ge­lände und den Friedhof der Gedenk­stätte besuchen möchte, hat mehrer Möglich­keiten das Gelände zu betreten. Ein Möglich­keit ist der Zugang durch das große Tor am Vorplatz des Gedenk­stätte. Eine weitere Möglich­keit ergibt sich von der am Gelände vorbei­füh­renden Land­straße zwischen Walle und Belsen. Hier kann das ehemalige Lager­ge­lände durch das damalige Haupttor, welches jedoch nicht als solches zu erkennen ist, betreten werden. Die beein­dru­ckendste Möglich­keit ist aber der "steinerne Weg" vom Vorplatz der Gedenk­stätte durch das Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum hindurch. Das letzte Stück dieses Zugangs ist ein Gang, der auf der einen Seite vom kalten Beton des Doku­men­ta­ti­ons­zen­trums und auf der anderen Seite von einer ebenso hohen Mauer aus dem gleichen Material flankiert wird. Hier entsteht ein gewisses Gefühl der Enge und jeder Schritt und jeder Ton schallt wegen der Betonwände.

Der "steinerne Weg" führt, vorbei am Kopf des Doku­men­ta­ti­ons­zen­trums, der über der früheren Lager­grenze schwebt, auf das Areal des ehema­ligen Lagers. Der Verlauf des alten Lager­zauns wird durch eine zehn Meter breite Wald­schneise markiert. Vorbei an einem Massen­grab führt der Weg zu der Stelle, an dem sich zwischen 1943 und Anfang 1945 der Appell­platz des Stern­la­gers befand. Im Stern­lager waren soge­nannte "Austausch­juden" inhaf­tiert. Diese trugen Zivil­klei­dung mit dem aufge­nähten Juden­stern, wodurch die Bezeich­nung Stern­lager ihren Ursprung hatte. Der Weg endet schließ­lich in der geogra­phi­schen Mitte des ehema­ligen Lagers. Von hier aus erkennt man die Dimen­sionen des Lagers, das eine Länge von etwa 1.200 Metern von Ost nach West und über 500 Meter von Nord nach Süd hatte. Hier findet man auf einem Plateau zwei Reli­ef­mo­delle, die Aufschluss über die Lager-Archi­tektur im Herbst 1944 und der heutigen Gedenk­stätte geben. Dieses Plateau befindet sich auf einem 70 Meter breiten Rasen­kor­ridor, der sich an der histo­ri­schen Lager-Archi­tektur vom September 1944 orien­tiert. Am nord­öst­li­chen Ende dieses Korridors befand sich das Haupttor des Lagers, am südwest­li­chen Ende das Krema­to­rium. An beide Bauten erinnern heute nur noch Informations-Stelen.

Von Ost nach West durch­querte die Haupt­la­ger­straße das Lager. Auf beiden Seiten durch flache Rinnen begrenzt, verlief die nur wenig befes­tigte Piste wenige Meter vor den Zaun­an­lagen und Baracken des Konzen­tra­ti­ons­la­gers. Der heute hier verlau­fende Schot­terweg stimmt zum Teil mit der ehema­ligen Stre­cken­füh­rung der Lager­straße überein. Rechts und links dieses Weges sind heute noch Überreste des ehema­ligen Lagers zu finden. Hierbei handelt es sich um ein Lösch­was­ser­be­cken, Funda­mente von Fußböden und Baracken, Latrinen- und Kanal­schächte sowie die Überreste eines Desin­fek­tions- und Badgebäudes.

Alle Lösch­was­ser­be­cken des Lagers befanden sich immer in der unmit­tel­baren Nähe der Lager­kü­chen. Eines dieser Becken befindet sich unweit des bereits erwähnten Plateaus mit den Reli­ef­mo­dellen des Lagers. Aller­dings ist die dazu­ge­hö­rige Küche in diesem Fall nicht mehr vorhanden. Jedoch befindet sich in unmit­tel­barer Nähe dieses Lösch­was­ser­be­ckens ein Gebäude, welches die SS zwischen Herbst 1943 und September 1944 zur Lagerung von Lebens­mit­teln errichten ließ. Es wurde später als "Gemü­se­keller" bezeichnet. in diesem Gebäude wurden verschie­dene Häft­lings­kom­mandos zur Arbeit eingesetzt.

