Unser kleines Freistatt wird irgendwie immer eurovisionärer. Nach den ersten zarten Versuchen, mit unserem kleinen Magazin bei der weltweiten größten Musikshow Fuß zu fassen, haben wir es jetzt auch geschafft, erstmalig international mitzumischen. Im vergangenen Jahr verkündeten die Moderatoren beim internationalen Finale in Liverpool stolz die Rückkehr Luxemburgs im Jahr 2024. Was einst wie eine Schnapsidee klang, setzten wir mit Hilfe der Organisatoren am vergangenen Wochenende dirket in die Tat um; wenn Luxemburg seinen Kandidaten für den diesjährigen Eurovision Song Contest per Vorentscheid auswählt, wollen wir den Versuch wagen, das Comeback des Großherzogtums vor Ort mitzufeiern.
Austragungsort war die Rockhal in Esch-Sur-Alzette, die zweitgrößte Stadt des kleinen Landes. Insgesamt traten acht Songs von 8 Interpretinnen und Interpreten an, um die luxemburgische Fahrkarte zum 68. ESC zu lösen. Das besondere dabei; die Kandidaten mussten einen direkten Bezug zum Land haben. Das ist deshalb besonders, weil sich das kleine Land bis zu seinem Rückzug oftmals im Ausland bedient hat. Das allerdings mit großem Erfolg; die aus Frankreich stammenden Jean-Claude Pascal, France Gall und Corinne Hermes stehen ebenso in der Liste der luxemburgischen Sieger wie die Griechin Vicky Lenadros sowie die Marokkanerin Anne-Marie David. Aber auch Interpreten wie Nana Mouskouri, Jürgen Marcus, Baccara und Ireen Sheer durften für drei Minuten sich wie Luxemburger fühlen.
Die luxemburgische Musikszene wurde in den letzten Jahren dank einheimischer Talente international salonfähiger, doch Regierung und Sender versperrten ihren Künstlern bis 2023 den Zutritt zur allergrößten Bühne. Wenn zwischen dem 7. und dem 11. Mai im südschwedischen Malmö 37 Nationen musikalisch wetteifern, ist Luxemburg endlich wieder dabei. Um im Vorentscheid am vergangenen Sonnabend antreten zu dürfen, mussten die Interpreten Luxemburger sein oder zumindest in diesem schönen Land wohnen. Vielleicht will man es ja anderen kleinen Nationen wie Malta oder Island gleichtun, die in ihren Auswahlverfahren regelmäßig auf die heimische Musikindustrie setzen.
Wer seit Sonntagmorgen in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, liest allenfalls Kritik über den ein oder anderen Song; was die Veranstaltung "Luxemburg Song Contest 2024" angeht, dafür gibt es hauptsächlich Komplimente. Wer wie die Freistätter Online Zeitung vor Ort war, war hin und weg. Denn die Vorstellung der 8 Vorschläge für Malmö sowie die Kür des Beitrages waren natürlich das Hauptaugenmerk der Veranstaltung. Luxemburg verstand es aber, ein Rahmenprogramm zu veranstalten, das man das Gefühl bekam, Luxemburg würde im Falle eines Sieges und der darauffolgenden Ausrichtung auch in der Lage, die internationale Veranstaltung trotz der Größe auch im Land auszurichten. Zwar war der Wettbewerb bereits in den Jahren 1962, 1966, 1973 und 1984 im Großherzogtum, doch seit der letzten Teilnahme 1993 hat sich die Show ja auch mehr ale verdoppelt. Galt es damals noch, einen zwar auch schon aufwendigen Finalabend zu gestalten, so sind dank der beiden Semifinals drei Shows samt drumherum zu organisieren.
Doch bevor es für uns nach Esch / Alzette ging, haben wir uns natürlich erstmal über die Kandidaten schlau gemacht. Dabei überwog ein wenig die Skepsis. Tolle Songs zwar in jedem Fall, doch reicht die Qualität auch für die ganz große Bühne aus? Ja, denn fast alle Teilnehmer nutzten die Live-Situation aus, und verkauften ihr Liedgut richtig überzeugend. Wie im Fußball – Schluss ist, wenn der Schiedsrichter pfeift – gilt diese Faustformel beim Songcontest erst recht. Ein Menü wird eben erst zum Festmahl, wenn es vor einem steht. Da wäre zum einen der junge Edsun, dessen "Finally Alive" in der Audioversion einem ein wenig altbacken erschien – live konnte der Mann in Rot dann aber zeigen, was bühnentechnisch in ihm steckte. Auch der Song "Drop" vom Duett Angy & Rafa Ela entwickelte dank des starken Gesangs, aber auch der visuellen Erscheinung der beiden Kandidatinnen zu einem möglichen Kandidaten für Malmö´24.
Brav und bieder wirkten hingegen die Rocker von One Last Time – ihr "Devil In The Detail" ist zweifelsohne ein mitreißender Song; doch Rockfans mögen es, wie wir ja von Liverpool gerade aus Deutschland her wissen, noch eine kräftige Spur deftiger. Ihr Trommelwirbel zu Beginn des Beitrags erinnerte ein wenig an Freddies "Pioneer" im Jahr 2016, als er für Ungarn in Stockholm an den Start ging. Ganz hohe ESC-Prominenz war dank Chaild (ausgesprochen wie das englische Child) vor Ort; die luxemburgische Staatszugehörigkeit bezog sich laut der Ausschreibung des Senders zwar auf die Interpreten, aber nicht auf die Autoren. Dieser ließ sich sein "Hold On" u.a. von Schwedens Erfolgskomponisten Thomas G:son (16 seiner Songs schafften es zum ESC, darunter beide Siegerssongs von Loreen) auf den Leib schneidern. Traditionell, wie zu den Zeiten des Grand Prix Eurovision de la Chanson, trat die erst 16-jährige Naomi Aye auf. Sie sang den einzigen komplett in französischer Sprache gehaltenen Chanson "Paumee Sur Terre".
