Am 18. August 2020 besuchte Katja Kipping, eine der Parteivorsitzenden DER LINKEN, wieder einmal als Bundestagsabgeornete ihren Wahlkreis Dresden I. Morgens betreute sie dabei einen Info-Stand der Partei am Georg-Arnhold-Bad, am Ende der Helmut-Schön-Allee. Hier hatten interessierte Dresdner*innen die Möglichkeit, direkt mit ihrer Bundestagsabgeordneten zu diskutieren und ihre Sorgen und Nöte vorzutragen.
Begleitet wurde sie von Dresdens Stadtrat Tilo Kießling, der dort auch in den Ausschüssen für Finanzen, Bildung, Jugendhilfe und Sport sitzt.
Ein nicht ganz verregneter Info-Stand
Ein wichtiges Thema waren dabei immer wieder Probleme mit Leistungen nach ALG II / „HATRZ IV“ bzw. beim Umgang mit wenig helfenden oder mehr oder weniger ignoranten Vertreter*innen der JobCenter und Sozialbehörden. „Soziales“ und mangelhafte Sozialleistungen sind seit Beginn von Katja Kippings Politiker-Laufbahn ein Kernthema ihrer Arbeit bei DER LINKEN. Sie hat schon vor der Einführung des restriktiven „HARTZ“-Regimes gegen diese Art von „Sozialhilfe“ gekämpft und demonstriert und führt auch heute noch ihre langjährige Tradition fort, immer wieder einmal vom dem JobCenter Dresden vorbeizuschauen um dort persönlich die Broschüre (PDF-Datei) „Wer sich wehrt, lebt nicht verkehrt“ zu verteilen und sich die Klagen betroffener Besucher*innen anzuhören.
Am Abend: Das Rote Sofa am Albertplatz
Später boten Katja Kipping und Tilo Kießling noch zwei Sitzungen auf dem Roten Sofa (im Roten Wohnzimmer auf der Straße) an, bei denen sie sich den Fragen aller interessierten Bürger*innen stellten.
Abends dann am Albertplatz in der Inneren Neustadt führten Jana Neveling und Ines Finkenwirth als Moderatorinnen durch den warmen (und wieder trockenen) Sommerabend. Ab 18:00 Uhr kamen hier zahlreiche Besucher*innen vorbei.
Katja Kipping erläuterte als Einführung ihre Gedanken zum Thema „30 Stunden Woche“
Was könne eine passendere Antwort auf die aktuelle Corona-Krises sein?
- Neben der Zeit für Erwerbs-Arbeit sollte es
- Zeit für andere wichtige Dinge geben:
Familie, Ehrenamt-Arbeit, Freizeit, ein gutes Buch, …
Damit stellte sie die übliche Leistungs-Bewertung unserer Gesellschaft teilweise in Frage und forderte eine deutlich höhere Wertschätzung für Familienarbeit und ehrenamtliche Arbeit und forderte zu solch einer 4‑Tage-Woche aber auch den vollen Lohnausgleich. Für Politiker wäre der sicher nicht unbedingt nötig, bei geringer verdienenden Arbeitnehmenden aber schon.
Das habe dann auch weniger mit „Faul sein“ zu tun sondern es sei mehr als eine „Belohnung“ für die ständig gestiegene Produktivität der arbeitenden Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten zu sehen.
Jana stellte dazu dann die Frage nach möglichen Bündnissen für diese Forderung?
Katjas Antwort dazu war: „Wir brauchen andere Mehrheiten!“ – ihre Gespräche mit Menschen auf der Straße ließen immer wieder Frustration und Rückzug bei Vielen erkennen, besonders bei armen und benachteiligten Menschen. Das Beispiel „Mietendeckel“ zeige aber, dass es gerade mehr Beteiligung von aktiven Menschen brauche, um Veränderungen einzufordern. Die Parteien der Union erlebe sie dabei immer nur als Bremser. Für ihre sozialen Ziele müsse man passende Mehrheiten finden und die CDU aus der Regierung vertreiben:
- Alle Bürger vor Armut schützen
- Arbeitende in ihren Rechten stärken
- Abrüstung betreiben und Friedenspolitik stärken
- In Sozialen Medien Haßreden und Verschwörungstheorien bekämpfen
- Bedrohungen gegen Linke, Frauen und deren Angehörige ernsthaft bekämpfen
und gegen eine Verharmlosung bei konservativen Parteien wirken
Dazu sei aber mehr Zusammenarbeit nötig – „Allein machen sie dich klein“, und immer wieder zu beobachtende „Truppen von Trolls“ dürfe man nicht als Stimme der (eher schweigenden) Mehrheit wahrnehmen.
