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Das Rote Wohn­zimmer DER LINKEN in Dresden

Am 18. August 2020 besuchte Katja Kipping, eine der Partei­vor­sit­zenden DER LINKEN, wieder einmal als Bundes­tags­ab­ge­or­nete ihren Wahlkreis Dresden I. Morgens betreute sie dabei einen Info-Stand der Partei am Georg-Arnhold-Bad, am Ende der Helmut-Schön-Allee. Hier hatten inter­es­sierte Dresdner*innen die Möglich­keit, direkt mit ihrer Bundes­tags­ab­ge­ord­neten zu disku­tieren und ihre Sorgen und Nöte vorzu­tragen.
Begleitet wurde sie von Dresdens Stadtrat Tilo Kießling, der dort auch in den Ausschüssen für Finanzen, Bildung, Jugend­hilfe und Sport sitzt.

Katja Kipping im Gespräch am Info-Stand - Dresden August 2020
Katja Kipping im Gespräch am Info-Stand – Dresden August 2020

Ein nicht ganz verreg­neter Info-Stand

Ein wichtiges Thema waren dabei immer wieder Probleme mit Leis­tungen nach ALG II / „HATRZ IV bzw. beim Umgang mit wenig helfenden oder mehr oder weniger igno­ranten Vertreter*innen der JobCenter und Sozi­al­be­hörden. „Soziales“ und mangel­hafte Sozi­al­leis­tungen sind seit Beginn von Katja Kippings Politiker-Laufbahn ein Kernthema ihrer Arbeit bei DER LINKEN. Sie hat schon vor der Einfüh­rung des restrik­tiven „HARTZ“-Regimes gegen diese Art von „Sozi­al­hilfe“ gekämpft und demons­triert und führt auch heute noch ihre lang­jäh­rige Tradition fort, immer wieder einmal vom dem JobCenter Dresden vorbei­zu­schauen um dort persön­lich die Broschüre (PDF-Datei)Wer sich wehrt, lebt nicht verkehrt“ zu verteilen und sich die Klagen betrof­fener Besucher*innen anzuhören.

Katja Kipping und Tilo Kießling mit Mitarbeitern am Info-Stand - Dresden August 2020
Katja Kipping und Tilo Kießling mit Mitar­bei­tern am Info-Stand – Dresden August 2020

Am Abend: Das Rote Sofa am Albertplatz

Später boten Katja Kipping und Tilo Kießling noch zwei Sitzungen auf dem Roten Sofa (im Roten Wohn­zimmer auf der Straße) an, bei denen sie sich den Fragen aller inter­es­sierten Bürger*innen stellten.

Abends dann am Albert­platz in der Inneren Neustadt führten Jana Neveling und Ines Finken­wirth als Mode­ra­to­rinnen durch den warmen (und wieder trockenen) Sommer­abend. Ab 18:00 Uhr kamen hier zahl­reiche Besucher*innen vorbei.

Katja Kipping erläu­terte als Einfüh­rung ihre Gedanken zum Thema 30 Stunden Woche

Was könne eine passen­dere Antwort auf die aktuelle Corona-Krises sein?

  • Neben der Zeit für Erwerbs-Arbeit sollte es
  • Zeit für andere wichtige Dinge geben:
    Familie, Ehrenamt-Arbeit, Freizeit, ein gutes Buch, …

Damit stellte sie die übliche Leistungs-Bewertung unserer Gesell­schaft teilweise in Frage und forderte eine deutlich höhere Wert­schät­zung für Fami­li­en­ar­beit und ehren­amt­liche Arbeit und forderte zu solch einer 4‑Tage-Woche aber auch den vollen Lohn­aus­gleich. Für Politiker wäre der sicher nicht unbedingt nötig, bei geringer verdie­nenden Arbeit­neh­menden aber schon.

Das habe dann auch weniger mit „Faul sein“ zu tun sondern es sei mehr als eine „Belohnung“ für die ständig gestie­gene Produk­ti­vität der arbei­tenden Bevöl­ke­rung in den letzten Jahr­zehnten zu sehen.

Jana stellte dazu dann die Frage nach möglichen Bünd­nissen für diese Forderung?