In unmit­tel­barer Nach­bar­schaft zum "Gemü­se­keller" sind die Überreste zweier Baracken für KZ-Häftlinge zu finden. Es waren Stein­ba­ra­cken, die 1941 im Zuge der Erwei­te­rung des Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­gers errichtet wurden. In jeder dieser Baracken sollten 900 Kriegs­ge­fan­gene Platz finden. Als die SS im April 1943 den südlichen Teil des Lager­kom­plexes übernahm und hier das Konzen­tra­ti­ons­lager einrich­tete, wurde "Baracke 9", die östliche der beiden Baracken, vermut­lich als Werkzeug- und Nahrungs­mit­tel­depot genutzt und im hinteren Teil dieser Baracke entstand ein Anbau zur Schwei­ne­hal­tung. "Baracke 9" wurde durch eine Zaun­an­lage von den übrigen Häft­lings­un­ter­künften getrennt. "Baracke 10", die zweite der Baracken, wurde bis Januar 1945 zur Unter­brin­gung von Häft­lingen aus verschie­denen Teilen des "Austausch­la­gers" genutzt. Anschlie­ßend war sie bis zur Befreiung ein Teil des Männer­la­gers. Laut der eindrück­li­chen Schil­de­rungen von ehema­ligen Kriegs­ge­fan­genen und KZ-Häft­lingen waren die Baracken von Beginn an feucht und zugig. Während des Sommers war es heiß in den Baracken und im Winter waren sie kaum zu beheizen. Deswei­teren war "Baracke 10" in den letzten Monaten des Lagers voll­kommen über­be­legt und die SS nutzte kurz vor der Befreiung einige Abschnitte zur Lagerung von Leichen.

Wenn man von den beiden Baracken aus dem Schot­terweg in Richtung Land­straße folgt, findet man am Ende des Weges eine Schranke. Hier befand sich einst der Haupt­ein­gang des Lagers. Die Schranke befindet sich aller­dings nur zufällig dort. Damals stand neben dem Schlag­baum eine kleine Holz­ba­racke für die Wachen. Es gibt zwar noch zwei weitere Eingänge zum Lager, aber der Großteil der Kriegs­ge­fan­genen und KZ-Häftlinge kamen durch dieses Tor ins Lager. Wer die Schranke passiert hatte, musste auf der Haupt­la­ger­straße zunächst den Verwal­tungs­be­reich durch­queren um in den entspre­chenden Lagerteil, Konzen­tra­tions- oder Kriegs­ge­fan­ge­nen­lager, zu gelangen. Vor den Lager­be­rei­chen befand sich dann noch ein zweites Tor. Ein ehema­liger Häftling, der Anfang 1945 in das KZ Bergen-Belsen gebracht wurde beschreibt seinen damaligen ersten Eindruck vom Häft­lings­be­reich wie folgt:

"Vor uns breitete sich das verkom­menste und dreckigste Gelände aus, das wir je gesehen hatten. Niedrige graue Baracken, die sicher noch der Pinsel eines Malers berührt hatte. Es war, als seien sie der Jammer selbst und infi­zierten mit ihm die ganze Umgebung. Rostiger Stachel­draht, schlaff auf schiefen Holz­pfählen. Sogar der Haupt­ein­gang [hier ist das Tor zum Häft­lings­be­reich gemeint], auf den die Deutschen sonst immer viel Mühe verwen­deten, bestand nur aus morschen Rund­höl­zern, und die Torflügel waren Rahmen aus zusam­men­ge­na­gelten Brettern, über die Stachel­draht gezogen war."