Es sollte ein Aufstand der Aufrichtigen werden, aber um Gewalttaten wirksam entgegenzutreten sei wohl auch ein „Aufstand der Verwaltungs-Verantwortlichen“ nötig!
Auch gegen zu beobachtende Repressionen gegen Künstler sei mehr Zusammenhalten nötig.
Ines brachte das Thema Gesundheitswesen zur Sprache.
Katja freute sich einerseits über die mediale Wertschätzung von Pflegekräften und Erziehenden während des Verlaufs der Corona-Krise, stellte dann aber die Frage: „Was kommt danach?“
- Es sei mehr Lohn nötig – z. Bsp. eine sofortiger Lohnzuschlag von 500,- Euro als Anfang
- Die Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden
(auch um Burnout und Bewerbermangel entgegenzuwirken) - Ein solidarischer Gesundheitsbeitrag aller Bürger sei nötig
Mündlicher Fragebogen (mit Antworten)
Ein Frage- und Antwort-Spiel zwischen den Moderatorinnen und Katja Kipping:
Wenn ich keine Politikerin geworden wäre?
Katja: Vielleicht Politikerin im Ehrenamt, oder eine Aktivistin. Ein früherer Traum als „tolle Tänzerin“ dann vielleicht doch eher nicht.
Bundeskanzlerin sein?
Katja: Laut Umfrageergebnissen bin ich davon leider noch weit entfernt! Aber bei den möglichen wechselnden Partei-Prozenten wäre dann wohl erst einmal Bodo Ramelow an der Reihe.
Meine vorrangigen Themen als Kanzlerin wären dann aber:
- Armutsbekämpfung, also Arme, Kinder und Alte besser zu versorgen
- Eine wirkliche Erbschaftssteuer für Reiche einzuführen
- Abrüstung und Entspannungspolitik
Neue „Linke Mehrheiten“?
Katja: Die seien sicher nötig für wirklichen Klimaschutz, Friedenspolitik und das Sichern einer besseren gemeinsamen Zukunft. Also mehr „zusammen kämpfen“.
Was schätzt Du an der Wahlkreisarbeit?
Die Arbeit mit ihren Mitarbeiter*innen und die Nähe zu den Menschen vor Ort. Aber auch die Zusammenarbeit und der Zusammenhalt beim „Kämpfen im Parlament“.
Alternativen?
Berlin oder Dresden? – Dresden.
Plakatieren oder Materail-Stand betreuen? – Die persönliche Ansprache vor Ort.
Bier oder Wein? – Weissweinschorle.
Berge oder Meer? – Das Meer.
Lindner oder Söder? – Bitte gute Alternativen geben.
Winter oder Sommer? – Sommer.
Rock oder Jazz? – Jazz.
Jazzdance oder Kickboxen? – Vielleicht beides.
Triangel oder Mitklatschen? – Triangel. (… auch wenn es damals ein „schwieriger Auftritt“ war, auf den hier angespielt wurde)
Talkshow oder Bürgerrunde? – Bürgerrunde, auch wegen persönlichem Kontakt. Talkshows seien oft recht anstrengend, auch weil viele „Gute Antworten“ einem oft erst zu spät kommen.
Für oder gegen „HARTZ IV“? – Kann man als Mensch nur dagegen sein, die Gegenstimmen werden ja auch immer mehr!
Habeck oder Scholz? – Geht auch Bodo Ramelow?
Gummibärchen oder Schokolade? – Schoko!
DD Altstadt oder DD Neustadt? – Die Altstadt Dresdens, wegen vieler romantischer Erinnerungen.
Nachteule oder Frühaufsteher? – Früh gezwungenermaßen durch die Tochter!
Bundestag oder Stadtrat? – Unentschlossen, vielleicht in Form eines Rotierens mit Tilo Kießling?