Katjas Antwort dazu war: „Wir brauchen andere Mehr­heiten!“ – ihre Gespräche mit Menschen auf der Straße ließen immer wieder Frus­tra­tion und Rückzug bei Vielen erkennen, besonders bei armen und benach­tei­ligten Menschen. Das Beispiel „Mieten­de­ckel“ zeige aber, dass es gerade mehr Betei­li­gung von aktiven Menschen brauche, um Verän­de­rungen einzu­for­dern. Die Parteien der Union erlebe sie dabei immer nur als Bremser. Für ihre sozialen Ziele müsse man passende Mehr­heiten finden und die CDU aus der Regierung vertreiben:

  • Alle Bürger vor Armut schützen
  • Arbei­tende in ihren Rechten stärken
  • Abrüstung betreiben und Frie­dens­po­litik stärken
  • In Sozialen Medien Haßreden und Verschwö­rungs­theo­rien bekämpfen
  • Bedro­hungen gegen Linke, Frauen und deren Ange­hö­rige ernsthaft bekämpfen
    und gegen eine Verharm­lo­sung bei konser­va­tiven Parteien wirken

Dazu sei aber mehr Zusam­men­ar­beit nötig – „Allein machen sie dich klein“, und immer wieder zu beob­ach­tende „Truppen von Trolls“ dürfe man nicht als Stimme der (eher schwei­genden) Mehrheit wahrnehmen.

Es sollte ein Aufstand der Aufrich­tigen werden, aber um Gewalt­taten wirksam entge­gen­zu­treten sei wohl auch ein „Aufstand der Verwal­tungs-Verant­wort­li­chen“ nötig!

Auch gegen zu beob­ach­tende Repres­sionen gegen Künstler sei mehr Zusam­men­halten nötig.

Ines brachte das Thema Gesund­heits­wesen zur Sprache.

Katja freute sich einer­seits über die mediale Wert­schät­zung von Pfle­ge­kräften und Erzie­henden während des Verlaufs der Corona-Krise, stellte dann aber die Frage: „Was kommt danach?“

  • Es sei mehr Lohn nötig – z. Bsp. eine sofor­tiger Lohn­zu­schlag von 500,- Euro als Anfang
  • Die Arbeits­be­din­gungen müssten verbes­sert werden
    (auch um Burnout und Bewer­ber­mangel entgegenzuwirken)
  • Ein soli­da­ri­scher Gesund­heits­bei­trag aller Bürger sei nötig

Münd­li­cher Frage­bogen (mit Antworten)

Ein Frage- und Antwort-Spiel zwischen den Mode­ra­to­rinnen und Katja Kipping:

Wenn ich keine Poli­ti­kerin geworden wäre?

Katja: Viel­leicht Poli­ti­kerin im Ehrenamt, oder eine Akti­vistin. Ein früherer Traum als „tolle Tänzerin“ dann viel­leicht doch eher nicht.

Bundes­kanz­lerin sein?

Katja: Laut Umfra­ge­er­geb­nissen bin ich davon leider noch weit entfernt! Aber bei den möglichen wech­selnden Partei-Prozenten wäre dann wohl erst einmal Bodo Ramelow an der Reihe.

Meine vorran­gigen Themen als Kanzlerin wären dann aber:

  • Armuts­be­kämp­fung, also Arme, Kinder und Alte besser zu versorgen
  • Eine wirkliche Erbschafts­steuer für Reiche einzuführen
  • Abrüstung und Entspannungspolitik

Neue „Linke Mehrheiten“?

Katja: Die seien sicher nötig für wirk­li­chen Klima­schutz, Frie­dens­po­litik und das Sichern einer besseren gemein­samen Zukunft. Also mehr „zusammen kämpfen“.

Was schätzt Du an der Wahlkreisarbeit?

Die Arbeit mit ihren Mitarbeiter*innen und die Nähe zu den Menschen vor Ort. Aber auch die Zusam­men­ar­beit und der Zusam­men­halt beim „Kämpfen im Parlament“.

Alter­na­tiven?

Berlin oder Dresden? – Dresden.

Plaka­tieren oder Materail-Stand betreuen? – Die persön­liche Ansprache vor Ort.

Bier oder Wein? – Weissweinschorle.

Berge oder Meer? – Das Meer.

Lindner oder Söder? – Bitte gute Alter­na­tiven geben.

Winter oder Sommer? – Sommer.

Rock oder Jazz? – Jazz.

Jazzdance oder Kickboxen? – Viel­leicht beides.

Triangel oder Mitklat­schen? – Triangel. (… auch wenn es damals ein „schwie­riger Auftritt“ war, auf den hier ange­spielt wurde)

Talkshow oder Bürger­runde? – Bürger­runde, auch wegen persön­li­chem Kontakt. Talkshows seien oft recht anstren­gend, auch weil viele „Gute Antworten“ einem oft erst zu spät kommen.

Für oder gegen „HARTZ IV“? – Kann man als Mensch nur dagegen sein, die Gegen­stimmen werden ja auch immer mehr!

Habeck oder Scholz? – Geht auch Bodo Ramelow?

Gummi­bär­chen oder Scho­ko­lade? – Schoko!

DD Altstadt oder DD Neustadt? – Die Altstadt Dresdens, wegen vieler roman­ti­scher Erinnerungen.