(Quelle: Arne Moi, Das Lager: Ein Norweger in Bergen-Belsen / Verlag Vanden­hoeck & Ruprecht, Göttingen 2002 / Seite 19)

 

In unmit­tel­barer Nähe des Verwal­tungs­be­reichs sind noch gut die Reste eines Gebäudes erkennbar. Hierbei handelt es sich um eine technisch recht aufwen­dige Anlage zur Desin­fek­tion von Kleidung. Dieses etwa 900 Quadrat­meter große Gebäude wurde 1942 von der SS errichtet, nachdem die Kapazität eines vorhe­rigen derar­tigen Baus erschöpft waren. Die "große Entlau­sung", wie das Gebäude genannt wurde, diente zur Entseu­chung der Häftlings- und Kriegs­ge­fan­genen-Kleidung. Für diese Arbeit, bei der ein spezi­elles Heißluft-Verfahren ange­wendet wurde, wurden verschie­dene Häft­lings­kom­mandos einge­setzt. Außerdem befand sich hier auch das zentrale Duschbad des Lagers. Aller­dings reichten auch in dem neu errich­teten Gebäude die Kapa­zi­täten für eine effi­zi­ente hygie­ni­sche Lager­be­din­gung nicht aus. Zahl­reiche Über­le­bende berich­teten später, dass sowohl das Duschen, als auch die Entlau­sung ihrer Kleidung eine entwür­di­gende und meist krank­heits­för­dernde Prozedur war.

Das ganze frühere Kriegs­ge­fan­genen- und Konzen­tra­ti­ons­lager Bergen-Belsen ist heute ein Friedhof. Nach der Befreiung des Lagers durch die britische Armee am 15. April 1945 wurden die Opfer des Konzen­tra­ti­ons­la­gers hier auf dem ehema­ligen Lager­ge­lände bestattet. Die Menschen, die in den letzten Wochen vor und unmit­telbar nach der Befreiung auf dem KZ-Gelände ums Leben kamen sind in 13 Massen­grä­bern bestattet. Nach ihrem Eintreffen im Lager fanden die briti­schen Soldaten mehr als 10.000 unbe­stat­tete Leichen, die wegen der drohenden Seuchen­ge­fahr sofort in eiligst ausge­hoben Gruben beerdigt wurden. Jedoch ist die genaue Anzahl der Opfer ebenso wenig bekannt, wie die meisten ihrer Namen. Viele von ihnen waren Juden. Aus diesem Grund zählt Bergen-Belsen zu einem der größten jüdischen Friedhöfe in Mitteleuropa.

Polnische und jüdische Über­le­bende errich­teten schon kurz nach der Befreiung des Lagers zwei Mahnmale. Jüdische Über­le­bende enthüllten am 25. September 1945 ein provi­so­ri­sches Mahnmal inmitten der Massen­gräber, dessen offi­zi­elle Einwei­hung im Rahmen des ersten Kongresses der befreiten Juden in der briti­schen Zone stattfand. Am 15. April 1946, dem ersten Jahrestag der Befreiung, wurde dann der Öffent­lich­keit ein stei­nernes Denkmal mit Inschriften in hebräi­scher und engli­scher Sprache übergeben. Das Zentral­ko­mitee der befreiten Juden in der briti­schen Zone wählte als zentrale Mahnung auf dem Denkmal den Satz:

"Earth Conceal Not The Blood Shed On Thee!" ("Erde, verdecke nicht das Blut, das auf dir vergossen wurde!")

Von polni­scher Seite aus wurde am 2. November 1945, dem katho­li­schen Feiertag "Aller­seelen" ein hölzernes Hochkreuz einge­weiht. Errichtet wurde es auf der höchsten Stelle des Geländes am Rande der Massen­gräber. Es wurde bis heute mehrfach erneuert, ist aber in seiner Form und Größe identisch mit dem 1945 errich­teten Kreuz.

