Pandemie läßt die Kultur kreativ werden
Der "Tag der Offenen Tür" war bis zum 2019 für die Freunde des Stadttheaters in Bremerhaven schon zu einer Tradition geworden. Und wie viele Betriebe und Vereinigungen war es auch bei der Crew in der Seesstadt üblich, dass Fest hauptsächlich im hauseigenen Gebäude zu begehen; mit einem Blick für die Besucher hinter die Kulissen sowie einem bunten Programm auf den Bühnen.
Das Corona-Jahr 2020 stellte für alle, aber insbesondere für sämtliche Kultureinrichtungen besondere Herausforderungen. Lockdown, teilweise Lockerungen, wieder Lockdown – weltweit waren sämtliche Unterhaltungseinrichtungen geschlossen. Nicht nur Künstler, sondern sämtliche Mitarbeiter wie Techniker, Toningeneure, Maskenbildner oder Choreographen warteten auf Publikum, und damit auf Einnahmen, um über die Runden zu kommen. Sehr viele hielten sich an die gesetzlichen Vorgaben, auf Distanz zu gehen.
Anders die Theatercrew in Bremerhaven. Als im vergangenen Sommer weniges wieder möglich war, jedoch das meiste unter strengen Hygienemaßnahmen nur unter freiem Himmel, wurde man an der Küste besonders einfallsreich. In der Hoffnung, die Krise CoVid-19 würde bald überwunden sein, begann man Ensemblemitglieder an verschieden Orten der Stadt zu positionieren. Dort zeigten die Schauspieler kurze Segmente ihres Schaffens, und boten somit der gesamten Stadt die Chance, Theaterkunst zugänglich zu machen.
Die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Pandemie erfüllte sich allerdings nicht. Die Krise blieb, aber geblieben ist auch die Idee. Aus der Theaterspielzeit 2020/21 wurde der Gesundheit zu liebe nichts. Doch das Impftempo gegen das Virus des 1. Halbjahres 2021 gerade im Land Bremen bescherrte den vollständig Geimpften das Ende der Lockdowns. Und damit endlich die lange ersehnten geöffneten Türen zu allen erdenklichen Einrichtungen. Das gilt selbstverständlich auch für das Stadttheater in Bremerhaven, dass sich direkt vor der Fußgängerzone in die Innenstadt befindet.
Aber – muss man die Türen öffnen, wenn man schon im vergangenen Jahr mehr als nur eine Alternative gefunden hat. Ja, man ließ Publikum ins Gebäude, vor, hinter und auch auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Doch auch das Straßentheater aus dem letzten Jahr blieb. Damit zählt das Ensemble und seine Mitarbeiter zu den wenigen Kulturschaffenden, die Corona gehörig die Stier boten, und im wahrsten Sinne des Wortes das Beste aus der Not machten. Nach erfolgter Anmeldung führten Bianca Surhenne sowie Schauspielerin Sybille Rasmussen vom Jungen Theater ein Publikum durch die Straßen von Bremerhaven, wo die Zuschauer ein Potpourri kurze Appetithäppchen für die kommende Spielzeit bekamen.
Die Mischung reichte von einem Sechspersonenstück für Zwei, einem Alleinunterhalter, einem Schauspiel, einem Tanz der Vampire bis hin zum jugendlichen Symphonieorchester der Stadt. Die Spielorte waren neben beliebten Tourismusmagneten wie das Foyer des Klimahauses, vor den Toren des Auswandererhauses, im Schoppinggebäude des Columbus-Centers – aber auch im Hof der Hochschule ging im übertragenden Sinne der Vorhang hoch. Auf die Frage, ob diese Idee denn auch die Pandemie überstehen wird, meinte Bianca Surhenne, sehr gerne. Es ist eine tolle Möglichkeit, die Kultur quasi an die Haustür des Publikums zu bringen. Das können wir nur unterstreichen, gerade auch nach dem kulturellen Lockdown. Das Volk dürstet nach der Enthaltsamkeit nach künstlerischen Darbietungen – die Kunstgenießer ebenso wie die Kulturschaffenden.
Es war allerdings nicht der einzige Programmpunkt an diesem 12. September. Ebenfalls per Anmeldung konnte man sich gemeinsam in einer Gruppe vom Technischen Direktor des Hauses, Ralf Zwirlein hinter die Kulissen führen lassen. Der Rundgang begann zunächst auf der Bühne. Die Gruppe musste jedoch nicht befürchten, ohne eigenes Wissen auf einmal teil eines Stücks vor Publikum zu werden, dafür aber mit dem Gefühl, was ein Darsteller durchleben darf. Der Zuschauerraum umfasst immerhin 700 Plätze; es ist sicher nicht nur unser Wunsch, wenn diese Plätze bald wieder vollständig besetzt sind.
Auf der sehr beweglichen Bühne, die wie ein Aufzug wirkt, ging es dann unter den berühmten Brettern. Dort erwartete die Gäste Einblicke in die Licht- und Tontechnik. Des weiteren standen Besuche im Dekoraum, in der Schreinerwerkstatt, im Maschinenraum sowie in der Tischlerei an. Den Abschluss bildete ein Besuch in eine sehr besondere Konditorei. Die selbstgebackenen Torten wurden von den Damen des Förderverbandes Landfrauen Verein e.V. gebacken und verkauft; der Erlös kam somit einer Spende für diesen Verein zugute.
Zu guter letzt wollen wir aber auch das Programm direkt vor dem Gebäude nicht völlig vergessen. Auf der Treppe, aber auch auf der Bühne gaben Chöre, Orchester und Tenöre Einblicke in ihr künstlerisches Schaffen. Vieles von dem, was wir dort gesehen und gehört haben, das erwartet das Publikum in der Spielzeit 2021/22 im Stadttheater Bremerhaven. Ein Schauspielhaus, in dem neben Opern, Operetten, Dramen, Lustspielen, Musicals und Singspielen auch große Kammerorchester warten. Bei soviel Kreativität, die die Crew beim Tag der Offenen Tür bewiesen hat, dürfen die Besucher gespannt sein. Besuchen Sie das Stadttheater in der Seestadt, dass Ensemble hat Ihren Applaus mehr als verdient.
Fotos & Text.: Hari