Nachteule oder Früh­auf­steher? – Früh gezwun­ge­ner­maßen durch die Tochter!

Bundestag oder Stadtrat? – Unent­schlossen, viel­leicht in Form eines Rotierens mit Tilo Kießling?

Publi­kums­fragen zum Abschluss

Frage: Grund­si­che­rung? – Was sollte die enthalten?

Katja Kipping: Das BGE (Bedin­gungs­loses Grund­ein­kommen) sollte ein dauer­haftes Einkommen jenseits von Armut sein. Mindes­tens 1.000,- Euro, eher aber 1.200,- Euro.

Von „HARTZ IV“ seien mitt­ler­weile etwa 7 Millionen Menschen betroffen – aber wie wenig komme das Thema in den Medien vor! Das „Klein­rechnen“ der Regel­sätze (das ärmste Viertel der Bevöl­ke­rung nehmen und dann noch Abschläge konstru­ieren) sei eine Schande und auch der Grund dafür, dass z. Bsp. unterwegs nie Geld für ein Eis für Kinder übrig sei.

Hier kamen dann Einwände eines flaschen­sam­melnden Mitbür­gers, der sich über zu viel „Bla-Bla“ beschwerte. Katja konterte damit, dass man hier im „Roten Wohn­zimmer“ aber gerade zum Reden zusam­men­ge­kommen sei!

Ange­mes­sene“ „HARTZ IV“-Regel­sätze?

Katja: Mindes­tens 600,- Euro ohne Rechen­tricks wären eine Verbess­se­rung für den Anfang. Eine Abschaf­fung hin eher zum BGE aber das erklärte Ziel.

Frage: Was soll man sich leisten können?

Katja: Dazu am Besten einmal auf der Webseite hier vorbei­schauen. Die bessere Option sei aber ein BGE in ange­mes­sener Höhe, dass vor allem auch unbü­ro­kra­tisch ausge­zahlt werden sollte.

Frage: Beim ZDF-Sommer­in­ter­view ging es um eine ange­mes­sene „China-Politik“?

Katja: Es gehe darum, die Ideen des Sozia­lismus zu stärken. Dabei müssten Menschen­rechte überall vertei­digt werden. Warum dazu auch nur Kritik an DER LINKEN käme? – andere, z. Bsp. CDU-Politiker hätten dabei doch Kontakte und Gespräche mit China gesucht, um profi­table Geschäfte einzufädeln.

Frage nach „sozialen Problemen“ in Dresden?

Katja: ja, es gebe viel zu viele arme Kinder in Dresden, in krassem Kontrast zu den Tourismus-Vierteln. Deshalb mache sie auch immer wieder Lokal­ter­mine in Problem-Vierteln. (… passend Wählen könnte helfen? – eine Anmerkung der Redaktion;)

Frage nach „Klima­ge­rech­tig­keit“?

Katja: Klima­schutz und soziale Gerech­tig­keit gehörten für sie zusammen! Man müsse sich das Leiden vieler Kinder und armer Menschen weltweit unter Klima­ver­än­de­rungen bewußt machen, auch weil der ökolo­gi­sche Fußab­druck bei reichen Menschen immer deutlich rgößer sei als bei Armen. Die Zukunft der Ener­gie­po­litik sehe sie eher dezentral und in kommu­naler Hand. Es müsse eine Verkehrs(wende)-Politik geben, die eine bezahl­bare Mobilität für alle erhalte, aber weniger Verkehr durch gute Versor­gung der Bürger vor Ort nötig mache. ÖPNV-Angebote müssten verbes­sert, Preise klein gehalten und Sozi­al­ti­ckets wo nötig angeboten werden – das gerade in Dresden ein Erfolgs­pro­jekt geworden sei.

Katja sah hier auch die heutigen Produk­ti­ons­be­din­gungen kritisch: Die Wegwerf-Menta­lität müsse bekämpft werden, 25 kg Elek­tro­schrott pro Bundes­bürger im Jahr seien einfach zu viel! Dabei könne auch ein „Recht auf Reparatur“ weiterhelfen.

Frage nach „Grüne Themen“? – wo steht dabei DIE LINKE?

Katja Kipping sah ihre Partei dabei eindeutig „links der Union“! Es gehe dabei darum Gemein­sam­keiten zu finden mit Partnern möglicher künftiger Regie­rungen, wie z. Bsp. über eine Bürger­ver­si­che­rung, höheren Mindest­lohn, auskömm­liche Renten, über eine „HARTZ IV“-Abschaffung über wirksamen Klima­schutz und über Verbes­se­rungen bei sozialen Themen. Sie kriti­sierte dabei die Grünen, die sich vorab „nicht richtig festlegen wollten“.