Doch sie alle wollten die luxemburgischen Televoter und Juroren mehrheitlich nicht in der zweiten und entscheidenden Runde zur Auswahl haben. Das Reglement sah vor, dass man im "Superfinale" die Top Three nochmalig zur Wahl stellte, um aus diesen den endgültigen Vertreter des kleinsten Benelux-Staates zu ermitteln. Hier mischten die 8 internationalen Jurys ebenfalls wieder mit. Deren Resultata machten zu 50% das Endergenis aus, die andere Hälfte wurde wieder Volkes Stimme überlassen. Im Finale waren ausnamhslos drei Songs dabei, die man sich alle auf einer ganz großen Bühne hätte vorstellen können. Da war zum einen der erfahrene Sänger José Marquess Cunha, der mit "Believer" einen ESC-gängigen Song im Gepäck hatte, mit bewundernswerten Tänzern ergänzt. Bewundernswert deshalb, weil sie zu Beginn des Songs liegend die Nebelmaschine über sich haben ergehen lassen mussten.
Und da war der heimliche Hallenfavorit, die Sängerin Krick, die eine melodiöse Ballade nach Esch mitgebracht hatte. Bei ihrem "Drowning in the Rain" strahlte nicht nur ihr weißes Kleid. Sie lag im Televoting auch vorne, allerdings nur um einen Punkt. Siegerin wurde dank der Überlegenheit in der Jurywertung Tali Golergant. Ihre Performance sowie ihr Dance-Popsong "Fighter" wurde schließlich zum Sieger des Vorentscheids ermittelt. Die Freude war natürlich riesengroß, bis zum Finale in Malmö fehlt allerdings noch ein Schritt. Keine Sorge, sie wird im Wonnenmonat nach Schweden reisen, doch anders als es noch 1993 üblich war, ist sie nicht für das Finale gesetzt. Tali muss sich diesen Traum zunächst im 1. Semifinale erfüllen. Zur Siegerehrung kam übrigens Jimmy Martin, der männliche Teil von Modern Times. Also jenem Duett, dass seinerzeit in Millstreet bis zu diesem Moment den letzten luxemburgischen Beitrag beisteuerten.
Doch zurück zum Rahmenprogramm; denn hier hatte RTL.lu alles andere als gekleckert. Zum Auftakt der Show kam Anne-Marie David, die ihre immer noch starke Hymne "Tu Te Reconnaitras" genauso grandios vortrug, so wie sie es bei ihrem Sieg 1973 tat. Mit diesem Sieg gelang Luxemburg etwas, was nur wenigen Nationen gelang, eine Titelverteidigung im eigenen Land. Die, die ihr damals den Preis und die Blumen überreichte, kam direkt anschließend. Vicky Leandros erinnerte unter großem Beifall an ihren siegreichen Beitrag von Edinburgh 1972, "Apres Toi". Zuvor und danach wurden die Kandidaten vorgestellt. Als Intervall, sprich – als Überbrückungspause zwischen Vorstellen der Beiträge und der Bekanntgabe des Ergebnisses, bot der Sender eine Kurzweil, die sich der ESC-Fan genauso wünscht. Keine in die Jahre gekommmene Madonna, oder sonst ein großer Name, der gekommen ist um seine Karriere aufzuhübschen. Nein, Menschen, die ihre Karriere genau dem ESC zu verdanken haben. Nacheinander kamen die internationalen Sieger der Jahre 2004, Ruslana, 1997, Katrina Leskanich, 2009, Alexander Rybak sowie Charlotte Perelli, die Championatin von 1999 – allesamt performten ihre jeweiligen Siegersongs. Ein besonderes Highlight war sicherlich der Auftritt von Vicky Leandros, die sich bei ihrem 1967er Beitrag "L´amour est bleu" von Alexander Rybak begleiten lies.
Und ein großer Name Luxemburgs war den gesamten Abend über präsent. Als 19-jährige moderierte Desire Nosbusch bereits den Eurovision Song Contest 1984. Gemeinsam mit dem Trio Melody Funck, Raoul Roos und Loic Juchem durfte sie nun 40 Jahre später professionell durch den Abend führen. Sie hat nichts verlernt, wie damals gab es ein paar Worte auf deutsch, ein wenig französisch, hin und wieder mal englisch – aber hauptsächlich auf lëtzebuergesch.
Ob vor Ort oder per Stream live dabei – Luxemburg hat ein Comeback hingelegt, dass jeden begeistert hat. Wir drücken der jungen Tali alle Daumen, dass es zumindest für den Finaleinzug in die große Samstagabend-Show reicht. Vor allem auch deshalb, damit die Menschen im Land nicht gleich wieder das Interesse verlieren. Die Meßlatte für dann hoffentlich kommende Vorentscheide hat sich der Sender und Land selbst sehr hoch gelegt. Aber die Laune war so gut, dass wir auch gerne 2025 wieder kommen. Zudem – Luxemburg ist ein sehr schönes Land, es lohnt sich auch für Urlauber, und nicht nur für Banker.