Publikumsfragen zum Abschluss
Frage: Grundsicherung? – Was sollte die enthalten?
Katja Kipping: Das BGE (Bedingungsloses Grundeinkommen) sollte ein dauerhaftes Einkommen jenseits von Armut sein. Mindestens 1.000,- Euro, eher aber 1.200,- Euro.
Von „HARTZ IV“ seien mittlerweile etwa 7 Millionen Menschen betroffen – aber wie wenig komme das Thema in den Medien vor! Das „Kleinrechnen“ der Regelsätze (das ärmste Viertel der Bevölkerung nehmen und dann noch Abschläge konstruieren) sei eine Schande und auch der Grund dafür, dass z. Bsp. unterwegs nie Geld für ein Eis für Kinder übrig sei.
Hier kamen dann Einwände eines flaschensammelnden Mitbürgers, der sich über zu viel „Bla-Bla“ beschwerte. Katja konterte damit, dass man hier im „Roten Wohnzimmer“ aber gerade zum Reden zusammengekommen sei!
„Angemessene“ „HARTZ IV“-Regelsätze?
Katja: Mindestens 600,- Euro ohne Rechentricks wären eine Verbessserung für den Anfang. Eine Abschaffung hin eher zum BGE aber das erklärte Ziel.
Frage: Was soll man sich leisten können?
Katja: Dazu am Besten einmal auf der Webseite hier vorbeischauen. Die bessere Option sei aber ein BGE in angemessener Höhe, dass vor allem auch unbürokratisch ausgezahlt werden sollte.
Frage: Beim ZDF-Sommerinterview ging es um eine angemessene „China-Politik“?
Katja: Es gehe darum, die Ideen des Sozialismus zu stärken. Dabei müssten Menschenrechte überall verteidigt werden. Warum dazu auch nur Kritik an DER LINKEN käme? – andere, z. Bsp. CDU-Politiker hätten dabei doch Kontakte und Gespräche mit China gesucht, um profitable Geschäfte einzufädeln.
Frage nach „sozialen Problemen“ in Dresden?
Katja: ja, es gebe viel zu viele arme Kinder in Dresden, in krassem Kontrast zu den Tourismus-Vierteln. Deshalb mache sie auch immer wieder Lokaltermine in Problem-Vierteln. (… passend Wählen könnte helfen? – eine Anmerkung der Redaktion;)
Frage nach „Klimagerechtigkeit“?
Katja: Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehörten für sie zusammen! Man müsse sich das Leiden vieler Kinder und armer Menschen weltweit unter Klimaveränderungen bewußt machen, auch weil der ökologische Fußabdruck bei reichen Menschen immer deutlich rgößer sei als bei Armen. Die Zukunft der Energiepolitik sehe sie eher dezentral und in kommunaler Hand. Es müsse eine Verkehrs(wende)-Politik geben, die eine bezahlbare Mobilität für alle erhalte, aber weniger Verkehr durch gute Versorgung der Bürger vor Ort nötig mache. ÖPNV-Angebote müssten verbessert, Preise klein gehalten und Sozialtickets wo nötig angeboten werden – das gerade in Dresden ein Erfolgsprojekt geworden sei.
Katja sah hier auch die heutigen Produktionsbedingungen kritisch: Die Wegwerf-Mentalität müsse bekämpft werden, 25 kg Elektroschrott pro Bundesbürger im Jahr seien einfach zu viel! Dabei könne auch ein „Recht auf Reparatur“ weiterhelfen.
Frage nach „Grüne Themen“? – wo steht dabei DIE LINKE?
Katja Kipping sah ihre Partei dabei eindeutig „links der Union“! Es gehe dabei darum Gemeinsamkeiten zu finden mit Partnern möglicher künftiger Regierungen, wie z. Bsp. über eine Bürgerversicherung, höheren Mindestlohn, auskömmliche Renten, über eine „HARTZ IV“-Abschaffung über wirksamen Klimaschutz und über Verbesserungen bei sozialen Themen. Sie kritisierte dabei die Grünen, die sich vorab „nicht richtig festlegen wollten“.
Außerdem sei mit DER LINKEN keinesfalls eine CDU-Koalition möglich.
