Wenn man die Frage stellen würde, welches sind besondere Feiertage im Jahr, so fallen den meisten sicherlich Weihnachten, Silvester, Ostern oder Pfingsten ein. Allesamt sind das Feiertage, bei denen es neben der guten Stimmung auch stets viel zu Essen und zu Trinken gibt. Doch hier gilt bei den Wenigsten im Vorfeld die Sorge, wo es herkommt, sondern, ob genügend bereit steht für ein Fest. In Freistatt wurde am 18. Oktober 2018 in der Moorkirche ein Fest gefeiert, das fast den Grundstock aller anderen Feiertage und Feste bietet – das Erntedankfest.
Zu diesem besonderen Anlass hatte die Geschäftsführung von Bethel im Norden eingeladen. Rund um die Moorkirche füllten sich die wenig vorhandenen Parkplätze, das Gotteshaus war gut besucht. Die eingeladenen Gäste erwartete ein interessantes Programm aus Vorträgen zum Thema Erntedank, die sich vornehmlich mit der Inklusion befassten. Die Geschäftsführerin von Bethel im Norden, Luise Turowski, stellte bei ihrer Begrüßung das Thema der Veranstaltung vor. “Wie gelingt Inklusion und soziale Teilhabe?“. Der Schwerpunkt des Mottos lag hierbei auf der schulischen Bildung.
Eröffnet wurde das Programm durch zwei Sonaten des italienischen Komponisten und Cembalisten Domenico Scarlatti, gespielt von Artem Yasynskyy. Der Pianist, der an der Musikschule Bremen lehrt und aus Donezk in der Ostukraine stammt, präsentierte zwischen den Wortbeiträgen klassische Klaviermusik.
In seinem Grußwort betonte Landrat Cord Bockhop, dass aus einem Grußwort keine Festrede werden sollte und versprach sich kurz zu fassen. Der Landrat des Landkreises Diepholz bedauerte, dass Erntedank heutzutage nicht dieselbe Bedeutung habe als in früheren Jahren. Insbesondere im Winter, als die Landwirte und Konsumenten froh über ihre Erzeugnisse und Vorräte waren, erkannten diese Generationen, das es sich lohne, sich anzustrengen. Der Politiker verwies auf die Selbstverständlichkeit von heute. Jeder verfügt über Lebensmittel, Strom aus der Steckdose oder ein Telefon. Das Alltagsleben gerate aber aus den Fugen, wenn genau diese sogenannten Selbstverständlichkeiten plötzlich ausfallen oder fehlen sollten. Das zu erkennen, und die Dankbarkeit an kommende Generationen weiterzugeben, solle die Herausforderung von heute sein.
„Wie gelingt Inklusion und die soziale Teilhabe?“ Die Antwort der Schirmherrin von Bethel im Norden, Dunja McAllister, war in ihrem Grußwort genauso knapp wie präzise. „Bethel“. McAllister komme sehr gerne nach Freistatt, denn hier treffe man auf Menschen mit dem Herzen am richtigen Fleck. Gerade deshalb, weil hier der Einsatz in der Hilfe am Menschen so groß ist, sei Freistatt der richtige Ort für diese Feier. Die Botschafterin lobte die vielen Projekte, die Bethel im Norden seit der Gründung vor 10 Jahren ins Leben gerufen habe, und erwähnte explizit die Wohnanlage in Sulingen. Zum Spatenstich im Juni war Dunja McAllister mit vor Ort. Doch ausruhen gelte nicht, die Gesellschaft brauche auch in Zukunft Veränderungen. Barrieren im Kopf müssten weiter abgebaut werden, damit Mut, Mitgefühl und Akzeptanz an Generationen weitergegeben werden könnten. Ein mögliches Teilhabegesetz sollte ins Gespräch gebracht werden.
Der Festakt in Hannover zum 10-jährigen Bestehen von Bethel im Norden vor wenigen Wochen, war auch Pastorin Johanna Will-Armstrong vom Vorstand der von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in ihrem Grußwort noch einmal ein Dankeschön wert. Es sei 2008 die richtige Entscheidung gewesen, den Schulverbund Freistatt zu gründen; auf dieser Initiative seien in Wagenfeld, Vechta, Lohne, Verden, Achim und Ahlhorn weitere Standorte entstanden. Etwa seit dem Jahr 2000 kenne die Gesellschaft den Begriff Inklusion, was aus ihrer Sicht nichts anderes bedeute, als den Versuch, eine gute Gemeinschaft zu verwirklichen. Pastorin Will-Armstrong hob das Projekt Wohnungslosentreffen hervor, das im Sommer schon das dritte Wohnungslosentreffen in Freistatt organisiert habe. Freistatt, so Will-Armstrong weiter, sei ein Ort mit bestem Beispiel, wie gelebte Inklusion funktionieren könne. „Guter Inklusion helfen keine Gesetze, wenn die Menschen selbst nicht mitmachen.“ Von der Politik brauche man dazu einen entsprechenden Rahmen sowie zuverlässige Unterstützung, dass sei die Grundlage für das Gelingen von Inklusion.