Außerdem sei mit DER LINKEN keines­falls eine CDU-Koalition möglich.

Frage: „Demo­kra­ti­scher Sozia­lismus“?

Wie weit darf man kapi­ta­lis­ti­sche Elemente noch zulassen“? – Katja beschwich­tigte dazu etwas und meinte, dass wir nicht nur Utopien denkensollten! Sie sehe als nächsten Schritt zu einer besseren Gesell­schaft zuerst einmal einen „ökolo­gi­schen System­wechsel“. Zusätz­lich sollten andere Eigen­tums­formen der Produk­tion gefördert werden und es sollten weitere Priva­ti­sie­rungen verhin­dert werden. In manchen Bereichen wie z. Bsp. bei Strom­netzen müsse auch über eine Verstaat­li­chung nach­ge­dacht werden.

Beim Mobilfunk könnten mit dem Vorschreiben eines „Inter­roa­mings“ (jeder Mobil­funk­teil­neh­mende kann mit seiner Karte im Rahmen seines bestehenden Vertrags jede beliebige Zelle jedes Mobil­funk­an­bie­ters nutzen) sofort viele „Funk­lö­cher“ geschlossen und die Versor­gung verein­facht werden. Auch die Markt­macht von Internet-Riesen wie Facebook und Co. sollte überdacht und mehr kontrol­liert werden.

Für Katja gehöre zu einem „Demo­kra­ti­schen Sozia­lismus“ aber auch mehr direkte Demo­kratie, so wäre zum Beispiel eine Abstim­mung über die Einfüh­rung eines BGE wünschenswert.

Eine weitere Publi­kums­frage: "Antifa wählen heißt CDU wählen"?

Dazu kam noch der Hinweis, dass Konser­va­tive Parteien zusammen mit der „AfD“ teils schon fast zwei Drittel bei Wahlen erreicht hätten. Katja Kipping sah das auch mit Sorge, ihre Partei müsse dazu eine sozial-ökono­mi­sche Alter­na­tive anbieten. Neue Kandidat*inn*en machten ihr dabei Mut für gute und wählbare linke Alternativen.

Frage: „Darf man nach Wohnungs­ver­lust ins Pfle­ge­heim abge­schoben werden“?

Findet ihr das in Odnung? – kam als persön­liche Anfrage aus dem Publikum. Katja bedankte sich für diese doch recht persön­liche soziale Frage, zu der sicher die Details im Einzel­fall geklärt werden müssten (was besser in einer persön­li­chen Gesprächs­stunde im Partei­büro DER LINKEN in Dresden erfolgen könne). Sie sehe aber auch den Bedarf nach einer Verbes­se­rung der Unter­stüt­zung Betrof­fener bei allen „sozialen Fragen“.

Der Bereich von Heimen und Pfle­ge­ein­rich­tungen müsse aber auch als beson­deres gesell­schaft­li­ches Thema im Blick­punkt bleiben.

Frage: „Linke Digi­ta­li­sie­rung“?
(mit einem Hinweis auf das Funk-Kollektiv auf youtube)

Zu diesem Thema mahnte Katja Kipping zuerst einmal eine gerechte Besteue­rung von Internet-Konzernen an, also deren bisherige Steu­er­tricks zur Steu­er­ver­mei­dung auszu­he­beln. Gleich­zeitig gehe es darum, Gemein­wohl-orien­tierte Formen von Internet-Platt­formen bevorzugt zu unter­stützen. Es müsse immer ein Anbieter-Wechsel möglich sein, auch bei Facebook und Co.. Die AGBs sollten verein­facht werden und die Macht von IT-Konzernen müsse in geeig­neter Form begrenzt werden.

Auch sollten demo­kra­ti­sche Alter­na­tiven besser gefördert werden. Katja verwies dazu auch noch auf die Webseite DER LINKEN.

Die Mode­ra­to­rinen Jana und Ines bedankten sich dann gegen 19:30 Uhr beim Publikum und bei Katja und Tilo. Für Dresdener Bürger*innen wiesen sie noch auf einige weitere Veran­stal­tungen mit Katja Kipping hin:

  • Haus der Begegnung Dresden, 26. August 2020, Raul Zelik stellt sein neues Buch vor
    („Wir Untoten des Kapitals. Über poli­ti­sche Monster und einen grünen Sozia­lismus“, Essay, edition suhrkamp 2020)
  • Das Rote Wohn­zimmer, ab dem 18. Sept. 2020, an verschie­denen Orten Dresdens
  • Im Rahmen der Alters­armut-Tour DER LINKEN Sachsen
    Rotes Sofa am 23. Sept. 2020, Straß­burger Platz am Julius-Fučík-Denkmal, Dresden
    Thema „Alters­armut und Rente