Zur Erin­ne­rung an anonym bestat­tete Verwandte und Freunde haben Hinter­blie­bene im Umkreis dieser Mahnmale zahl­reiche Gedenk­steine und hölzerne Kreuze aufge­stellt. Auf dem 2001 eigens für diese symbo­li­schen Grab­steine ange­legten Bereich der Gedenk­stätte sind rund 100 dieser Gedenk­steine und ‑kreuze zu finden – und immer noch kommen weitere hinzu. In der Nähe des jüdischen Mahnmals befindet sich auch ein Gedenk­stein für die Schwes­tern Anne, bekannt durch ihr berühmtes Tagebuch, und Margot Frank. Aufge­stellt wurde dieser Stein 1999.

In unmit­tel­barer Nähe des Gedenk­feldes befindet sich das 1946 von der briti­schen Regierung gefor­derte inter­na­tio­nale Mahnmal, bestehend aus einer Inschrif­ten­mauer und einem Obelisken. Viele der Staaten, die Opfer in Bergen-Belsen zu beklagen hatten, erinnern auf der Mauer mit Inschriften an diese Menschen. Diese Staaten sind Dänemark, Polen, Belgien, die Nieder­lande, die Tsche­cho­slo­wakei, Deutsch­land, Groß­bri­tan­nien, Frank­reich, Norwegen, Italien, die Sowjet­union und Ungarn. Deswei­teren find man noch Inschriften in Jiddisch, Hebräisch und Latei­nisch auf der Mauer. 1999 wurde das Mahnmal um drei Gedenk­ta­feln erweitert. Eine dieser Tafeln erinnert an die Kriegs­ge­fan­genen sowie an die KZ-Häftlinge, die aus reli­giösen, sozialen oder poli­ti­schen Gründen verfolgt wurden und hier im Lager ihr Leben verloren. Hierbei handelt es sich vor allem um Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homo­se­xu­elle, poli­ti­sche Gegner des Natio­nal­so­zia­lismus und "Opfer der Zerstö­rung des Rechts". Die beiden anderen Tafeln, die von der polni­schen bezie­hungs­weise nieder­län­di­schen Regierung aufge­stellt wurden, erinnern an die KZ-Opfer aus diesen beiden Ländern.

Neben den 13 Massen­grä­bern befinden sich auf dem Gelände des ehema­ligen Lagers auch 15 Einzel­gräber. Da sich einige dieser Gräber auf dem Gebiet des Trup­pen­übungs­platzes befanden, wurde sie Anfang der 1960er Jahre zu einem Ensemble zusam­men­ge­legt. Nament­lich bekannt sind auch hier nur einige der Toten.

In unmit­tel­barer Nähe der Massen­gräber, des inter­na­tio­nalen und des jüdischen Mahnmals findet man das "Haus der Stille". Aller­dings steht diese begehbare und konfes­sionsneutral gehaltene Skulptur außerhalb der Grenzen des histo­ri­schen Lagers. Auf Initia­tive eines privaten Förder­ver­eins – bestehend aus Vertre­tern der Landes- und Kommu­nal­po­litik, der verschie­denen Konfes­sionen Nieder­sachsens sowie mehreren Stif­tungen und Unter­nehmen – wurde das "Haus der Stille" nach Entwürfen des Künstler-Ehepaars Ingema Reuter und Gerd Winner gebaut und Anläss­lich des 55. Jahres­tags der Befreiung am 16. April 2000 der Öffent­lich­keit übergeben.

Nach Locke­rungen der Maßnahmen zum Schutz gegen den Corona-Virus besuchten wir dann Anfang Mai auch das Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum – ein Bericht hierzu folgt in den nächsten Tagen. Wer sich über die Gräuel der Natio­nal­so­zia­listen infor­mieren möchte, die auch hier in der Nähe des Dorfes Belsen geschehen sind, sollte unbedingt einen Besuch in der Gedenk­stätte Bergen-Belsen einplanen. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.