Vertreter von Gewerkschaften sind es ja gewohnt, dass ihnen bei Kundgebungen zum „Tag der Arbeit“ der Wind ins Gesicht weht. Ungewöhnlich ist es jedoch, dass der Start in den Wonnemonat wettertechnisch genau das in die Tat umsetzt. In Hannover trotzten rund 2.000 Demonstranten Wind und recht kühlen Temperaturen, und bewegten ihren Protestmarsch Richtung Trammplatz, direkt vor das Neue Rathaus.
Gewerkschaften
Etliche Vertreter und Verantwortliche aus Gewerkschaften und Parteien begaben sich aufs Podium, um in Reden selbst Missstände anzuprangern. Vor Ort dabei war auch eine Gruppe von Jugendlichen, die sich für eine Verbesserung der Ausbildungsbedingungen einsetzen: Als JUGENDBÜNDNIS fordern sie bessere Voraussetzungen beim Eintritt in die Arbeitswelt und eine deutliche Reduzierung der befristeten Arbeitsverhältnisse.
Wenig später prangerte Marlis Tepe Versäumnisse in der Bildungspolitik an. Die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) bemängelte den unzureichenden Einsatz an finanziellen und personellen Mitteln in Schulen und Universitäten. Dadurch befürchte sie in Zukunft deutlich negative Folgen für die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt.
Politik
Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok betonte in seiner Ansprache, wie wichtig Einsatz und Auseinandersetzung der Gewerkschaften mit den Arbeitgebern für alle Arbeitnehmer sei. Das zeige sich auch wieder bei den Tarifabschlüssen der jüngeren Vergangenheit.
Betroffenen-Initiativen
Aber wie steht es um die, die weder Geld noch Arbeit haben – und noch nicht mal ein Obdach? Es ist ja gut, dass sie zum Feiertag „Tag der Arbeit“ nicht ausgesperrt sind, obwohl die Chancen dieser Menschen am Arbeitsmarkt sehr gering sind. Klaus-Dieter Gleitze betonte als Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz, wie wichtig Veränderungen am Wohnungsmarkt sind. Unterstützt wurde Gleitze auf der Bühne von der Gruppe „Gnadenlos Gerecht“, die mit einem großen Plakat auf die Grundrechte der Wohnungslosen aufmerksam machte. Auch nach dieser Rede war für die 2.000 Demonstranten das Plakat jederzeit sichtbar, da es neben der Bühne hochgehalten wurde.
„Wohnen ist ein Menschenrecht. Die Würde des Menschen ist unantastbar“ stand auf dem Plakat der Gruppe Gnadenlos Gerecht. Leider war dieses Zitat der UN-Menschenrechtscharta wie so oft falsch wiedergegeben worden. Ein Recht auf Wohnung ist dort festgeschrieben. Wohnen kann man zur Not auch in Turnhallen mit 60 anderen Menschen, denen es allen ähnlich schlecht geht. Eine Wohnung aber ist ein Platz für privates Leben, für das Individuum in allen möglichen Partnerschaften und für die Familie. Dieses Recht kann nur umgesetzt werden, wenn der soziale Wohnungsbau erneut massiv gefördert wird und es endlich wieder Wohnungen zu bezahlbaren Mieten und in ausreichender Menge in unserem Land gibt.
Die BAG‑W (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe) rechnet in 2019 mit mehr als einer Million Wohnungsloser in Deutschland. Durch gutes Zureden allein wird sich diese Zahl kaum nach unten verändern.