Frage: „Demokratischer Sozialismus“?
„Wie weit darf man kapitalistische Elemente noch zulassen“? – Katja beschwichtigte dazu etwas und meinte, dass wir „nicht nur Utopien denken“ sollten! Sie sehe als nächsten Schritt zu einer besseren Gesellschaft zuerst einmal einen „ökologischen Systemwechsel“. Zusätzlich sollten andere Eigentumsformen der Produktion gefördert werden und es sollten weitere Privatisierungen verhindert werden. In manchen Bereichen wie z. Bsp. bei Stromnetzen müsse auch über eine Verstaatlichung nachgedacht werden.
Beim Mobilfunk könnten mit dem Vorschreiben eines „Interroamings“ (jeder Mobilfunkteilnehmende kann mit seiner Karte im Rahmen seines bestehenden Vertrags jede beliebige Zelle jedes Mobilfunkanbieters nutzen) sofort viele „Funklöcher“ geschlossen und die Versorgung vereinfacht werden. Auch die Marktmacht von Internet-Riesen wie Facebook und Co. sollte überdacht und mehr kontrolliert werden.
Für Katja gehöre zu einem „Demokratischen Sozialismus“ aber auch mehr direkte Demokratie, so wäre zum Beispiel eine Abstimmung über die Einführung eines BGE wünschenswert.
Eine weitere Publikumsfrage: "Antifa wählen heißt CDU wählen"?
Dazu kam noch der Hinweis, dass Konservative Parteien zusammen mit der „AfD“ teils schon fast zwei Drittel bei Wahlen erreicht hätten. Katja Kipping sah das auch mit Sorge, ihre Partei müsse dazu eine sozial-ökonomische Alternative anbieten. Neue Kandidat*inn*en machten ihr dabei Mut für gute und wählbare linke Alternativen.
Frage: „Darf man nach Wohnungsverlust ins Pflegeheim abgeschoben werden“?
Findet ihr das in Odnung? – kam als persönliche Anfrage aus dem Publikum. Katja bedankte sich für diese doch recht persönliche soziale Frage, zu der sicher die Details im Einzelfall geklärt werden müssten (was besser in einer persönlichen Gesprächsstunde im Parteibüro DER LINKEN in Dresden erfolgen könne). Sie sehe aber auch den Bedarf nach einer Verbesserung der Unterstützung Betroffener bei allen „sozialen Fragen“.
Der Bereich von Heimen und Pflegeeinrichtungen müsse aber auch als besonderes gesellschaftliches Thema im Blickpunkt bleiben.
Frage: „Linke Digitalisierung“?
(mit einem Hinweis auf das Funk-Kollektiv auf youtube)
Zu diesem Thema mahnte Katja Kipping zuerst einmal eine gerechte Besteuerung von Internet-Konzernen an, also deren bisherige Steuertricks zur Steuervermeidung auszuhebeln. Gleichzeitig gehe es darum, Gemeinwohl-orientierte Formen von Internet-Plattformen bevorzugt zu unterstützen. Es müsse immer ein Anbieter-Wechsel möglich sein, auch bei Facebook und Co.. Die AGBs sollten vereinfacht werden und die Macht von IT-Konzernen müsse in geeigneter Form begrenzt werden.
Auch sollten demokratische Alternativen besser gefördert werden. Katja verwies dazu auch noch auf die Webseite DER LINKEN.
Die Moderatorinen Jana und Ines bedankten sich dann gegen 19:30 Uhr beim Publikum und bei Katja und Tilo. Für Dresdener Bürger*innen wiesen sie noch auf einige weitere Veranstaltungen mit Katja Kipping hin:
- Haus der Begegnung Dresden, 26. August 2020, Raul Zelik stellt sein neues Buch vor
(„Wir Untoten des Kapitals. Über politische Monster und einen grünen Sozialismus“, Essay, edition suhrkamp 2020) - Das Rote Wohnzimmer, ab dem 18. Sept. 2020, an verschiedenen Orten Dresdens
- Im Rahmen der Altersarmut-Tour DER LINKEN Sachsen
Rotes Sofa am 23. Sept. 2020, Straßburger Platz am Julius-Fučík-Denkmal, Dresden
Thema „Altersarmut und Rente“