Ulrike Schwinge-Fahlberg lud bei ihrem Bericht der Geschäftsführung von Bethel im Norden zu einem Spiel ein. Doch anstelle von Stadt-Land-Fluß hieß es bei der Geschäftsführerin von Bethel im Norden Stadt-Land-Schluss. Dieses Motto der Diakonie soll auf die großen Unterschiede von Projekten im städtischen und im ländlichen Raum hinweisen. Frau Schwinge-Fahlberg warf in ihrer Rede die Frage auf, wie unterschiedlich sich die Inklusion in der Stadt und auf dem Land verhalte. Bethel im Norden scheine da keinen Unterschied zu machen, denn immerhin habe die Stiftung in ihren 10 Jahren Einrichtungen an 270 Städten und Orten geschaffen. Die Geschäftsführerin nahm ebenfalls Bezug auf das Wohnungslosentreffen Freistatt 2018, und erwähnte, wie wichtig es sei, das ausgegrenzte und benachteiligte Menschen nach und nach sich durch die Organisation des Wohnungslosentreffen selbst eine Stimme geben könnten.
Auch Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne nahm die Einladung von Bethel im Norden an, und sprach in der Moorkirche davon, dass durch den sinnlichen Umgang mit Lebensmitteln die Gemeinschaft gestärkt werde. Erntedank sei auch für nichtreligiöse Menschen wichtig, denn Dank zu sagen könne man unabhängig von Glauben und Konfession. Zum Hauptthema seines Vortrages: „Entwicklung der Inklusion im Rahmen der Schulentwicklung“, äußerte sich der Minister dahingehend, dass diese stets den zeitlichen und gesellschaftlichen Veränderungen angepasst sein sollte. Bildung sei ein Teil der gesellschaftlichen Teilhabe und sie mache auch Sinn, um politisch rechten Strömungen entgegen zu wirken, so Tonne weiter. Laut dem gebürtigen Ostwestfalen sei Inklusion nicht verhandelbar. Veränderungen seien notwendig und Ressourcen seien laut Tonne vorhanden – es gelte nur, sie auch in Zukunft sinnvoll einzusetzen.
Nach den Vorträgen war die Veranstaltung noch nicht beendet. Die Gäste und Zuhörer konnten sich nach der Veranstaltung untereinander austauschen, das Ganze bei einem interessanten Buffet. Sternekoch Volker Bassen und sein Team von der Jugendwerkstatt Weyhe hatten Interessantes zubereitet, um dem Anlass des Erntedank auf ihre Weise zu unterstreichen. Zudem, so sagte Luise Turowski, gebe es eine Überraschung. In der Tat: Zwischen sehr liebevoll zubereiteten Häppchen befand sich eine in Schokolade verarbeitete Heuschrecke. Nicht jedermanns Sache, entweder man traute sich, man verweigerte sich, oder man traute sich nach ein wenig Zögern. Die Heuschrecke, sowie der Sinn und Zweck der Veranstaltung, waren beim Verzehr der Häppchen natürlich auch gemeinsames Tischgespräch.
Erntedank – wer in der Moorkirche dabei war, weiß um so mehr um die Bedeutung des Tages. Zu einem gedeckten Tisch gehört nicht nur Messer und Gabel, es gehört vor allem monatelange harte Arbeit im Vorfeld dazu. In unserer Region bekommen wir jedes Jahr einen guten Eindruck davon. Der bewusste Umgang mit Lebensmitteln wird geschärft, etwas, was heutzutage immer mehr an Bedeutung gewinnt. Den Veranstaltern dieser Feier kann man nur danken, dass sie dieses Fest zu einem besonderen Fest werden ließen. Es beweist, dass Bethel im Norden um die Bedeutung von Erntedank weiß. Für die Gesellschaft ist das auf jeden Fall ein Weg in die richtige Richtung. Denn bewusst und in der Gemeinschaft zu speisen, auch das hat durchaus etwas von Inklusion.